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Beim AfD-Bundesparteitag am Wochenende streben innerparteiliche Kritiker einen personellen und inhaltlichen Neuanfang an
An diesem Wochenende wählt die Alternative für Deutschland (AfD) auf ihrem 13. Bundesparteitag in Riesa einen neuen Bundesvorstand. Sind Delegierten- oder Mitgliederversammlungen bei den etablierten politischen Wettbewerbern zumeist gut inszenierte Pflichtveranstaltungen, bietet die AfD seit Jahren regelmäßig Raufereien auf offener Bühne.
So kam es 2015 in Essen zur Kampfkandidatur zwischen dem Gründungsvorsitzenden Bernd Lucke und der sächsischen Landesvorsitzenden Frauke Petry. Nach seiner Niederlage verließ Lucke die Partei, über 2000 Mitglieder folgten ihm. Für Petry schlug dann rund um den Bundesparteitag 2017 in Köln die Stunde, als sie wegen einer Schwangerschaft vorab ihren Verzicht auf die Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl erklärte und dann während des Parteitags auf offener Bühne marginalisiert wurde. Nach dem Einzug in den Bundestag erklärte auch sie ihren Rückzug aus der Partei. Und spektakulär war zuletzt die Wutrede des Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen auf dem Parteitag 2020 in Kalkar, in der er mit Provokateuren und Quertreibern in den eigenen Reihen abrechnete. Inzwischen hat Meuthen ebenfalls die Partei verlassen.
Auch der Parteitag an diesem Wochenende birgt einiges Streitpotential. Nach der Frage, ob die Partei künftig von einem oder zwei Sprechern geführt werden soll, steht die Wahl darüber an, welche Personen die AfD in den nächsten Jahren führen sollen – und wohin. Sollten sich die Delegierten für eine Einzelspitze entscheiden, wird es aller Voraussicht nach zu einer Kampfkandidatur zwischen dem bisherigen Co-Vorsitzenden in Partei und Bundestagsfraktion, Tino Chrupalla, und dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Norbert Kleinwächter, kommen. Bleibt es bei einer Doppelspitze, hat auch der Europaabgeordnete Nicolaus Fest seine Kandidatur angekündigt.
„Weiter so“ oder „Neuanfang“?
Chrupalla wird von parteiinternen Kritikern vorgeworfen, seit seinem Erscheinen an der Spitze keine Akzente gesetzt zu haben. Zudem habe er eine klare Abgrenzung nach rechtsaußen vermieden. Und seine Pro-Russland-Rede zu Beginn des Ukrainekriegs habe zum Austritt von über 500 Mitgliedern geführt. Insgesamt, so die Kritiker, stehe Chrupalla für eine Serie von inzwischen zehn Niederlagen bei Bundes- und Landtagswahlen.
Kleinwächter fordert einen grundlegenden Neuanfang der Partei: ein seriöses Auftreten nach außen, einen kollegialen Stil nach innen, eine sachorientierte Arbeit bei Fragen wie Inflation, Wirtschaft oder Sicherheit sowie eine professionelle Kommunikation in allen Bereichen. Dass er damit Erfolg haben wird, kann angesichts der bisherigen Parteigeschichte bezweifelt werden. Bislang zumindest wurde das Erscheinungsbild der AfD immer wieder von Politclowns geprägt, die randalierende Tweets oder martialische Reden im Thüringer Wald tatsächlich für Politik halten.
Erstaunlich an der Entwicklung der AfD ist, wie beharrlich sie den Weg ihrer europäischen Schwesterparteien ignoriert. Während etwa in Frankreich Marine Le Pen den ideologischen Ballast des früheren „Front National“ über Bord warf (einschließlich einer Änderung des Parteinamens und des Rauswurfs ihres eigenen Vaters Jean-Marie) und mit diesem Kurs hin zur Mitte bei den jüngsten Präsidentenwahlen rund 40 Prozent holte, driftet die AfD Schritt für Schritt an den Rand – und fällt entsprechend zurück.
Laut einer aktuellen INSA-Analyse würde die Partei derzeit selbst in ihren östlichen Hochburgen kein Bundestags-Direktmandat gewinnen. Bei der Kommunalwahl in Sachsen am vergangenen Wochenende errang sie keinen der von ihr erhofften ersten Landratsposten. Dass die AfD mancherorts selbst von den Freien Wählern überholt wurde, die dort noch vor Kurzem kaum eine Rolle spielten, zeigt, dass auch im Osten der Republik diejenigen Bürger, die eine Alternative zu den etablierten Parteien suchen, keine „Fundis“ wollen, sondern eine konstruktive, politikfähige Opposition.
Ralf Pöhling am 18.06.22, 14:01 Uhr
Der Vergleich mit Frankreich, Le Pen und dem Front bzw. jetzt Rassemblent National ist schwierig. Frankreich war während des Krieges nur sehr kurz geteilt, was langfristig keine wirkliche gesellschaftliche Separation nach sich gezogen hat. Deutschland war nach dem Krieg viel länger geteilt. Und das wirkt bis heute nach. Was uns als AfD am meisten zu schaffen macht, ist die unterschiedliche Wählerbasis in Ost und West, die sich nicht nur in der unterschiedlichen Sozialisation von "Ossis" und "Wessis" bemerkbar macht, sondern sich auch durch die Abwanderung rechten Wählerpotentials von Westen nach Osten dramatisch verstärkt. Der Osten wird dadurch in Gänze rechter, der Westen linker. Dass die AfD im Osten so stark zieht, hat also weniger mit ihrem dortigen Auftritt zu tun, als vielmehr mit einer stärkeren Konzentration rechten Wählerpotentials dort, die im Westen deshalb nachlässt. Wir ziehen also mit einem bestimmten Programm nicht häufiger Wähler an die Wahlurnen, wir ziehen sie nur woanders an die Wahlurnen. Es braucht in der Tat einen Auftritt, der es vermag auch mehr in der Mitte anzusprechen, ohne dabei das Potential rechts zu vergraulen und umgekehrt. Das ist gerade in Deutschland extrem schwierig, weil die NSDAP es damals komplett an die Wand gefahren hat und dies bis heute in den Köpfen des Durchschnittsbürgers nachwirkt. Das rechte Lager von heute muss freundlicher und integrativer werden und weniger martialisch wirken. Was allerdings aufgrund der derzeitigen sicherheitspolitischen Entwicklung überaus schwierig ist, da ein martialischer Auftritt das einzige ist, was uns in feindlichen Lagern außerhalb bzw. teils leider bereits innerhalb Deutschlands den nötigen Respekt verschafft. Es braucht deshalb ein neues patriotisches Rechts, was integrativ wirkt und kein altes nationalistisches Rechts, was generell jeden ausschließt, der nicht blond, blauäugig und kahlrasiert ist. Das geht. Wenn man nach vorne und nicht nach hinten schaut. Wir brauchen mehr positiv besetzen Patriotismus und weniger negativ besetzten Nationalismus.