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Finanzpolitik

JU und CDU streiten über Steuererhöhung

Hoher Spitzensteuersatz – Deutschland unattraktiv für ausländische Fachkräfte

Peter Entinger
19.09.2023

Die Sommerpause ist vorbei, und es ist mal wieder Wahlkampfzeit. So ist es wenig überraschend, dass sich CDU-Chef Friedrich Merz mit einem Vorschlag in Sachen Steuergerechtigkeit zu Wort meldete. Überraschend ist allerdings, dass es sogar aus den eigenen Reihen Widerstand gibt, und zwar auch von der FDP, mit der die Union in Finanzfragen eigentlich immer auf Linie liegt.

„Ob der Spitzensteuersatz bei 42 oder 45 Prozent liegt, ist nicht entscheidend. Wichtig ist eine Entlastung der Mittelschicht“, hatte Merz in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt. Die Schlagzeile wurde freilich ein wenig verkürzt wiedergegeben. Und Merz sah sich plötzlich mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei auf einer Linie mit dem SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. „Schon Leute, die nur ein bisschen mehr verdienen als der Durchschnitt, erfahren eine enorme Belastung durch Abgaben und Steuern. Wir müssen die Belastungskurve abflachen, denn Leistung muss sich lohnen“, hatte Merz einleitend erklärt und danach den mittlerweile viel zitierten Satz nachgeschoben.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann war seinem Chef zur Seite gesprungen und erklärte, es sei schlicht nicht fair, dass die Mittelschicht den Spitzensteuersatz zahle. „Befeuert durch die hohen Inflationsraten gerät in Deutschland die Steuergerechtigkeit in Schieflage. Zentrales Element dieser Steuerreform muss eine breite Entlastung für die Mitte dieses Landes sein.“

Finanzminister Christian Lindner äußerte sich prompt und einigermaßen irritiert. „Die Rechnung von Herrn Merz geht nicht auf“, sagte der FDP-Politiker und packte gleich den Rechenschieber aus. Der Spitzensteuersatz müsste von derzeit 42 Prozent auf 57 Prozent erhöht werden, wenn er erst ab einem Einkommen von 80.000 Euro gelten würde. Derzeit wird er ab einem Einkommen von 63.000 Euro erhoben. Lindner sprach von einer „Strangulierung der wirtschaftlichen Entwicklung“. Mehr abgeben müssen von dem, was man erarbeitet, an den Staat, als man behalten darf, habe nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun, sagte Lindner weiter.

Der sogenannte Spitzensatz, der von Merz und Linnemann genannt wurde, ist vom Reichensteuersatz zu unterscheiden. Der wird ab einer Höhe von 280.000 Euro Jahresgalt erhoben und liegt derzeit bei 45 Prozent. SPD-Generalsekretär Kühnert wäre für eine Steuerreform, bei dem die Reichen stärker belastet werden, auf jeden Fall zu haben. „Die SPD kämpft dafür, die Einkommensteuer aufkommensneutral zu reformieren. Wir wollen 95 Prozent der Beschäftigten im Land entlasten und im Gegenzug den Spitzensteuersatz für die obersten fünf Prozent moderat erhöhen. Der Spitzensteuersatz würde somit erst bei deutlich höheren Einkommen greifen, als dies bislang der Fall ist.“

Die Steuerpolitik ist innerhalb der CDU seit einiger Zeit ein Thema, das durchaus kontrovers diskutiert wird. Finanzexperte Linnemann brachte wiederholt eine große Steuerreform ins Spiel. Dabei gilt aber auch zu beachten, dass die Handlungsspielräume des Staates begrenzt sind und das Steuersystem komplex ist.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, sieht eine mögliche Anhebung des Spitzensteuersatzes gar als mögliches Hemmnis bei der Anwerbung ausländischer Fachkräfte. „Um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des demografischen Wandels einigermaßen abfedern zu können, müssen wir dringend attraktiver für ausländische Fach- und Spitzenkräfte werden“, sagte Winkel dem „Spiegel“. „Mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes kann dies im internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe nicht gelingen.“

Man müsse zudem auch über das Thema Abwanderung von Fachkräften sprechen. Generell gilt die Steuerlast für Gutverdienende im europäischen Vergleich als relativ hoch. Winkel sieht daher keinen Anlass für Steuererhöhungen. Im Zehn-Jahres-Vergleich seien die Steuereinnahmen um zirka 33 Prozent gestiegen, sagte Winkel und ergänzte: „Deutschland hat damit kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.“

Für die Union ist die Debatte nicht einfach. Die SPD hatte versucht, einen ähnlichen Vorschlag innerhalb der Ampelkoalition durchzusetzen, war aber am Veto der FDP gescheitert. Entsprechend zufrieden äußerte sich Parteichefin Saskia Esken über die Äußerung von Merz. Dies wiederum kam im Konrad-Adenauer-Haus gar nicht gut an. Die SPD versuche gerade, „uns zu einer Steuererhöhungspartei umzuframen“, hieß es aus der CDU-Zentrale. Um das zu erreichen, würde die SPD unzulässigerweise einen Punkt aus dem Vorschlag von Parteichef Merz herausgreifen und alle anderen Punkte unterschlagen.


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Kommentare

Max Müller am 19.09.23, 16:25 Uhr

Kleiner Blick in die Geschichte: der Spitzensteuersatz war mal beim 20-fachen des Durchschnittseinkommens zu zahlen, heute beim doppelten.

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