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Von wegen „Arbeit ist das halbe Leben“ – der alte Spruch hat ausgedient, denn Teilzeitarbeit ist aktuell auf absolutem Rekordniveau
Viele haben sie für verrückt erklärt, erinnert sich Antje Neubauer an die Reaktionen, als sie im Jahr 2019 als Topmanagerin bei der Deutschen Bahn kündigte und sich stattdessen für ein Downshifting, also ein berufliches Herunterfahren, entschied. Als sie 2019 ihren Topjob bei der Bahn aufgab, war sie 48 Jahre alt.
Zuletzt hatte sie im Unternehmen den Bereich Marketing und PR geleitet. Gekündigt hat sie nach einem beruflich besonders erfolgreichen Jahr, in dem sie mehrere Auszeichnungen erhalten hatte. Ihr Entschluss zum beruflichen Ausstieg hatte laut ihren Angaben persönliche Gründe: „Ich bin während meiner gesamten Karriere gegen Bedürfnisse wie Schlaf und Sport angegangen, weil mir mein Beruf so viel Spaß machte und mir einfach wichtiger war“, so Neubauer im Interview mit der „Zeit“. Auch sei der „logistische Aufwand“, den sie und ihr Lebensgefährte aufbringen mussten, um sich zu sehen, immer größer geworden: „Es gab Situationen, in denen wir zum anderen geflogen sind, statt mit dem Zug zu fahren, weil wir nur vier Stunden Zeit zusammen hatten.“
Im Topmanagement ist der bewusste Verzicht auf eine Führungsposition und auf eine weitere Karriere noch immer selten. Generell läuft aber in Teilen der Gesellschaft eine Entwicklung hin zum beruflichen Kürzertreten. Ablesbar ist der Trend an der steigenden Teilzeitquote. Noch in den Neunzigerjahren waren Arbeitsverträge, in denen keine Vollzeit vereinbart worden war, eher eine Randerscheinung auf dem Arbeitsmarkt.
Mittlerweile arbeiten immer mehr Arbeitnehmer nur noch in Teilzeit. Im zweiten Quartal 2025 hat die Teilzeitquote in Deutschland ein neues Rekordhoch erreicht: Sie überschritt erstmalig die 40-Prozent-Marke. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren hatte die Teilzeitquote bei etwa 35 Prozent gelegen.
Frauen führen in der Statistik
Für immerhin 17 Millionen Menschen in Deutschland ist es damit inzwischen Normalität, dass die Arbeitswoche keine
40 Stunden mehr hat, sondern im Schnitt nur noch 18,5 Stunden. Ähnlich hohe Teilzeitquoten haben in der EU nur Österreich und die Niederlande. Großen Anteil an den hohen Teilzeitquoten haben in allen drei Ländern Frauen. Deren Teilzeitanteil lag 2024 bei etwa 49 Prozent. Das bedeutet, dass fast jede zweite berufstätige Frau in Deutschland in Teilzeit arbeitet. Im Kontrast dazu stehen die Bemühungen des Staates, der in den vergangenen Jahren Milliarden in den Ausbau von Kindertagesstätten und anderen Betreuungsmöglichkeiten investiert, nicht zuletzt mit dem Ziel, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu steigern. Zum Vergleich: Die Teilzeitquote bei Männern lag 2024 bei nur rund zwölf Prozent.
Mittlerweile denkt laut Umfragen und Studien etwa ein Drittel der Arbeitnehmer in Deutschland darüber nach, beruflich kürzerzutreten. Dies muss nicht unbedingt eine Verkürzung der Arbeitszeit bedeuten. Zum Teil geht es auch um die bewusste Entscheidung gegen Karrieren.
Der 64-jährige Frank S., der über drei Jahrzehnte beim deutschen Softwareriesen SAP als Entwickler tätig war, hat im Laufe seiner Karriere mehrmals das Angebot erhalten, als Projektleiter oder Teamchef in eine Führungsposition zu wechseln. Er hat sich allerdings bewusst immer wieder gegen solche Angebote entschieden. Dabei spielte eine Einstellung mit, die in den Ohren der jungen „Generation Z“ sehr altmodisch klingt: „Beruf kommt von Berufung.“ Der Software-Entwickler berichtet auch von anderen Kollegen, die sich bewusst gegen eine Managementkarriere entschieden haben, weil ihre Leidenschaft und ihr Ehrgeiz darin lagen, gute Software zu programmieren und für Kunden bestmögliche technische Lösungen zu finden: „Finanziell interessant wäre nicht das mittlere, sondern nur das Topmanagement gewesen: Dort können Karrieren aber auch ganz schnell ein Ende haben“, so der Informatiker.
Kalte Progression als Hindernis
Beim bewussten Verzicht auf Beförderungen und ein höheres Gehalt kann auch das deutsche Steuerrecht eine wichtige Rolle spielen. Die steuerlichen Rahmenbedingungen sowie Freibeträge, etwa Kinderfreibeträge, schaffen zum einen finanzielle Spielräume, die ein berufliches Kürzertreten oft erst möglich machen. Am anderen Ende sorgen Sozialabgaben und die kalte Progression dafür, dass Einkommenssteigerungen durch höhere Steuerbelastungen und Inflation gleich wieder aufgefressen werden. Der Zugewinn an realer Kaufkraft steht dann im Missverhältnis zur Mehrbelastung im Beruf und Einbußen an Lebensqualität.
Angekündigt hat die schwarz-rote Koalition einen Ausgleich der kalten Progression durch Verschiebung der Einkommensteuertarife. Dadurch sollen höhere Steuersätze erst bei höheren Einkommen greifen, was die Steuerlast insbesondere für kleine und mittlere Einkommen senken würde. Für den Staat bedeuten die Maßnahmen allerdings Mindereinnahmen in Milliardenhöhe, obendrein sagen auch die jüngsten Steuerschätzungen geringere Einnahmen für den Bund voraus. Damit kann die angekündigte Steuerentlastung für die Mittelschicht zu einem weiteren Streitthema zwischen Union und SPD werden.
sitra achra am 18.09.25, 19:48 Uhr
Jeder sollte nach seiner Fasson selig werden. Es ist jedoch ein Fakt, dass Männer wesensbedingt mehr auf Karriere und Leistung fixiert sind als Frauen. Das haben etliche wissenschaftsbasierte Umfragen ergeben.
Gregor Scharf am 17.09.25, 13:24 Uhr
Es galt dereinst der Grundsatz: „Jeder nach seinen Fähigkeiten und seinen Fertigkeiten“. Damit war völlig klar, dass der Talentiertere automatisch höher qualifizierte Tätigkeiten ausführte und den Talentefreien führte, um zu überleben. Beide ergänzten sich in ihrer Zusammenarbeit. Mit dem Siegeszug des Egoismus war es damit vorbei. Heute und jetzt triumphiert der Blöde über den Schlauen, der Unfähige über den Fähigen. Wer ist nun der Dumme? Das Nachsehen haben alle, weil die Gesellschaft so nicht mehr voran kommt und die Bezeichnung ohnehin nicht mehr zutrifft.
Peter Freiemensch am 17.09.25, 05:39 Uhr
Karriere bedeutet meist nur, sich wie ein Esel vor den Karren anderer Leute spannen zu lassen ohne das "Wofür eigentlich?" zu hinterfragen ...