19.04.2025

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Der Leichnam einer vergewaltigten Bäuerin inmitten eines verwüsteten Gartens, beobachtet von einem kleinen Mädchen, links im Bild: Kollwitz’ Bauernkriegszyklus kennt viele Facetten des Leids. 1907/1908 entstand das Werk „Vergewaltigt“
Bild: CRSDer Leichnam einer vergewaltigten Bäuerin inmitten eines verwüsteten Gartens, beobachtet von einem kleinen Mädchen, links im Bild: Kollwitz’ Bauernkriegszyklus kennt viele Facetten des Leids. 1907/1908 entstand das Werk „Vergewaltigt“

Kunst

Gegen Krieg, Hunger und Leid

Eine Ausnahmekünstlerin – Die Königsberger Malerin, Graphikerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz starb vor 80 Jahren

Christiane Rinser-Schrut
17.04.2025

Käthe Kollwitz wollte wirken. So schrieb sie in ihr Tagebuch im Dezember 1922: „Jeder arbeitet wie er kann. Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind. Viele fühlen jetzt die Verpflichtung, wirken und helfen zu wollen, aber mein Weg ist klar und einleuchtend, andere gehen unklare Wege.“ Dass die wichtigste deutsche Künstlerin des 20. Jahrhunderts gewirkt hat, davon zeugen zahlreiche nach ihr benannte Straßen, Plätze, Schulen, Jugendhilfezentren und der Käthe-Kollwitz-Preis der Berliner Akademie der Künste, der jährlich „von Künstlern für Künstler“ vergeben wird.

Ihren Durchbruch hatte sie mit ihrem Zyklus „Ein Weberaufstand“, zu dem sie im Februar 1893 durch Hauptmanns Aufführung „Die Weber“ inspiriert wurde. Ihre Lithographien und Radierungen zeigen notleidende Menschen und machen auf die Hungersnot unter den schlesischen Webern 1891/92 aufmerksam. Kollwitz' Zyklus wurde 1898 auf der Großen Berliner Kunstausstellung für eine Goldmedaille vorgeschlagen, die Kaiser Wilhelm II. allerdings verweigerte mit dem Ausspruch: „Ich bitte Sie, meine Herren, eine Medaille für eine Frau, das ginge dann doch zu weit. ... Orden und Ehrenzeichen gehören an die Brust verdienter Männer.“ Dass sie als Frau dennoch ihren Durchbruch erlebte, konnte der Kaiser nicht verhindern und auch nicht ihre Ernennung 1919 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste, und zwar als erste Frau. Sie erhielt den Professorentitel, leitete die Meisterklasse Graphik und verhalf 95 Frauen zur Ausstellung ihrer Werke bei den akademischen Kunstausstellungen.

Keine andere Künstlerin ihrer Zeit schafft so viel Mitgefühl mit ihrem präzise geführten Strich wie Käthe Kollwitz. Als fünftes Kind kam sie am 8. Juli 1867 Ostpreußens Hauptstadt zur Welt, die ersten beiden Geschwister starben schon vor ihrer Geburt. Von ihrem Großvater, Julius Rupp, der als Theologe 1846 in Königsberg die erste freireligiöse Gemeinde gegründet hat, übernahm sie ein Ideal sittlicher Größe und Pflicht sich selbst und den Menschen gegenüber. Sie starb am 22. April 1945 in Moritzburg.

Ehefrau, Mutter und berufstätig
Wenn es nach ihrem Vater gegangen wäre, der ihr Talent schon früh nach damaligen Möglichkeiten gefördert hat, wäre sie ausschließlich eine Künstlerin gewesen. Sie aber heiratete als geborene Schmidt 1891 den Kassenarzt Heinrich Kollwitz. In ihrer Heimatstadt Königsberg hielt sie sich viel am Hafen auf und erfasste die Arbeiter dort mit ihrer unglaublichen Beobachtungsgabe. Ihr intensives Gefühl erfasst noch heute die Betrachter ihrer Werke. Die Intensität des Ausdrucks, die emotionale Nähe, diese Unmittelbarkeit, die Kollwitz' Werk auszeichnet, hebt das Wesentliche hervor. „Mensch werde wesentlich!“, schrieb sie in ihr Tagebuch im Februar 1917. Der Mensch ist wesentlich für ihr Schaffen, in dessen Mittelpunkt sie ihn stellt. In ihrem Tagebuch hielt sie fest: „Das Stadium, wenn man anfängt zu fühlen, wie die Gleichgültigkeit nachlässt, eine Art Auftauen und wieder Fühlenkönnen eintritt. Das zweite Stadium, wo ein wirkliches und frohes Interesse da ist und man nicht mehr an der Berechtigung gerade dieses zu arbeiten zweifelt. Das dritte Stadium, wo die Arbeit einen in Klammern hat, wo sie wie eine Last auf einem draufhockt ... Man muß.“ Es musste notwendig sein, um geschaffen zu werden.

Kollwitz trat mit ihrer Kunst ein für die Schwachen, gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen Faschismus, für die Abschaffung des Paragraphen 218, der immer noch nicht abgeschafft ist. Sie warb 1920 für die Hilfe von Wiener Kindern, ein Jahr später für hungerleidende Russen. Sie druckte und modellierte gegen Krieg, Hunger, Gewalt und Leid. Begleitet wurde sie stets von Goethe, dessen Lebendmaske ihr noch im Alter durch Befühlen Orientierung gab. Aus seinem „Lehrbrief“, dem siebten Buch von „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, entlieh sie 1918 das Zitat „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“, um in einem offenen Brief Richard Dehmels Aufruf, der Jugendliche für den Krieg werben wollte, entgegenzutreten. So benannte sie auch 1942 ihre letzte Lithographie, die eine Mutter zeigt, unter deren Mantel und Armen, gleich einer Schutzmantelmadonna, sich Kinder verstecken.

„Es ist genug gestorben“, schreibt sie vier Jahre nach dem Tod ihres jüngsten Sohnes Peter, der eine tiefe Zäsur in ihrem Leben darstellt. Er war noch zu jung, um für den Ersten Weltkrieg eingezogen zu werden, wollte sich aber unbedingt als Kriegsfreiwilliger melden. Der Vater erlaubte es auf Bitten Käthes, und Peter starb zwei Wochen nach seinem Dienstantritt bei Diksmuide, wo auf dem Soldatenfriedhof eines der anrührendsten Antikriegsmahnmale steht: „Trauerndes Elternpaar“. Es wurde 1932 ausgestellt. Kollwitz arbeitete an diesem Werk genauso lange, wie ihr Sohn alt geworden ist.

Wundervoll und ganz leicht sind hingegen ihre Kinderbilder und Skulpturen – Kinder beim Lesen, Staunen, Murmelspielen oder schlafend an die Mutter gelehnt. Nach ihrer Münchener Zeit arbeitete sie sogar farbig.

b Kollwitz' Œuvre ist vielfach ausgestellt. Das Käthe-Kollwitz-Museum Köln am Neumarkt 18–24 öffnet nach Bauarbeiten wieder im Herbst. Viele Expositionen sind während dieser Zeit an andere Häuser verliehen. Das Käthe-Kollwitz-Museum Berlin am Spandauer Damm 10 ist täglich von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Das Ostpreußische Landesmuseum in Lüneburg stellt diverse Exponate aus. Das Museum der bildenden Künste in Leipzig in der Katharinenstraße 10 zeigt noch bis zum 11. Mai einige Kollwitz-Plakate in der Ausstellung „Rollenbilder. Frauen in der Sammlung des Mdbk“ ebenso wie das Barlach-Museum in Wedel bei Hamburg (siehe PAZ vom 4. April).


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