29.03.2024

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Suchen und finden

Östlich von Oder und Neiße

Hydrologisch und stadtgeschichtlich abtauchen

Auch Erdgeschichte und Naturgewalten schlagen einen Bogen zum Vorkriegsbreslau

Chris W. Wagner
12.09.2022

Man sagt, dass bislang mehr Menschen ihren Fuß auf den Mond gesetzt haben als auf den Grund des Marianengrabens. Jacques Piccard und Don Walsh erreichten 1960 in dem Bathyskaph „Trieste“, einem Spezial-Tiefsee-U-Boot, den Grund des Challengertiefs in dieser tiefsten Meeressenke der Erde.

Das Hydropolis in Breslau, ein Museum rund um das Thema Wasser, präsentiert einen originalgetreuen Nachbau der „Trieste“. In dieses Bathyskaph kann man sich hineinsetzen und nachempfinden, was ein Mensch in elf Kilometer Tiefe spürt. Das Hydropolis am Weidendamm [na Grobli] befindet sich auf dem Gelände des 150 Jahre alten Städtischen Wasser- und Abwasserwerks, das bis heute zusammen mit dem Wasserwerk Althofnass [Mokry Dwór] in der Gemeinde Tschechnitz [Siechnice] die schlesische Metropole und ihre Umgebung mit Trinkwasser aus der Ohle [Oława] und der Glatzer Neiße [Nysa Kłodzka] versorgt.

Neben der Geschichte des Wasserwerks kann man im Hydropolis auch viel über die Herkunft des Wassers auf der Erde, die Evolution des Lebens im Wasser vor etwa 3,3 Milliarden Jahren oder die Rolle des Wassers in Kultur und Religionen erfahren. Vorausgesetzt, man kann Polnisch oder Englisch, denn in diesen beiden Sprachen informieren Lesetafeln und Audioeinspielungen. Aber vieles wird intuitiv präsentiert, sodass auch Kinder oder Anderssprachige an der Ausstellung Freude haben können.

Ein separater Bereich ist den Erfindern, Wissenschaftlern und Ingenieuren aus dem alten Ägypten, der Antike wie der Neuzeit gewidmet, zu denen auch der Mechanikus und Erfinder Karl Klingert zählt, der mittels eines längeren Tafeltextes vorgestellt wird. 1760 in Herrnprotsch [Pracze Odrzańskie], heute ein Ortsteil von Breslau, geboren, erfand er viel Nützliches wie die erste elektrische Uhr (1815), eine Handprothese, Rollstühle, ein Thermometer und einen Kompass für Blinde. Doch seinen Platz im Hydropolis bekam er wegen seiner bekanntesten Erfindung, der „Tauchermaschine“. Die Brauchbarkeit dieser Erfindung wurde unter Beweis gestellt, indem ein mit Klingerts Taucheranzug ausgerüsteter Taucher einen Baumstamm in der Tiefe der Oder durchsägte.

Der Sohn eines Branntweindestillationbetreibers besuchte das Breslauer Maria-Magdalenen-Gymnasium, an dem er später selbst Lehrer war. Klingert interessierte sich vor allem für die chemische Physik, für Thermo- und Fluidmechanik, für die galvanische Energieerzeugung sowie für die Hydraulik und ihre Effekte. Bis 1827 erschienen etwa 40 Aufsätze von Klingert in verschiedenen Schriften der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur“, die großes Ansehen genoss. Sie ersetzte die in Schlesien fehlende Akademie der Wissenschaften und Künste.

In einer kleinen Kinomuschel des Hydropolis wird ein Zeichentrickfilm zum Leben des Erfinders gezeigt. Filmemacher Artur Wyrzykowski und Drehbuchautorin Agata Koschmieder wollten in ihrem 20-minütigen Zeichentrickfilm Klingert aus der Vergessenheit herausholen. „Wir in Warschau haben den Anfang gemacht in der Hoffnung, dass sich Kollegen und Institutionen aus Breslau anschließen“, sagt Karina Kowalka vom Tauchmuseum Warschau, die Wyrzykowski inhaltlich beriet. Hilfe kam auch vom Zentrum für audiovisuelle Technologien (CeTA) in Breslau und vom Hydropolis.

Der Film zeigt Breslau zum Ende des 18. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte des tragischen Hochwassertodes von Oskar, dem jüngeren Sohn Karl Klingerts. Seine damals sechsjährige Tochter Bi hatte seitdem panische Angst vor Wasser. Karl verkriecht sich in seiner Arbeit und tüftelt verzweifelt an der Schaffung eines atmosphärischen Taucheranzugs. Sollte seine Erfindung gelingen, bekäme er genug Geld, um mit seiner Tochter ein neues Leben außerhalb Breslaus aufzubauen.

Doch Bi glaubt nicht, dass ihr Bruder tot ist und fürchtet, dass Oskar sie nach einem Umzug nie wiederfinden könnte. Sie glaubt, der Taucheranzug sei ein Ungeheuer. Daher will sie die Erfindung vernichten. Erst ein Gespräch mit dem Vater hilft ihr, die neue Idee zu verstehen und über ihren Schmerz hinwegzukommen.

Karl Heinrich Klingert blieb seiner Heimatstadt jedoch zeitlebens treu. Er starb als königlich-preußischer Regierungs-Mechanikus im Alter von 68 Jahren.


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