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Geschichte

Hirte in schicksalhafter Zeit

Vor 75 Jahren verstarb Maximilian Kaller, der letzte deutsche Bischof des Ermlands und erste Bischof der deutschen Vertriebenen

Bodo Bost
05.07.2022

Am 7. Juli 1947, inmitten jener heute weitgehend unbekannten Jahre zwischen dem Untergang des Deutschen Reiches und der Entstehung der Bundesrepublik, verstarb in Frankfurt am Main Bischof Maximilian Kaller. Als letzter deutscher Bischof des Ermlands und erster Oberhirte der Ostvertriebenen im Westen Deutschlands gehört der Würdenträger zu den schicksalhaften Figuren beim Verlust des deutschen Ostens.

Frühe Jahre

Maximilian Kaller wurde am 10. Oktober 1880 in eine kinderreiche, wohlhabende Kaufmannsfamilie im ethnisch und konfessionell gemischten Beuthen/Oberschlesien geboren. Am 20. Juni 1903 wurde er in Breslau von Kardinal Kopp zum Priester geweiht. Der schlesische Katholizismus war damals geprägt durch wegweisende Aufbrüche hin zu einem Sozialkatholizismus. Nach einer Kaplanszeit im oberschlesischen Groß Strehlitz wurde er Pfarr-Administrator der Missionsstation Bergen auf Rügen. Die pommersche Insel in einer extremen Diasporasituation hatte keinerlei katholische Infrastruktur. Dies zwang Kaller zu Improvisationen und Innovationen. Er machte viele Wege, verstärkte die sozial-karitativen Angebote und baute neue Kirchen in Sellin und Garz. Zudem führte er einen regelmäßigen katholischen Religionsunterricht an acht Orten ein und erreichte 1908 die Umwandlung der „Missionsstation“ Bergen in eine katholische Pfarrei.

Sein praktisches Organisationstalent nutzte ihm auch als Pfarrer der Berliner Pfarrei St. Michael in Mitte/Kreuzberg von 1917 bis 1926. In dieser drittältesten katholischen Pfarrei Berlins erlebte Kaller den Untergang des Kaiserreichs und die Wirren der beginnenden Weimarer Republik. Berlin-Kreuzberg war schon damals ein sozialer und politischer Brennpunkt mit einem hohen Anteil an Arbeits- und Obdachlosen sowie politischer Gewalt. Kaller bewies nun, dass er auch in der Großstadtseelsorge erfolgreich war, und zwar gleichermaßen durch pastorales, soziales Engagement wie auch durch die Einbindung von Laien. Vielleicht half ihm dabei die Tatsache, dass auch die katholische Minderheit Berlins (zirka elf Prozent) wie er zumeist aus Schlesien stammte.

Ein Randgebiet wird zum Kernland

1926 ernannte ihn der Heilige Stuhl, vermutlich auf Empfehlung von Nuntius Pacelli, zum Apostolischen Administrator von Tütz, später Schneidemühl, also jener Dekanate der Grenzmark Posen-Westpreußen, die nach 1918 von den nach Polen eingegliederten Bistümern Gnesen-Posen und Kulm beim Deutschen Reich verblieben waren. Auch hier hatte er es mit einer religiösen und nationalen Diasporasituation zu tun, die er pastoral-sozial mit beachtlichem Erfolg meisterte.

Als Kaller 1930 zum Bischof des Ermlandes gewählt wurde, also für das gesamte ostpreußische Gebiet mit dem katholischen Kerngebiet des alten Hochstifts, schien er bestens vorbereitet mit seinen Erfahrungen in der Diasporaseelsorge und im Umgang mit einer polnischen Minderheit. Dennoch stieß er zunächst vielfach auf Ablehnung bei Volk und Klerus. Doch davon ließ Kaller sich nicht abhalten, vielmehr stärkte er die katholischen volkskirchlichen Strukturen im Ermland, vor allem die ermländischen Wallfahrtsorte, und ließ sie auf das gesamte Diasporagebiet Ostpreußens und Memels ausstrahlen. 1932 begründete er das „Ermländische Kirchenblatt“, weihte das neue Priesterseminar in Braunsberg ein und führte auf einer Diözesansynode die „Katholische Aktion“ ein.

Den Nationalsozialisten stand Kaller zunächst wohlwollend gegenüber, weil auch sie vorgaben, ein Erneuerungswerk zu betreiben. An der Staatlichen Akademie in Braunsberg, der theologischen Hochschule, dozierte damals der Luxemburger Kirchenhistoriker Josef Lortz, der eine Symbiose zwischen katholischer Kirche und Nationalsozialismus versuchte. Kaller entwickelte das pastorale Konzept einer „wandernden Kirche“, das später Modell der Vertriebenenpastoral werden sollte. Ab 1934 wandte er sich bei Wallfahrten immer häufiger gegen kirchenfeindliche Tendenzen im NS-Staat, und gegen eine religiöse Aufladung ideologischer Begriffe wie „Rasse“. In einem Schreiben an Nuntius Orsenigo in Berlin vom 27. Februar 1942 erklärte er sich sogar bereit, die Seelsorge im Konzentrationslager Theresienstadt zu übernehmen, was der Nuntius jedoch ablehnte.

Täuschung durch einen Kardinal

Im Februar 1945 wurde der Bischof von der SS aus seiner Diözese ausgewiesen, um der Bevölkerung keinen Grund zum Bleiben zu geben. Über Danzig ging er nach Halle, dann nach Erfurt.

Im August 1945 kehrte Kaller in seine Diözese zurück. Der polnische Primas, Kardinal Hlond, erklärte ihm jedoch in Pelplin, dass ihm der Papst die Jurisdiktion über sein Bistum entzogen habe, was nicht korrekt war. Mit Tränen in den Augen verließ er in einem Lastwagen seine Diözese.

In seinen letzten Jahren in Halle, Königstein und Frankfurt verstand sich Kaller als Anwalt der Vertriebenen. Dazu konnte er pastorale Konzepte aus allen seinen vorherigen Wirkungsorten, seine Erfahrungen mit sozialen, konfessionellen und ethnischen Randgruppen mit einbringen.

Seelsorger der Vertriebenen

Am 29. Juni 1946 berief ihn Papst Pius XII. zum Päpstlichen Sonderbeauftragten für die heimatvertriebenen Deutschen. Als „Vertriebenenbischof“ wollte er den Heimatlosen in der Kirche einen Teil ihrer Heimat erhalten, doch er wusste, dass das nicht ohne feste Ankerpunkte ging. So gründete Kaller unermüdlich eigene Wallfahrten, Zeitschriften, Begegnungshäuser, Schulen und Kirchen für Vertriebene sowie das „Vaterhaus der Vertriebenen“ in Königsstein, wo er noch die Basis für eine Vertriebenenhochschule legte. Besonders am Herzen lagen ihm die rund 1800 vertriebenen katholischen Priester, für deren Einsatz in den vier Besatzungszonen er zuständig war.

Kaller wollte nicht nur materielle Hilfe organisieren, sondern helfen, das Vertriebenenschicksal nach dem Geist der Bergpredigt zu tragen. Denn er ahnte früh, dass eine Rückkehr in die angestammte Heimat auf Dauer nicht möglich sein würde. So wurde Maximilian Kaller nach 1945 zur großen Identifikationsfigur der katholischen Heimatvertriebenen. Allerdings führte sein aufreibender persönlicher Einsatz auch zu seinem plötzlichen Tod durch Herzinfarkt am 7. Juli 1947 in Frankfurt.

Sein Sekretär Gerhard Fittkau (1912–2004) steuerte die Kaller-Verehrung nach dessen Tod weiter. Das heute polnische Bistum Ermland ehrt Kaller unter anderem mit einer zweisprachigen Gedenkplakette sowie einer Büste sowohl in der Kathedrale in Frauenburg als auch in der Basilika St. Jakob in Allenstein. In Königstein/Taunus erinnert gar ein großes Denkmal an den Bischof. Dort wird auch der 75. Todestag Kallers mit eigenen Gedenkfeiern bedacht, die unter anderem von dem von Bischof Kaller gegründeten Bischof-Neumann-Gymnasium in Königstein gestaltet werden.


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