25.11.2025

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In vielen Betrieben fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern es geht auch viel Kompetenz und Erfahrung mit dem Vorruhestand älterer Mitarbeiter verloren. Dabei könnten sie jungen Arbeitskräften viel bei- und ein Unternehmen spürbar weiter voranbringen
Bild: picture alliance/Westend61/Ivana KojicIn vielen Betrieben fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern es geht auch viel Kompetenz und Erfahrung mit dem Vorruhestand älterer Mitarbeiter verloren. Dabei könnten sie jungen Arbeitskräften viel bei- und ein Unternehmen spürbar weiter voranbringen

Aktivrente

Kaum Jobs für Ältere, weil junge Arbeitskräfte billiger sind

Kein Selbstläufer: Die Bundesregierung setzt auf anteilige Steuerfreiheit, um Löcher im Rentensystem und beim Bedarf an Fachkräften zu stopfen

Hagen Ritter
25.11.2025

Noch bis in die 2010er Jahre hat die Politik mit Vorruhestandsregelungen und Altersteilzeit Anreize gesetzt, damit ältere Arbeitnehmer früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden können. Mittlerweile wird das exakte Gegenteil angestrebt. Mit der Aktivrente will die Bundesregierung ältere Menschen länger im Berufsleben halten. Derzeit sind in Deutschland 21 Prozent der 65- bis 69-Jährigen noch erwerbstätig. Dänemark oder Schweden kommen bereits auf Quoten von rund 30 Prozent.

Stimmen Bundestag und Bundesrat zu, werden ab Anfang 2026 Arbeitnehmer nach Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze zusätzlich zum Grundfreibetrag noch einmal 2000 Euro im Monat steuerfrei verdienen können, wenn sie freiwillig weiter im Arbeitsleben bleiben.

Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist davon auszugehen, dass das Arbeitsvolumen der derzeit 569.000 erwerbstätigen Personen im Alter zwischen 66 und 70 durch eine höhere Erwerbsbeteiligung und eine längere Beschäftigungsdauer um zehn Prozent steigt. Nach den Berechnungen der Studienautoren könnten damit rechnerisch 25.000 bis 33.000 zusätzliche Vollzeitstellen besetzt werden.

„Die finanziellen Anreize der Aktivrente können das Weiterarbeiten auch dort attraktiver machen, wo Arbeitsbedingungen weniger günstig sind, etwa bei hoher Belastung, niedrigem Stundenlohn oder fehlender Möglichkeit zum Homeoffice. Die Aktivrente könnte somit einen Beitrag zur Linderung des Fachkräftemangels auch in weniger attraktiven Engpassberufen leisten“, so der Arbeitsmarktexperte bei der Bertelsmann-Stiftung André Schleiter.

Politik und Wirtschaft müssen umdenken
Für den deutschen Staat rechnet sich die Aktivrente allerdings erst, wenn die Schwelle von mindestens 40.000 zusätzlichen Vollzeitstellen erreicht wird. Erst dann sind die für den Fiskus entstehenden Einkommensteuerverluste kompensiert, so die Studie „Aktiviert die Aktivrente Ältere?“. Die Bundesregierung selbst rechnet mit steuerlichen Mindereinnahmen von 900 Millionen Euro für 2026. Demgegenüber kalkulierte die Regierung, dass die weiterhin gezahlten Rentenbeiträge der „Aktivrentner“ das Rentensystem finanziell stärken.

Die Politik muss allerdings noch mehr tun, damit die Aktivrente zum Erfolg wird. Die Regeln für die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer müssen vereinfacht werden. Denn Firmen sehen bei den derzeitigen Regelungen offenbar das Risiko, dass bei der Wieder- und Weiterbeschäftigung von älteren Mitarbeitern unbefristete Arbeitsverhältnisse entstehen, die später nur schwer aufzuheben sind.

Aber auch die Wirtschaft muss umdenken. Noch gibt es nämlich viel zu wenig Stellenangebote, die sich an Menschen im Rentenalter richten. In den ersten neun Monaten wurden nur 1958 Stellen gezielt für Rentner ausgeschrieben.

Ab 50 ist man fast chancenlos
Wie die „Wirtschaftswoche“ berichtete, ist jeder vierte Personalchef aufgrund betrieblicher Vorgaben sogar gezwungen, ältere Bewerber zu benachteiligen: „Wer mit Mitte 50 einen neuen Job sucht, hat es schwer“, so das Resümee des Magazins. Weit verbreitet sind in Unternehmen Bedenken bezüglich der Anpassungsfähigkeit, der digitalen Kompetenzen und der Gehaltsvorstellungen älterer Bewerber.

Tatsächlich müssen Unternehmen bei langjährigen, erfahrenen Mitarbeitern mit anderen Gehaltskosten rechnen, als wenn sie Berufsanfänger einstellen. Junge Mitarbeiter sind halt billiger. Vor diesem Hintergrund wird es neben Firmen, die angesichts des Fachkräftemangels verstärkt auf ältere Mitarbeiter setzen, auch weiterhin Unternehmen geben, die Programme für den Vorruhestand anbieten werden.

Erst im vergangenen Jahr hieß es etwa beim Softwarekonzern SAP: „Wie bereits bei früheren Gelegenheiten bieten wir ein attraktives Angebot für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den vorzeitigen Ruhestand gehen oder die SAP aufgrund dieser Umstrukturierung verlassen möchten.“

Platz machen für den Einsatz von KI
Das Programm ermöglichte es etwa 2800 Mitarbeitern, die im Alter ab 55 Jahren waren und eine längere Betriebszugehörigkeit hatten, zu attraktiven Bedingungen in den Vorruhestand zu gehen. Getrennt hat sich das Unternehmen damit von Tausenden gleichermaßen hochqualifizierten wie gutbezahlten Informatikern, Physikern und Mathematikern mit jahrzehntelanger Berufserfahrung. SAP selbst bezeichnete das Vorruhestands- und Abfindungsprogramm als Teil einer Restrukturierung des Unternehmens, um auf neue Marktbedingungen, wie den Wandel hin zu Künstlicher Intelligenz, zu reagieren.


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