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Machtspiele

Liberale Krisenstimmung

Wie lange kann sich FDP-Parteichef Lindner noch halten?

Peter Entinger
12.12.2024

Rund drei Monate vor der vorgezogenen Bundestagswahl steckt die FDP in ihrer wohl schwersten Krise und steht möglicherweise vor dem parlamentarischen Aus. Auf die Frage „Ist die FDP durch die Veröffentlichung der D-Day-Pläne für Sie persönlich unglaubwürdiger geworden?“, antwortete in der vergangenen Woche mehr als die Hälfte der Befragten einer Umfrage mit „Ja“.

In der sogenannten Sonntagsumfrage liegen die Liberalen derzeit eher unter- als oberhalb der Fünf-Prozent-Hürde.

Erste Absetzbewegungen
Im Jahr 2013 flog die FDP nach einer Legislaturperiode voller Pleiten, Pech und Pannen erstmals aus dem Parlament. Doch mit Christian Lindner stand damals ein junger, unbelasteter Hoffnungsträger parat, um den berühmten Karren aus dem politischen Dreck zu ziehen. Elf Jahre später ist nun alles anders. Der „ewige Lindner“ ist zwar immer noch Parteivorsitzender, doch erstmals gibt es vernehmbare Absetzbewegungen innerhalb der eigenen Partei. Undiszipliniertheit gehört dabei mittlerweile fast schon zum Markenkern der Partei, die Lindner erstaunlich lange gefolgt ist.

Personeller Doppelschlag
Man nahm ihm nicht übel, als er 2017 die Teilnahme an einer Jamaika-Koalition aus Union, Grünen und Liberalen ausschlug. Man ging ebenso den Weg mit, als er vier Jahre später einer linken Regierung sogar ins Amt verhalf. Und zähneknirschend schluckten Funktionäre und auch die Basis manche Kröte der Ampelkoalition. Als Lindner dann alles auf eine Karte setzte und im hohen Bogen aus dem Regierungssessel flog, haben viele in der Partei das regelrecht als Befreiungsschlag wahrgenommen.

Für einen Moment sah es so aus, als könnte die FDP in den Oppositionsmodus wechseln und die eigenen Anhänger für einen Wahlkampf mobilisieren. Doch dann kam das Desaster um das „geleakte“ Strategiepapier. Mit Generalsekretär Bijan Djir-Sarai und Bundesgeschäftsführer Carsten Peymann verloren zwei Lindner-Vertraute gleich auf einen Schlag ihren Job. „Bauernopfer“, höhnt indes nicht nur die politische Konkurrenz.

Dass Lindner, ohne den im Thomas-Dehler-Haus gar nichts geht, von den Planspielen der Mitarbeiter nichts mitbekommen haben wollte, glauben auch in der Partei nicht viele, um nicht zu sagen eher sehr wenige. Und es ist wie immer in der Partei: Wenn der Leitwolf ins Straucheln gerät, kommen die Kritiker aus den entlegensten Winkeln der Republik.

Interne Besserwisser
Der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, selten um einen selbst überflüssigen Kommentar verlegen, warf Lindner umgehend schwere Fehler vor. „Unser politisches Angebot ist unverantwortlich verengt worden“, sagte Baum. „Die FDP ist auf dem Weg zur Selbstzerstörung. Eine Partei mit einem Prozent Sachkompetenz und vier Prozent Wähleranteil“, tönte Baum und fügte als Krönung hinzu: „Schlimmer noch: Sie hat eine Koalition und ein ganzes Land in Geiselhaft genommen. Da stimmt keine Relation mehr.“

Der angezählte Parteichef hat in den vergangenen Wochen vieles versucht, um seine Partei in den Wahlkampfmodus zu versetzen. Insbesondere Lindners Forderung, Deutschland solle „ein klein bisschen mehr Milei oder Musk wagen“, sorgte für Aufsehen.

Argentinisches Vorbild
Doch es ist wie so oft. Die vehementeste Kritik kommt aus den eigenen Reihen. „Milei will den Staat zerstören, er ist frauenfeindlich und hat mit liberaler Demokratie nichts am Hut. Es ist absolut indiskutabel, dass die FDP sich in diese Richtung entwickeln wird“, sagte die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dem „Spiegel“.

Nun könnte man den 92-jährigen Baum und der 73-jährigen Leutheusser-Schnarrenberger als politische Auslaufmodelle bezeichnen. Doch auch im engsten Umfeld Lindners wird mittlerweile eifrig an dessen Stuhl gesägt. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, erklärte öffentlich, sie fühle sich von der Parteispitze belogen. „Nicht nur die Öffentlichkeit muss den Eindruck gewinnen, über Wochen getäuscht worden zu sein – sondern auch die eigene Partei. Das gilt auch für mich – auch ich wurde getäuscht.“ Und Cord C. Schulz, bisher meist stiller und zurückhaltender Büroleiter der Europaabgeordneten sowie der stellvertretenden Parteivorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann, echauffierte sich über die neue Behauptung der FDP-Führung, dass das sogenannte „D-Day-Papier“ von Mitarbeitern ausgearbeitet wurde und man nichts davon gewusst habe: „Das ist eine Unverschämtheit.“

Wechsel an der Spitze
Diese Aussage lässt recht tief blicken. Schließlich wird Schulz' Chefin bereits sogar als mögliche Nachfolgerin Lindners gehandelt. Laut einer aktuellen Insa-Umfrage wünscht auch eine Mehrheit der Wähler diesen Wechsel an der FDP-Spitze. Strack-Zimmermann dementierte entsprechende Ambitionen bislang.

Interessant dabei: Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ hat Lindner seiner Stellvertreterin den Posten des Generalsekretärs angeboten. Diese habe aber umgehend abgelehnt und stattdessen sogleich den frisch entlassenen Justizminister Marco Buschmann vorgeschlagen. In der Partei wird gemutmaßt, Strack-Zimmermann wolle möglichst nicht mit einer Wahlniederlage in Verbindung gebracht werden.


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Kommentare

Peter Wendt am 12.12.24, 09:58 Uhr

Strack Zimmermann steht nicht für liberale Positionen sondern für Lobbyismus und Gschaftlhuberei.
Warum kann Lindner nicht einfach bekennen Fehler gemacht zu haben und klare Führungsqualitäten zu zeigen indem er sagt wie es weitergehen soll.

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