26.12.2024

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Thyssenkrupp

Klimaneutraler Stahl – floppt das grüne Projekt?

Kanzler stellt Staatshilfen in Aussicht – Ohne wäre die Branche im internationalen Vergleich chancenlos

Peter Entinger
23.12.2024

Inmitten der größten Stahlkrise der vergangenen Jahrzehnte hat Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der vergangenen Woche zu einem Gipfeltreffen ins Kanzleramt geladen. Im Blickpunkt stand vor allem die besorgniserregende Situation beim Konzern Thyssenkrupp AG.

Ende November teilte der Vorstand mit, in seiner Stahlsparte 11.000 Arbeitsplätze abbauen zu wollen. Davon sollen 5000 Stellen gestrichen und 6000 ausgelagert werden. Unterm Strich steht etwa jeder dritte Arbeitsplatz auf dem Spiel. Finanzvorstand Jens Schulte, der erst vor fünf Monaten im Konzern anheuerte, schmiss unlängst hin. Er wechselt auf einen gut dotierten Chefsessel bei der Deutschen Börse. Dabei sollen Schulte noch große Teile einer Antrittsprämie in Höhe von 1,8 Millionen Euro zustehen. „Unanständig“, nennt dies Marc Tüngler, Chef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).

In den vergangenen Monaten war die Stahlsparte mächtigen Turbulenzen ausgesetzt. Aus Protest gegen den Chef des Mutterkonzerns Miguel López traten mehrere Stahlvorstände und Mitglieder des Aufsichtsrates zurück, darunter auch der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die Sparte leidet seit Langem unter der Konjunkturschwäche und Billigimporten. Auch die hohen Energiepreise spielen eine Rolle. Allerdings ist die Lage auf dem deutschen Markt teilweise auch selbst verschuldet.

Bundesregierung und „progressive“ Wirtschaftsvertreter haben lange auf den „grünen“ Stahl gesetzt, sprich auf eine „klimaneutrale“ Produktion. „Ein Übergang von der konventionellen Stahlproduktion mit Kohle bzw. Koks zu einer umweltfreundlicheren Herstellung mittels grünem Wasserstoff ist derzeit im Gange. Immer mehr Hersteller setzen auf neue Prozesse und Anlagen, die eine Reduktion der CO₂-Emissionen ermöglichen“, erklärte Thyssenkrupp euphorisch.

Das Problem: Bis der Stahl klimaneutral ist, kann er kaum kostenneutral produziert werden. Um im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu bleiben, bedarf es daher massiver Staatshilfen. Auch darum ging es beim Gipfel im Kanzleramt, bei dem Scholz sogar einen Bundeseinstieg bei Thyssenkrupp in Aussicht stellte. „Die Stahlhersteller investieren gerade in Alternativen zum klassischen Hochofen, die viel CO₂ einsparen. Die Vorhaben fördern wir mit Milliarden-Beträgen“, sagte Scholz und fügte hinzu: „Ich schließe keine Option aus.“ Ein solches Engagement wäre zeitlich befristet und könne dem Unternehmen helfen, Durststrecken zu überwinden, damit mögliche Investition nicht am fehlenden Eigenkapital scheitern. Ein solches Engagement des Staates habe es während der Corona-Pandemie bei der Lufthansa gegeben und zuvor auch bei der Meyer-Werft in Papenburg.

„Stahl wird unsere Industrie noch Jahrhunderte begleiten, und es kommt jetzt darauf an, die Stahlherstellung in Deutschland langfristig zu sichern. Das hat eine geostrategische Bedeutung“, erklärte der Kanzler. Doch es bleibt offen, wie viel er noch umsetzen kann. „Eine lahme Ente hat keinen Wumms mehr“, spottete die „Wirtschaftswoche“ gleich nach dem Stahlgipfel.


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