27.04.2024

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Postkolonialismus

In die Fußstapfen der Ex-Kolonialmacht

Russland drängt mit Hilfe der Gruppe Wagner Frankreich aus der Sahelzone

Bodo Bost
05.07.2021

Schon vor zwei Jahren haben Mitarbeiter des privaten russischen Sicherheits- und Militärunternehmens Gruppe Wagner, die dem Kreml und dem russischen Militärgeheimdienst nahe stehen, in Libyen Marschall Chalifa Haftar, den einst starken Mann im Osten, der die Luftwaffenstützpunkte von Sirte südöstlich von Tripolis und von al-Jufra im Zentrum des Landes kontrolliert, nach einer Offensive Truppen der Türkei und deren syrische Söldner vor dem Sturz gerettet.

Vor zwei Jahren in Libyen

Diesen April erhielten im benachbarten Tschad aus Libyen kommende Rebellen der Front für Veränderung und Eintracht im Tschad (FACT) Hilfe von der Gruppe Wagner bei ihren Zusammenstößen mit der Regierungsarmee des Tschad, denen auch Idriss Deby zum Opfer. Der ab 1990 amtierende langjährige Präsident des Tschad erlag am 20. April dieses Jahres Verletzungen, die er durch Kampfhandlungen bei einem Truppenbesuch an der Frontlinie im Norden des Tschad erlitten hatte.

Diesen April im Tschad

Seit einigen Jahren breiten russische Söldner ihren Einfluss über den gesamten afrikanischen Kontinent aus. In der Sahelzone „versucht Russland, sich aufzudrängen, in die Freiräume einzudringen und uns immer wieder zu diskreditieren“, klagte kürzlich die französische Verteidigungsministerin Florence Parly. Im Jahr 2019 unterzeichnete Mali, obwohl dort eine von der ehemaligen Kolonialmacht dominierte UN-Mission für Recht und Ordnung sorgen sollte, ein Verteidigungsabkommen mit Russland, das der Gruppe Wagner als Türöffner diente. Im August 2020, nach dem ersten Putsch, war der russische Botschafter der erste ausländische Diplomat, der von der neuen Militärjunta empfangen wurde. Jetzt vermuten viele Franzosen hinter dem zweiten Putsch in neun Monaten auch die Russen. Mehrere der Putschisten wurden in Russland ausgebildet. Der Chef der Junta, Oberst Assimi Goïta, gilt als Moskau nahe stehend. Da die antifranzösische Stimmung nach acht Jahren Militärpräsenz in Mali, welche Ruhe und Ordnung nicht wiederhergestellt hat, wächst, sind russische Flaggen im Land immer häufiger zu sehen.

Paradebeispiel Zentralafrika

Die Rolle des Kremls in Afrika wird vor allem in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) deutlich, in der Russland Frankreich als dominierende ausländische Macht buchstäblich gestürzt hat. Innerhalb weniger Jahre ist das Land zu Russlands Brückenkopf in Afrika geworden. In wenigen Jahren hat Russland die ehemalige französische Kolonialmacht vertrieben, indem es die Armee und die Präsidentengarde ausbildete, die Sicherheit für die Institutionen wiederherstellte und dafür sich die Einnahmen aus den Gold- und Silberminen sicherte.

Zusammenarbeit mit China

Seitdem haben sich Söldner der Gruppe Wagner in den meisten afrikanischen Ländern niedergelassen. Sudan, Angola, Guinea, Mosambik, Südafrika oder der Kongo wären hier zu nennen. Moskau hat mit etwa zwanzig Ländern des Kontinents Kooperationsabkommen unterzeichnet. Manchmal durch Tochterunternehmen der Gruppe Wagner getarnt trainieren russische Paramilitärs lokale Armeen, schützen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, kämpfen oder schützen Gold-, Silber- und Uranminen. Im Gegenzug gewähren die Geschützten ihren Beschützern die Rechte zur Ausbeutung von natürlichen Ressourcen ihrer Staaten. Oft arbeiten die Russen bereits mit den Chinesen zusammen, die schon lange wirtschaftliche Aktivitäten in Afrika haben, aber sich bislang noch bei Sicherheitsproblemen zurückgehalten haben.

Russland will den Einfluss zurückgewinnen, den es zur Sowjetzeit in Afrika hatte. In nur wenigen Jahren ist die Gruppe Wagner zum Spezialisten für ausländische Militärinterventionen nicht nur in Afrika geworden. Angehörige der Gruppe Wagner waren bereits 2014 unter Moskaus grünen Männlein auf der Krim. Die Gruppe Wagner bietet afrikanischen Regimen je nach Bedarf einen Katalog vielfältiger und modularer Optionen. Dazu gehören technische Unterstützung, Waffen, Spezialkräfte, militärische Ausbildung und politische Unterstützung.

Kenner der Region bezweifeln jedoch, dass es Russland gelingen wird, die Sahelzone wie die Zentralafrikanische Republik unter seinen Einfluss zu bringen. Dieses riesige Gebiet könnte die Ressourcen Russlands übersteigen, da das Land schon stark anderweitig engagiert ist. Viele Staaten der Sahelzone verfügen auch nicht über die Möglichkeiten, mit Geld oder Rohstoffen den russischen Einsatz zu bezahlen. Dies könnte auch für das rohstoffarme Mali zutreffen.


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Kommentare

Tom Schroeder am 09.07.21, 15:42 Uhr

Sehr geehrter Herr Holz,

da habe ich ja irgendwie getroffen mit meinem Orakel - nun es ist nicht mehr als eben ein Orakelspruch, ganz locker bleiben und mir nicht mangelndes Wissen vorwerfen oder wissen Sie mehr? Dann her damit - ich bin seit Kindertagen wissbegierig. Im übrigen schreibe ich nicht gegen Russland oder Putin an, warum auch, ich lasse mich dort sowieso nicht blicken und vielleicht ist es ja das Beste für das Land, also Putin. Es ist halt wie es ist aus unserer bequemen deutschen Perspektive heraus gesehen. Die Begeisterung für Russland hält sich aber meinerseits schon in sehr engen Grenzen, das haben Sie gut erkannt, denn ich mag schon einigermaßen unbeschadet meine Meinung sagen dürfen und nicht in einer engen zu kleinen Wohnung in einem Plattenaltbau mit uralter maroder Infrastruktur, sicher nicht überall und für jeden, in einem großenteils viel zu kalten Land wohnen - ist Geschmackssache, sicher - dann lieber Kalifornien oder Florida oder Rheinland-Pfalz! Den Borschtsch und die Soljanka sind ja auch kaum genießbar - ja ich bin ein wohlstandsverwahrloster Hedonist, das gebe ich gerne zu. Den Leuten, die hier in Deutschland Putin verherrlichen - machen Sie nicht, ich weiß - sollten doch genau dahin auswandern - für viele die alte Heimat. Und bitte trage mir niemand den 2. Weltkrieg hinterher - ich war es nicht! Nur: 140 Mio Menschen in Russland - 500 Mio in der EU - 1,3 Mrd in China - könnte das nicht so werden, wie es bereits Peter Scholl-Latour vor vielen Jahren schrieb? "Russland im Zangengriff" heißt das Buch und ein Filmbeitrag von PSL dazu - sehr zu empfehlen und seiner Zeit Jahre voraus. Ich habe das lediglich wiedergegeben, weil ich es für hoch wahrscheinlich halte. Der von mir sehr geschätzte Autor war nie ein ausgesprochener Amerikafreund (Titel: "Weltmacht im Treibsand" o. "Koloss auf tönernen Fuessen" - "ue/ss" - sorry Thai-Tastatur).

Gruß aus Rheinland-Pfalz. Ein guter Diskurs ist mir immer Willkommen - Danke dafür!

Marilys Eschenbach am 09.07.21, 12:28 Uhr

Zu Afrika fällt mir jetzt immer ein: Wo sind die Milliarden an Entwicklungshilfe in den letzten 60 Jahren geblieben? Haben sich diese zum größten Teil die afrikanischen Eliten unter den Nagel gerissen oder wurden damit Waffen gekauft? Und Flüchtlinge produziert?
Afrika ist immer noch ein Shitwhole trotz der Milliarden und natürlich keine Geburtenkontrolle. Sie können uns ja ihre "Armen" schicken. Die meisten werden nie Deutsch lernen. Zu schwere Sprache. Dann finden sie keinen Job und sind frustiert und rasten halt mal aus wie der in W.

Michael Holz am 09.07.21, 00:42 Uhr

"Putins Großmachtträume sind in absehbarer Zukunft ausgeträumt."
Mein lieber Herr Schröder mit oe, Sie schreiben mit Verlaub gesagt die amerikanische Sicht der Dinge und ob diese richtig ist, wage ich zu bezweifeln.
Diese Politik, die sie bei den Russen verdammen, haben diese doch von einer anderen Nation gelernt, oder nicht? Wenn ich die Wahl zwischen Pest und Cholera habe, würde ich mich für ein starkes Medikament entscheiden und dieses heißt in unseren Corona-Zeiten WISSEN!

Tom Schroeder am 05.07.21, 21:45 Uhr

Russland ist nur so stark, wie die anderen schwach sind. Die EU entscheidet sich ja ständig eben keine militärische Macht ausüben zu können, man ist immer überfordert, wie in Libyen, wo man noch nicht mal genug Munition hatte. Ich orakle mal einfach: Russland hat nur eine Freundschaft auf Zeit mit China, denn mit 140 Mio Menschen ist Russland militär-demographisch ein Zwerg dagegen - auch gegen die EU als Ganzes - und mit dem riesigen Land hoffnungslos überdehnt. Irgendwann in den nächsten Jahrzehnten, wenn Russland als starker Staat von China nicht mehr gebraucht wird, werden Millionen Chinesen einfach den Amur überschreiten und über Jahre hinweg in den Ostteil Russlands einsickern. Da wird man dann nichts wirksam gegen tun - eben zu wenig Leute! China selbst könnte sich auch übernehmen. Z.Bsp. wenn es versucht in Afghanistan reinzugehen, um die wirtschaftlichen Interessen (Seltene Erden usw.) der USA u. EU zu übernehmen - die werden sich auch erst mal an den dann von den USA neu bewaffneten Taliban die Zähne ausbeißen - Hindukusch heißt zu Fuß gehen oder Fliegen - mit den richtigen Geräten in der Hand der Taliban wird das nämlich nix mit Fliegen (Stinger brachte die Wende im Krieg mit Russland) und zu Fuß ist so ein Pass im Hochgebirge von wenigen Schützen bewacht kaum überwindbar. Alte Konflikte kommen wieder hoch und Zentralasien wird mit seiner islamischen Kultur dem Schicksal der uigurischen Brüder entgehen wollen und sich zusammen schließen gegen China. Pakistan, ohnehin kaum Herr über sein komplettes Staatsgebiet, muss sich dann auch entscheiden - mit China und auf lange Sicht untergehen oder mit den Glaubensbrüdern für die eigene Kultur. Indien wird dann auch nicht nur zuschauen. Viele Staaten in Afrika werden sich nach und nach gewaltsam auflösen in eher ethnisch definierte Gebiete - die Staatsgrenzen wurden ja zu ähnlichem Zweck von den Kolonialmächten nach dem Prinzip "teile und herrsche" gezogen. Putins Großmachtträume sind in absehbarer Zukunft ausgeträumt. Im Endstadium wird das dann vielleicht noch gefährlich für Europa, denn man kennt strauchelnde Diktaturen aus der Geschichte nur zu gut und deshalb kann man der EU nur raten gerüstet zu sein. Es wird bestimmt kein Gorbatschow oder Jelzin Putin nachfolgen. Ich hoffe inständig, dass meine düsteren Prognosen so nicht eintreten, aber man kennt ja die Menschen.

sitra achra am 05.07.21, 10:13 Uhr

Über die Europäer ist alles gesagt worden. Sollen sie sich weiterhin in ihrem kolonialen Schuldkomplex suhlen.
Russen haben keine Skrupel. Sollten sie?
Der Erfolg gibt ihnen recht.

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