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Idealtypische Bergwelt: Die „Gebirgslandschaft mit Regenbogen“ hat um 1809/10 keiner so gesehen wie Caspar David Friedrich selbst
Foto: ThiedeIdealtypische Bergwelt: Die „Gebirgslandschaft mit Regenbogen“ hat um 1809/10 keiner so gesehen wie Caspar David Friedrich selbst

Kunst

Künstlerische Freiheiten eines Meisters

Vom falschen Königsstuhl bis zum bereicherten Oybin – Zu den Orten des vor 250 Jahren geborenen Malers Caspar David Friedrich

Veit-Mario Thiede
05.09.2024

Ob Lohme auf Rügen oder Lohmen in der Sächsischen Schweiz: Caspar David Friedrich wusste, wo es schön ist. Das beweisen die Meisterwerke des romantischen Malers. Seine Motive fand er auf ausgedehnten Wanderungen. Wir begeben uns auf die Spuren des am 5. September 1774 in Greifswald geborenen Künstlers.

In Greifswald führt der Weg zum Caspar-David-Friedrich-Zentrum. Der rote Backsteinbau weist eine Tafel auf: „An dieser Stelle stand das Geburtshaus des Malers Caspar David Friedrich.“ Es brannte 1901 ab. Verschont blieb die im Keller gelegene Seifensiederwerkstatt von Friedrichs Vater. Die Dauerschau des Zentrums macht uns mit Leben und Werk des Malers vertraut und stellt seine Eltern sowie seine zahlreichen Geschwister vor.

Der benachbarte Dom St. Nikolai gehört der Backsteingotik an. Baumeister Gottlieb Giese sorgte ab 1824 ganz im Sinne seines Freundes Friedrich für eine neue Innenausstattung. Pastor Tilman Beyrich erklärt: „Diese romantische Umgestaltung ist einzigartig in Norddeutschland.“ Für die in neugotischen Formen ausgeführten Bänke, die Kanzel und den dreiteiligen Binnenchor sorgte der Kunsttischler Christian Friedrich, ein Bruder des Malers. Eine spektakuläre Attraktion besitzt der Dom seit April mit den vom renommierten dänischen Künstler Ólafur Elíasson gestalteten Chorfenstern.

Das Pommersche Landesmuseum besitzt sechs Gemälde und rund 60 Graphiken von Friedrich. In der Sonderschau „Lebenslinien“ war der Bestand fast vollständig zu sehen. Auch bei den nachfolgenden Ausstellungen „Sehnsuchtsorte“ (noch bis 6.10.) und „Heimatstadt“ (16.10. bis 5.1.2025) sind illustre Gemälde Friedrichs zu Gast. Besonders freut sich Kuratorin Birte Frenssen über den Gastauftritt der berühmten „Kreidefelsen auf Rügen“ (um 1818). Attraktiver Eigenbesitz ist das Gemälde „Ruine Eldena im Riesengebirge“ (um 1830). Friedrich versetzte die in Wirklichkeit fünf Kilometer von Greifswalds Altstadt entfernt gelegene Klosterruine nach Böhmen. Dass die hoch aufragenden Überreste aus Backstein noch heute stehen, verdanken wir dem Kronprinzen und späteren König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.

Friedrich unternahm sechs Studienreisen nach Rügen. Seine Zeichnungen zeigen, dass ihn die dortigen Hünengräber faszinierten und ebenso die weiten flachen Landstriche mit Ausblick auf die Ostsee. Die Kreidefelsen sind durch Abbrüche steter Veränderung unterworfen. Was Friedrich im späteren Nationalpark Jasmund gezeichnet und gemalt hat, existiert daher so nicht mehr.

Auf der Wanderung von Lohme nach Sassnitz über den Hochuferweg gibt der alte Buchenwald eindrucksvolle Aussichten auf die Kreidefelsen und das Meer frei. Über dem 118 Meter hohen Königsstuhl schwebt seit vergangenem Jahr der von einer 40 Meter hohen Metallnadel und Stahlseilen gehaltene ellipsenförmige „Skywalk“. Wer von da nach rechts schaut, entdeckt die Kreidefelsen der Kleinen Stubbenkammer, die wahrscheinlich Friedrichs Vorbild für sein berühmtes Gemälde war.

Künstlerischer Eingriff in die Natur
Von 1798 bis zu seinem Tod 1840 wohnte Friedrich in Dresden. Hier bewunderte er die „trefflichen Kunstschätze“ und die „schöne Natur“ des Umlandes. Dresden ehrt ihn mit der zweiteiligen Sonderausstellung „Wo alles begann“, die bis zum
5. Januar 2025 im Albertinum und bis zum 17. November im Kupferstich-Kabinett gezeigt wird. Letzteres besitzt eine Handschrift Friedrichs, in der er über sein Kunstwollen Auskunft gibt und über Malerkollegen lästert. Die Ausstellung präsentiert neue Erkenntnisse über das Manuskript. Kurator Holger Birkholz ergänzt: „Wir veranschaulichen Friedrichs Werkprozess von den Naturstudien bis zum vollendeten Gemälde und stellen seinen Werken diejenigen von Vorläufern und Dresdner Zeitgenossen gegenüber.“

Das Dresdner Residenzschloss präsentiert außerdem das kürzlich gemeinsam von Klassik Stiftung Weimar, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erworbene „Karlsruher Skizzenbuch“ des Künstlers. Ab dem 22. November ist es im Weimarer Schillermuseum in der Ausstellung „Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar“ zu sehen.

Seit 1799 unternahm Friedrich Wanderungen durch die Sächsische Schweiz. Das Elbsandsteingebirge bot ihm reichlich Studienmotive: bizarr zerklüftete Felsen, enge Schluchten oder liebliche Hochflächen mit Wiesen und majestätischen Tafelbergen. So düster wie eindrucksvoll und sozusagen „schrecklich schön“ ist sein Gemälde „Felsenschlucht im Elbsandsteingebirge“ (1822/23). Es zeigt den Blick hinauf zur in der Gemeinde Lohmen aufragenden Bastei mit dem Neurathener Felsentor. Wie der Königsstuhl besitzt auch die Bastei seit 2023 eine „Skywalk“ genannte Aussichtsplattform.

Ausgangs- und Endpunkt des „Caspar-David-Friedrich-Wegs“ ist Krippen. Hier war Friedrich 1813 vor den Befreiungskriegen in Deckung gegangen. Aber ausgerechnet in Krippen tauchte Napoleon auf. Aus dieser Zeit sind 22 Skizzen erhalten. Eine heißt „felsige Kuppe“ und war Vorbild für den Gipfel, auf den Friedrich seinen „Wanderer über dem Nebelmeer“ (1818) gestellt hat. Der originale Felsen befindet sich am Fuß des Tafelbergs „Kaiserkrone“ und ist wie die anderen zehn Stationen des Rundwegs mit Informationstafeln ausgestattet.

Vieles hat sich seit Friedrichs Wanderungen verändert, und nie hat etwas genau so ausgesehen, wie er es gemalt hat. Er schrieb: „Ihr tadelt und sprecht, der Gegenstand ist in der Natur anders und der Maler hat viel hineingesehen, was gar nicht in der Wirklichkeit ist. Ich ehre, was ihr tadelt, denn was der Maler hineingesehen, ist immer schön und bleibt dem Charakter des Gegenstandes und der Natur treu.“

Das bestätigt aufs Schönste sein künstlerischer Umgang mit den mittelalterlichen Ruinen der Burg und des Klosters auf dem Berg Oybin. Den 514 Meter hohen Sandsteinkoloss in der Oberlausitz bestieg Friedrich 1810. Die Wenzelskapelle mit ihren drei spitzbogigen Fensteröffnungen inspirierte ihn zum Gemälde „Huttens Grab“ (um 1822/23). In ihm bereicherte er die Kapelle um einen Sarkophag, neben dem ein Mann steht. Das durch die Fensteröffnungen sichtbare Farbspiel nahm sich Elíasson zum Vorbild für die neuen Chorfenster des Greifswalder Doms, in dem Caspar David Friedrich am 7. September 1774 die Taufe erhielt.

www.pommersches-landesmuseum.de; www.skd.museum. Reisetipps: www.auf-nach-mv.de; www.sachsen-tourismus.de


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