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Corona in Frankreich

Hausgemachter Notstand

Vetternwirtschaft, Einsparungen bei den Krankenhäusern und ein nationales Gesundheitsinstitut mit fragwürdigen Entscheidungen. Das französische Staatsdilemma bei Covid-19

Eva-Maria Michels
18.05.2020

Mit mehr als 26.000 Toten zählt Frankreich zu den weltweit fünf am stärksten von Corona betroffenen Staaten. Statistisch kommen knapp 400 Tote auf eine Million Einwohner. Damit liegt Frankreich hinter Belgien, Spanien, Italien und Großbritannien, während es in Deutschland knapp 90 Corona-Tote je eine Million Einwohner sind. Für die hohe Todeszahl ist in Frankreich nicht nur ein desolates Gesundheitssystem verantwortlich, sondern auch die Korruption in Regierung und Gesundheitswesen.

Die Einführung der 35-Stunden-Woche 2000 sowie die „Modernisierung“ unter Sarkozy, das heißt die Umwandlung der staatlichen Krankenhäuser in technokratisch verwaltete, gewinnorientierte Dienstleister, führten zu einer Überbelastung des Personals und zu einer Verschlechterung der materiellen Ausstattung. Frankreich hat heute pro 100.000 Einwohner zum Beispiel nur noch halb so viele Intensivbetten wie Deutschland.

Seit Anfang 2019 werden die Krankenhäuser regelmäßig wegen der unhaltbaren Arbeitsbedingungen in den Notaufnahmen bestreikt. Dennoch zeigte die französische Regierung bislang keine Bereitschaft, etwas daran zu ändern.

Die staatlichen Krankenhäuser werden von allmächtigen Krankenhausdirektoren geleitet, die gemeinsam vom Gesundheits- und vom Forschungsministerium ernannt und eingesetzt werden. Die Pharmaindustrie verschafft sich Zutritt in die Behandlungsprotokolle über diese Gesundheitsfunktionäre und über Chefärzte an Universitätskrankenhäusern, deren Forschungsprojekte abhängen von der Förderung durch das staatliche Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm, Nationales Institut für Gesundheit und medizinische Forschung). Ein großer Teil der Inserm-Experten arbeiten wiederum für pharmazeutische Labore.

Bis Ende 2018 war der Immunologe und universitäre AIDS-Forscher Yves Lévy Chef des Inserm. Seine Ehefrau, die Hämatologin Agnès Buzyn, war bis zu ihrem Rücktritt am 16. Februar Gesundheitsministerin. Unter Lévy wurde die Pharmaforschung weiter zentralisiert und von traditionellen, relativ günstigen Methoden auf teurere, ungewisse und bioethisch umstrittene umgestellt wie die sogenannte Genschere CRISPR/Cas.

Ärzteklage gegen „Staatslüge“

Lévy muss auch über die Forschung am chinesischen Wuhan Institute of Virology, das der französische Staat aufgebaut hat, unterrichtet gewesen sein. Er nahm 2017 nicht nur persönlich an der Eröffnung teil, sondern wachte auch über die Kooperation des Institut Pasteur und französischer Universitäten mit dem Labor in Wuhan. Besonders unter diesem Gesichtspunkt ist die Aussage seiner Frau, der Ex-Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, vom 14. März dieses Jahres gegenüber der Tageszeitung „Le Monde“ interessant:

„Als ich (am 16. Februar) aus dem Ministerium ausschied, weinte ich, weil ich wusste, dass uns der (Covid-19-)Tsunami bevorstand. Am 20. Dezember berichtete ein englischsprachiger Blog von seltsamen Lungenerkrankungen. Ich benachrichtigte den Gesundheitsdirektor. Am 11. Januar unterrichtete ich den Präsidenten. Am 30. Januar warnte ich Edouard Philippe, dass die Kommunalwahlen nicht stattfinden könnten.“

Damit gab sie nicht nur zu, dass sie log, als sie am 24. Januar der französischen Öffentlichkeit erklärte: „Das Risiko, dass sich das Virus bei uns ausbreitet, ist sehr gering“, sondern auch, dass die französische Regierung sehr wohl darüber Bescheid wusste, dass sich ein neues, gefährliches Virus verbreitete.

Dennoch versandte Buzyn die wenige medizinische Schutzausrüstung, die Frankreich noch hatte, im Januar und Februar nach China und in den Iran und gab die Anweisung, von den 400 Millionen Masken, die der Staat noch lagerte, 240 Millionen zu vernichten – angeblich wegen zu schlechten Zustands. Mehr als 4000 Ärzte steckten sich in der Folge wegen fehlender Schutzausrüstung mit Covid-19 an. Allein im Elsass starben mindestens 20 Krankenhausärzte. Dazu kommen landesweit 22 tote niedergelassene Ärzte. Zum Pflegepersonal gibt es noch keine Zahlen. Zahlreiche Ärzte- und Pflegervereinigungen haben seit dem 19. März Klage gegen Buzyn und die Regierung eingereicht wegen „Staatslüge“.

Das mit Erfolg vom Infektiologen Didier Raoult vom IHU Méditerranée Infection in Marseille vertretene Covid-19-Protokoll, viel und frühes Testen, Isolieren der Kranken und sofortiges Behandeln mit Hydroxychloroquin und dem Antibiotikum Azithromycine, wird bis heute vom Inserm blockiert, obwohl die Covid-19-Sterblichkeit in Marseille bei nur 1,1 Prozent gegenüber neun Prozent in Restfrankreich liegt. Stattdessen lässt das Inserm Studien durchführen, die darauf angelegt zu sein scheinen, die Unwirksamkeit von Chloroquin zu beweisen. Das Mittel wird dabei nicht im Früh-, sondern im Endstadium verabreicht.

Niedergelassene Ärzte können Raoults Protokoll kaum anwenden, da Ex-Gesundheitsministerin Buzyn Chloroquin am 13. Januar auf die Liste giftiger Substanzen setzen ließ. Das Inserm und die Gesundheitsfunktionäre machen sich stattdessen für den Gebrauch des noch nicht zugelassenen und wahrscheinlich sehr teuren, aber in seiner Effizienz stark umstrittenen Ebola-Mittels Remdesivir des US-Labors Gilhead stark. Eine Tablette Chloroquin kostet hingegen nur sechs Cents. Das lässt bei Remdesivir auf eine ungleich größere und damit attraktivere Gewinnmarge schließen.

Unter Buzyns Nachfolger im Gesundheitsministerium, dem Neurologen Olivier Véran, wurde der Lebensschutz im Schatten der Corona-Krise weiter gelockert. Er erließ am 28. März das Dekret 2020-360, das bis zum 11. Mai gültig blieb und es Hausärzten ermöglichte, Covid-19-kranken Senioren sofort das bei Atemwegsentzündungen kontraindizierte, da tödliche, Sedativum Rivotril zu spritzen. Die Kosten übernahmen die Krankenkassen zu 100 Prozent, während die gewöhnliche Kostenrückerstattungsquote bei 65 Prozent liegt.

Der Verband „Junge Ärzte“ klagte erfolglos gegen das Dekret. Um späterer strafrechtlicher Verfolgung zu entgehen wegen all dieser Vorkommnisse, fügte die französische Regierung am 5. Mai dem Gesetz zur Verlängerung des Sanitätsnotstandes einen Artikel II zu, nach dem sie rechtlich nur noch belangt werden kann, wenn zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass sie willentlich und wissentlich gesetzwidrig handelte.


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