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Psychologie

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Wie umgehen mit einer narzisstisch angelegten Person? Die Persönlichkeitsstörung tobt sich besonders in den sozialen Medien aus

Stephanie Sieckmann
18.02.2024

In der Psychologie gibt es einen Persönlichkeitsaspekt, der seit einigen Jahren vermehrt in den Vordergrund rückt: der Narzissmus. Diese schon lange bekannte Persönlichkeitsstörung, die per Ferndiagnose häufig mit dem früheren und eventuell auch zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump in Verbindung gebracht wird, ist geprägt von Selbstbewusstsein, gepaart mit gleichzeitiger Selbstunsicherheit, Empathie-Armut und dem Durst nach Bewunderung. Die Mischung hat es in sich, sie fasziniert und verstört. Studien wollen herausgefunden haben, dass das Phänomen Narzissmus deshalb aktuell in den Vordergrund rückt, weil Narzissten in den sozialen Medien die perfekte Plattform für ihr Bedürfnis nach Selbstdarstellung finden.

Was ist eigentlich Narzissmus? Zu den typischen Merkmalen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) gehört ein dauerhaftes Kreisen um die eigene Person. Andere Menschen werden kritisch beäugt, kategorisiert, oft abgewertet. Bei der ersten Begegnung präsentiert sich der Narzisst häufig mit einem selbstbewussten Auftritt, oft mit entwaffnenden Sprüchen. Nicht immer ist sofort klar: Meint er das ernst oder ist das Spaß? Der erste Eindruck ist oft der eines Menschen mit einem überaus großen Selbstwertgefühl und Selbstbezogenheit.

Vor rund 50 Jahren fand Narzissmus vor allem im klinischen Umfeld Erwähnung. Der Schwerpunkt lag bei den Beeinträchtigungen, die durch die Merkmale des Narzissmus in der extremen Ausprägung im Leben, im Beruf auftreten konnten. Heute dagegen wird Narzissmus differenziert betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass es ein großes Spektrum an narzisstischen Varianten gibt, das von relativ gesundem Narzissmus bis zur klinisch bedeutsamen NPS reicht.

Ein schweres Los
Für Menschen, die eng mit Narzissten verbunden sind, ist das Leben Tag für Tag eine Herausforderung. Es ist geprägt von der Dominanz der Eltern, des Partners oder des Chefs und deren Bedürfnis nach Bewunderung und Anerkennung. Kritik vertragen diese Menschen so gut wie gar nicht, dagegen kritisieren sie andere offen und mit großer Selbstsicherheit. Es kann vorkommen, dass sich Lobpreisungen durch den Narzissten – dann, wenn der Partner, das Kind oder der Mitarbeiter das Selbstbild des Narzissten aufwertet – willkürlich abwechseln mit Momenten oder Phasen von übertriebener Kritiksucht, Abwertung, Zurücksetzung oder Vorwürfen. Dies passiert, wenn sich die Person nicht genug beachtet oder sogar in den Schatten gestellt fühlt, wenn darüber hinaus ihr zerbrechliches Selbstwertgefühl hinter der Selbstinszenierung zittert und schwankt.

Denn Narzissten haben zwei Seiten: Sie können auf der einen Seite sehr charmant sein, bis sie wieder in das andere Extrem verfallen und sie ihr Gegenüber mit Kritik und Missachtung klein machen bis zur Bedeutungslosigkeit. Manchmal macht es den Eindruck, als ob diese Personen Harmonie einfach nicht über längere Zeit aushalten können.

Diese Eigenschaften führen bei manchen Narzissten dazu, dass sie enorm erfolgreich werden im Hinblick auf das Berufsleben, so bei manchen Künstlern oder Politikern. Andere jedoch scheitern mit diesen Merkmalen wieder und wieder.
Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass es „den Narzissten“ nicht gibt. Heute unterscheidet die Psychologie zwischen sehr unterschiedliche Ausprägungen. So gibt es den versteckten Narzissten und den grandiosen Narzissten, den gesunden Narzissmus und die narzisstische Persönlichkeitsstörung.

Studien in Hülle und Fülle
Die Anzahl der Studien und Ratgeber zu diesem Narzissten wächst täglich. Kaum eine Uni, kaum ein psychologischer Zweig beschäftigt sich derzeit nicht damit. So gibt es sogar statistische Erhebungen darüber, in welchen Ländern und Regionen die meisten Narzissten leben. In Europa sind es weitaus mehr als auf anderen Kontinenten. In Westdeutschland leben mehr als in den östlichen Bundesländern.

Forscher der New York University haben herausgefunden, dass Narzissmus eher durch Unsicherheit als durch ein übersteigertes Selbstwertgefühl der Grandiosität hervorgerufen wird. Die Berliner Charité hat in einer Studie ermittelt, dass Gehirne von Narzissten tatsächlich Veränderungen aufweisen. Die Uni Würzburg veröffentlichte eine Meldung, nach der in sozialen Netzwerken besonders viele Narzissten anzutreffen sind. Auch andere Studien kamen schon zu diesem Ergebnis.

Die Selbstdarstellung spielt für den Narzissten eine wichtige Rolle. Die sozialen Medien bieten beste Bedingungen für die rundum optimierte Präsentation der eigenen Person und wirken daher als Katalysator. Dabei ist es wichtig anzumerken: Hinter der Selbstinszenierung verbirgt sich eher Selbstunsicherheit als Selbstüberschätzung. Auch das belegen mehrere Studien der vergangenen Jahre.

Ursachenforschung
Immer wieder beschäftigen sich Psychologen mit der Suche nach dem Ursprung des Narzissmus. Auch eine genetische Veranlagung wurde in Betracht gezogen. Eine Studie der Universität von Kalifornien in Los Angeles beschäftigte sich mit den Auswirkungen von Traumata in Kindheitstagen und kam zu dem Schluss, dass derartige traumatische Erfahrungen über mehrere Generationen hinweg weitergegeben werden. Erlebnisse wie frühe Trennung, Tod der Eltern, Misshandlung, sexueller oder psychischer Missbrauch können dazu beitragen, dass der Nachwuchs mit einer deutlich größeren Wahrscheinlichkeit ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom aufweist.

Ein interessanter Aspekt der Auswertung: Hat die Mutter in den ersten Jahren ihres Lebens traumatische Erfahrungen gemacht, war der Einfluss auf den Nachwuchs deutlich stärker. Es kann also sein, dass Staaten, in denen besonders viele Frauen traumatische Kriegserfahrungen im Zweiten Weltkrieg erlebt haben, heute einen größeren Anteil an Menschen mit narzisstischen Merkmalen aufweisen.

Das Thema Narzissmus ist auch ein wichtiger Aspekt im Wirtschaftszweig der Ratgeber und Psychotherapie. Auf dem Markt gibt es aktuell eine Fülle an Büchern, Workshops, Podcasts und Blogs. Die Angebote richten sich weniger an die Narzissten selbst, sondern an Menschen, die unter dem Miteinander mit diesen Personen leiden. Es gibt Ratgeber für den Umgang mit narzisstischen Eltern sowie für Opfer von narzisstischen Partnern.

Ebenfalls hoch im Kurs: Tipps für den Umgang mit dem narzisstischen Chef. Warum? Weil Narzissten das Potential haben, andere Menschen in Verzweiflung zu stürzen. Der Narzisst selbst begibt sich höchst selten zu einem Psychotherapeuten. Lange galt es als eines der Merkmale der NPS, dass solche Personen auf Therapien nicht ansprechen. Mit der Schematherapie ist aber inzwischen eine Methode entwickelt worden, die auch dem Narzissten helfen kann.

Doch meistens sind es die Opfer des Narzissten, die Rat und Hilfe suchen. Sei es bei der Auf- und Verarbeitung von erlittenen traumatischen Wunden, oder weil sie Unterstützung wünschen bei der Trennung von einem Menschen, der stark narzisstische Züge hat.

Allerdings sollte mit dem Stempel „Du bist ein Narzisst“ vorsichtig umgegangen werden. Mitja Bock, Professor für psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie an der Universität Münster, arbeitet seit vielen Jahren zum Thema Narzissmus. Seine Meinung lautet: Wer einen Menschen als Narzisst wahrnimmt, ist vielleicht selbst einer.


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Kommentare

Walter Schulz am 19.02.24, 17:38 Uhr

Dr. Kucharski: Gut zusammengefast!
Abgesehen davon: Sich an Trumps Narzismus abzuarbeiten (wenn er denn vorhanden ist), ist wohlfeil, wenn man sich nicht an der neurobiologischen Symptomatik des Herrn Biden abarbeitet. Auch wäre es eigentlich mal recht interessant zu erfahren, um welche Persönlichkeitsstörung es sich ei den Dauerlügnern der Mainstreammedienfuzzis und der Blockparteien-Leader handelt. Nur mal so am Rande bemerkt ... Denn die richten ja wohl den größten Schaden an.

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski am 18.02.24, 11:12 Uhr

Was Trump, den nicht ganz auszuschließenden mächtigsten Mann Amerikas, von einem Hampelmann unterscheidet, ist die bei ihm fehlende Schnur, an der Kleinkinder ziehen können; die wird auch nicht benötigt, weil er selbst hampelt.

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