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Wenn aus Unsinn Irrsinn wird: Unternehmen sollen künftig Strom je nach Wind- und Wetterlage zahlen
Extreme Preise an den europäischen Strommärkten haben den Direktor des Feralpi Elektrostahlwerks im sächsischen Riesa am 26. Juni zu einer drastischen Entscheidung gezwungen. Nachdem sich der Strompreis verzehnfacht hatte, für eine Megawattstunde wurden zeitweise bis zu 2000 Euro verlangt, stellte der Werksleiter die Produktion vorübergehend ein. Die Unterbrechung verursachte zwar hohe Kosten, diese lagen aber immer noch niedriger als die Weiterführung der Produktion zu den zeitweilig horrenden Strompreisen. Der Fall des Stahlwerkes sorgte in Wirtschaftsmedien als außergewöhnliches Ereignis für Schlagzeilen.
Nun sorgen sich Vertreter der Wirtschaft allerdings, dass eine Produktion nach dem „Stop and Go“-Prinzip je nach Höhe des Strompreises künftig zum Normalfall wird. Anlass für solche Befürchtungen ist ein Papier der Bundesnetzagentur, die zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums unter Führung von Robert Habeck gehört. Wie aus dem Eckpunktepapier hervorgeht, strebt die Bundesnetzagentur an, dass Unternehmen ihren Stromverbrauch künftig an die Verfügbarkeit von Wind- und Solarstrom anpassen. Dazu sollen nach den Vorstellungen der Bundesnetzagentur Firmen mit günstigeren Netzentgelten belohnt werden, wenn sie in „Situationen mit hohem Stromangebot mehr Strom verbrauchen“.
Kommentatoren werten die Idee, die Wirtschaft solle ihren Stromverbrauch an die jeweilige Wetterlage ausrichten, höchst unterschiedlich. Je nach politischem Standpunkt war entweder von einem „zukunftsfähigen Konzept“ oder aber von einem „Wetter-Roulette“ und sogar von einer „Gaga-Idee“ die Rede.
Bei den großen Wirtschaftsverbänden ist die Reaktion übereinstimmend ablehnend. Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), erklärte: „Kürzere Auslastungszeiten und eine flexible Nutzung von Produktionsanlagen machen Produktionsprozesse oft teurer und weniger wettbewerbsfähig. Für viele Produktionsprozesse ist aber nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus technischen Gründen eine möglichst gleichmäßige Anlagenauslastung notwendig.“ Auch Wolfgang Grosse Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie, kritisierte, der Plan der Bundesnetzagentur sei für stromintensive Produktionsprozesse absolut unpraktikabel.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) wies ebenfalls darauf hin, dass zahlreiche Produktionsprozesse in Industrie und Gewerbe nicht flexibel auf den Strompreis reagieren können. „Hohe Netzkosten in Zeiten mit wenig Stromerzeugung aus Wind und Sonne würden daher wie eine Strafgebühr wirken“, so Sebastian Bolay, der DIHK-Bereichsleiter Energie, Umwelt, Industrie. In einem Brief an den grünen Wirtschaftsminister Habeck sprechen Wirtschaftsvertreter von einem „verheerenden Signal für den Wirtschaftsstandort Deutschland“ und warnen, dass in keinem anderen Industrieland Unternehmen mit „fluktuierender, unplanbarer Stromversorgung konfrontiert“ werden.