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Seit 40 Jahren belebt das Schleswig-Holstein Musikfestival den Norden des Landes – Intendant Christian Kuhnt erklärt den Erfolg
Es war schon eine kleine Sensation, als 1985 mit dem vom Pianisten und Dirigenten Justus Frantz gegründeten ersten Schleswig-Holstein Musikfestival (SHMF) das landwirtschaftlich geprägte Flächenland zur internationalen Konzertbühne wurde. Plötzlich traten weltbekannte Künstler wie der US-amerikanische Komponist, Dirigent und Pianist Leonard Bernstein oder der US-amerikanische Violinist Yehudi Menuhin in Scheunen und Gutshäusern im eher provinziell geprägten Norden auf.
Inzwischen hat sich das Festival längst zu einer festen Größe im alljährlichen Kulturkalender etabliert. Mit über 200 Veranstaltungen während des Sommers verwandelt es so manchen entlegenen Winkel des Bundeslandes zu einem musikalischen Hotspot. Kirchen, Werften, Herrenhäusern und Parks laden auch in diesem Jahr dazu ein, Musik an ungewöhnlichen Orten zu erleben.
„Das Festival war von Anfang an eine musikalische Bürgerinitiative“, betont Christian Kuhnt, der dem Festival seit 2013 als Intendant vorsteht. Mit über 8600 Vereinsmitgliedern und Hunderten ehrenamtlichen Beiräten, die Künstler mit Kuchen, Blumen und persönlicher Betreuung empfangen, sei das SHMF tief in der Region verwurzelt – und doch international ausgerichtet. „Diese enge Verbindung von Heimatverbundenheit und Weltgewandtheit ist ein Markenzeichen des Festivals“, so Kuhnt „und macht jedes Konzert zu einem einzigartigen Erlebnis.“
Musikmetropole Istanbul im Fokus
Auf der Gästeliste stehen in diesem Jahr viele Weggefährten, die bereits bei den Anfängen des Festivals dabei waren. „Es war uns ganz wichtig, mit unseren eng verbundenen Freunden gemeinsam zu feiern. Dass zum Beispiel Weltstar Anne-Sophie Mutter mit dem Royal Philharmonic Orchestra aus London wieder zu uns kommt, ist eine ganz besondere Ehre. Midori ist wieder dabei, die 1986 eine ganz junge Geigerin war“, so Kuhnt.
Eine weitere Besonderheit sei das Wiedersehen mit Stefan Vladar, der 1986 als junger Pianist in Gut Hasselburg spielte – das Jubiläumskonzert dort gibt es nun „zum D-Mark-Preis“, einfach in Euro umgerechnet. „Und dass Herbert Grönemeyer kommt, mit ‚seinem' Orchester, den Bochumer Symphonikern, und als Dirigent zu erleben sein wird, ist für uns schon ein ganz besonderes Schmankerl.“
Zur Eröffnung des diesjährigen Festivals interpretierte der australisch-taiwanische Violinist Ray Chen gemeinsam mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester Felix Mendelssohns Violinkonzert. Die musikalische Leitung übernahm der aus Breslau stammende Christoph Eschenbach, der im Februar seinen 85. Geburtstag feiern konnte.
Der Maestro ist vom Festival inzwischen nicht mehr wegzudenken. Bereits seit Anbeginn trat er als Pianist und Dirigent beim SHMF, auf und von 1999 bis 2002 war er dessen Künstlerischer Leiter. Seit 2004 kann er sich zudem als Principal Conductor des Festivalorchesters bezeichnen, also jenem von Bernstein 1987 gegründetem Klangkörper, der sich ausschließlich aus internationalen Musikstudenten zusammensetzt. Mit ihnen machte sich Eschenbach selbst ein eigenes Geburtstagsgeschenk, ließ er die Eröffnung doch mit Bruckners Sinfonie Nr. 7 ausklingen, die er als „einen der größten Schätze“ bezeichnete.
Alljährlich gab es beim SHMF einen Länderschwerpunkt. Das hat sich unter Kuhnt geändert: Er setzt auf eine Musikmetropole. Dieses Jahr ist es Istanbul. Mit dem Pianisten, Komponisten und Bürgerrechtsaktivist Fazıl Say steht dabei ein türkischer Porträtkünstler im Mittelpunkt. In 17 Konzerten erklingt seine Musik – darunter fünf Sinfonien und zahlreiche Kammerwerke. Say verbindet wie kein anderer Klassik mit Jazz, westliche Musiktradition mit orientalischen Klängen. Seine Herkunft inspirierte das Festival zur Entdeckung Istanbuls als musikalischen Schwerpunkt. „Diese Stadt ist ein kultureller Schmelztiegel“, sagt Kuhnt. Das Programm greift ihre Vielfalt auf – von osmanischer Hofmusik bis zu moderner türkischer Klassik.
Neben Say kehren auch viele ehemalige Porträtkünstler zurück, etwa die argentinische Cellistin Sol Gabetta oder der israelische Mandolinist Avi Avital, der eine Uraufführung von Say präsentieren wird. Der mit 10.000 Euro dotierte „Bernstein Award“ geht dieses Mal an den japanischen Pianisten Hayato Sumino, der wie seine Vorgänger nicht nur Preisträger, sondern Teil der „Festivalfamilie“ wird.
Und dann ist da noch „Wolltraut“ – das rosa Schaf auf den Plakaten, das längst zum Kultsymbol geworden ist. Es steht für die heitere Hartnäckigkeit des Nordens – und für das SHMF selbst: unerschütterlich, wetterfest, gut gelaunt.
Karten für viele Veranstaltungen sind bereits vergriffen, doch Intendant Kuhnt rät zur Spontanität: „Es gibt so viele musikalische Perlen abseits der großen Namen. Wer neugierig ist, wird belohnt.“
Mit einer klanggewaltigen und glanzvollen Aufführung von Verdis berühmtem „Messa da Requiem“ beendete das Schleswig-Holstein Musikfestival vor 40 Jahren seine allererste Ausgabe im Lübecker Dom. Grund genug für Intendant Kuhnt, nun auch zum runden Geburtstag des Festivals als Abschluss des diesjährigen Sommers Verdis monumentales Meisterwerk mit über 240 Mitwirkenden in Chor, Orchester und als Solisten in der Musik- und Kongresshalle Lübeck zur Aufführung zu bringen.
„Wie kaum eine andere Komposition vermag diese opernhafte Messe aufgrund ihrer theatralischen Dramatik und ihres schier unerschöpflichen Melodienreichtums die Zuhörerinnen und Zuhörer bis heute tief in der Seele zu berühren“, erläutert Kuhnt. Wie sagte Verdi selbst so treffend: „Es gibt keine italienische Musik, auch keine deutsche, und keine türkische – aber es gibt Musik.“ Es ist ein Motto, das auch zum 40. Geburtstag des SHMF ganz gut passt.
Das vollständige Programm und Eintrittskarten sind unter www.shmf.de erhältlich. Kartentelefon (0431) 237070