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Große Nachfrage seit der Legalisierung: Warteschlange vor einem Cannabis-Laden im kanadischen Toronto
Foto: imago images/Eckhard StengelGroße Nachfrage seit der Legalisierung: Warteschlange vor einem Cannabis-Laden im kanadischen Toronto

Kanada

Im Kauf-Rausch

Seit die Kanadier Cannabis legalisiert haben, steigt die Konsumentenzahl – Nebenwirkungen inbegriffen

Dagmar Jestrzemski
13.02.2023

Wer sich ein Bild über die Auswirkungen des freien Verkaufs von Cannabis einige Jahre nach der Legalisierung der Droge verschaffen möchte, sollte nach Kanada blicken. Seit Oktober 2018 ist in Kanada der Kauf von getrocknetem Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften für Personen ab 19 Jahren erlaubt. Legal ist auch der Besitz von 30 Gramm Marihuana pro Person, zusätzlich 1000 Gramm pro Haushalt sowie der Besitz von vier Hanfpflanzen. Die Droge darf dann an andere Erwachsene weitergegeben, aber nicht verkauft werden.

Schon vor der Cannabis-Legalisierung war Kanada eines der Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Konsum von Marihuana weltweit und einem blühenden Schwarzmarkt. Laut Gesetzgebung der liberalen Regierung unter Premierminister Justin Trudeau zielte die Legalisierung vor allem auf die Eindämmung des illegalen Marktes. Kinder und Jugendliche wollte man von den Straßendealern fernhalten, die oft gestreckte Produkte mit einem gefährlich hohen psychoaktiven THC-Gehalt verkaufen.

Nach der Legalisierung der Droge stieg die Zahl der Konsumenten zunächst sprunghaft an. Erklärten vor Oktober 2018 noch 22 Prozent der Befragten, in den letzten zwölf Monaten Cannabis konsumiert zu haben, waren es 2019 schon 25 Prozent und 2020 sogar 27 Prozent, bei seither leicht rückläufiger Tendenz.

Cannabis per Essenslieferdienst

Fast ein Drittel der Teenager gab an, im ersten Vierteljahr nach der Freigabe Marihuana geraucht zu haben. Ende 2019 wurden auch abgepackte Lebensmittel und Getränke mit einem Cannabis-Gehalt von maximal zehn Milligramm THC zugelassen. Der Internethandel war von Anfang an ein wichtiger Vertriebsweg des neuen Geschäftsfelds. In Toronto (Provinz Ontario) findet man an fast jeder Straßenecke einen Cannabis-Store, während in British Columbia Läden aufgrund der Verknappung des legal produzierten Angebots schließen mussten.

Ein großer Hersteller bietet 85 verschiedene Cannabissorten an, von denen einige mehr als 20 Prozent THC enthalten. Man kann zwischen Gewächshaus- und Freilandanbau wählen und zwischen Sorten, die angeblich schlaffördernd, schmerzlindernd oder anregend wirken. Dank einer Kooperation des Essenslieferdiensts UberEats mit dem Cannabis-Portal Leafly können sich „User“ ihre bestellten Cannabisprodukte direkt nach Hause liefern lassen. Nach wie vor ist es aber verboten, einen Joint in der Öffentlichkeit zu rauchen.

Da der Erwerb von Rauschmitteln nachweislich von den Preisen beeinflusst wird, sollten die Preise in den Cannabis-Fachgeschäften anfänglich etwa auf dem Niveau des illegalen Marktes liegen, um erst später angehoben zu werden. Dies ist nicht gelungen, da die kontrollierte Produktion von Marihuana aufgrund der Anforderungen an Anbau und Standort kostspielig ist und die Provinzialregierungen nicht auf eine hohe Besteuerung von bis zu 29 Prozent verzichten. Im Oktober 2022 lag der Anteil des legalen Handels mit „Kraut“ (weed) bei 57 Prozent, während der Anteil der billigeren illegalen Ware einschließlich des sogenannten grauen Marktes 43 Prozent betrug. Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Qualitätskontrollen nicht im notwendigen Umfang durchgeführt werden können. Zunehmend werden Verstöße gegen die staatlicherseits garantierte Reinheit der Cannabis-Produkte festgestellt.

Kinder mit Cannabisvergiftungen

Beunruhigend ist die Zunahme von Notaufnahmen und stationären Behandlungen aufgrund einer akuten Cannabisvergiftung, die sich in Form von Panik und Angstzuständen, Herzrasen und hohem Blutdruck äußert. Eine alarmierende Entwicklung zeigte sich in der Provinz Ontario, wo eine Verneunfachung der Notaufnahmen von Kindern unter zehn Jahren mit Cannabisvergiftung registriert wurde. Zu dem Anstieg sollen vor allem die seit Oktober 2019 zugelassenen Verzehrprodukte wie Kekse, Gummibärchen und Getränke geführt haben, die Cannabis enthalten dürfen.

Waren es anfangs 60 Firmen, die bereits medizinischen Cannabis angebaut hatten, so stieg die Zahl der lizenzierten Produzenten binnen vier Jahren auf über 250. Eine regelrechte Goldgräberstimmung führte zu Überkapazitäten, die Aktienkurse der drei größten börsennotierten Firmen stürzten ab.

Nach offiziellen Angaben wurden im vergangenen Jahr 468 Tonnen getrocknetes, unverkauftes Cannabis vernichtet. Wegen der anstehenden Legalisierung von Cannabis in Deutschland erhoffen sich kanadische Hersteller neue Exportchancen. Deutschland ist jedoch an das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur internationalen Drogenpolitik und Drogenkontrolle von 1971 gebunden, das die Ein- und Ausfuhr von Drogen verbietet. Pläne, legales Cannabis in Deutschland zu produzieren, dürften aus Sorge vor erneuten hohen Verlusten wegen der hohen Energiekosten in absehbarer Zeit wohl nicht realisiert werden.


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