Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Werner Steinberg zeichnet in seinem „Deutschland-Zyklus“ ein Bild der frühen deutschen Zweistaatlichkeit
Werner Steinberg stammte aus Niederschlesien, überlebte er als NS-Gegner die NS-Zeit und wechselte als linker Schriftsteller nach Anpassungsproblemen in der jungen Bundesrepublik in die DDR, in der er seine Hauptwirkungsstätte in Dessau hatte. Er eröffnete mit dem erschütternden Roman „Als die Uhren stehenblieben“, der die Endphase der „Festung Breslau“ im Zweiten Weltkrieg erzählt, seinen glanzvollen „Deutschland-Zyklus“, der ein autobiographisch geprägtes Bild von der deutschen Entwicklung in der Zeit der frühen Zweistaatlichkeit zeichnet, eine große Verbreitung fand und ungeachtet mancher Einwände zum literarisch wertvollen Erbe aus der DDR-Zeit gehört. Doch nach der friedlichen Revolution geriet Steinberg als DDR-Schriftsteller ins gesellschaftliche Abseits. Er starb darüber unter gesundheitlichen sowie finanziellen Problemen und ist zum 110. Geburtstag nur noch wenigen Literaturfreunden ein Begriff.
Steinberg wurde am 18. April 1913 im niederschlesischen Neurode [Nowa Ruda] geboren. Sein Vater war Spediteur, verarmte während der Nachkriegsinflation und zog mit seiner Familie nach Verden an der Aller um. Nach dem frühen Tod des Vaters und der Rückkehr nach Schlesien ermöglichte die Mutter dem Jungen den Besuch der Aufbauschule in Breslau.
Mitglied der KPD
Die gesellschaftlichen Spannungen und die wachsende Gefahr durch den Nationalsozialismus bewogen Steinberg zum Eintritt in den Sozialistischen Schülerbund. 1932 wurde er dann Mitglied der KPD. Er studierte nach dem Abitur zunächst Pädagogik an der Hochschule in Elbing. Nachdem angesichts der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 der Versuch einer Emigration in die Sowjetunion gescheitert war, beteiligte er sich am illegalen NS-feindlichen Widerstand. Das trug ihm nach der Verhaftung wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ drei Jahre Jugendgefängnis in Breslau ein.
Die Zeit nach der Haftentlassung wurde eine Gratwanderung. Er fand eine Anstellung als Kontorist bei der „Schlesischen Zeitung“, arbeitete dann als Lektor in einer Druckerei und wurde zu seinem Glück von der Wehrmacht ausgemustert. In den letzten Kriegswochen gelang ihm vor der Deklarierung Breslaus zur Festung mit seiner Familie die Flucht aus Breslau bis Reutlingen.
Steinberg überlebte den Zusammenbruch des Nationalsozialismus und widmete sich einem Neuanfang. Er trat der KPD in Südwestdeutschland bei, arbeitete als Journalist für verschiedene Medien und verfasste im wachsenden Maße Prosatexte, die er in Zeitschriften veröffentlichte. Der literarische Durchbruch gelang ihm mit dem Roman „Der Tag ist in die Nacht verliebt“. Es handelte sich um eine in beiden deutschen Staaten verbreitete Romanbiografie über Heinrich Heine. Doch die gesellschaftskritische Grundhaltung Steinbergs, der seit 1950 eng mit Arno Schmidt befreundet war, und sein Bestreben nach literarischer Aufarbeitung der NS-Vergangenheit stieß nicht überall auf Gegenliebe. Der linke Autor bekam Veröffentlichungs- Probleme, erlitt einen Nervenzusammenbruch und traf nach dem KPD-Verbot im August 1956 einen folgenschweren Entschluss.
Probleme als DDR-Schriftsteller
Steinberg übersiedelte im Dezember 1956 zunächst nach Leipzig und dann nach Dessau. Dort brachte er in schneller Folge seinen „Deutschland-Zyklus“ heraus. Dazu gehören neben „Als die Uhren stehenblieben“ „Einzug der Gladiatoren“, „Wasser aus trockenem Brunnen“ und „Ohne Pauken und Trompeten“. Seine Erzählkunst, die klare Charakterisierung der Figuren ohne jegliche Heroisierung und die Verwendung von Dokumentationsmaterial gefielen. Er wurde schnell ein bekannter DDR-Schriftsteller, erhielt Literaturpreise wie den „Händel-Preis“ oder den „Kunstpreis“ des FDGB, gehörte dem Deutschen Friedensrat an und unternahm zahlreiche Auslandsreisen. Steinberg heiratete 1967 in vierter Ehe Barbara Poppe. Er verfasste auch utopische und Kriminalromane. In Dessau leitete er den „Zirkel schreibender Arbeiter“, wobei er junge Schriftsteller wie Manfred Jendryschek und Claus Nowak prägte.
Steinbergs scheinbare Einbindung in den Staat und dessen Literaturbetrieb bekam in den 1970er Jahren zunehmend Risse. Auch spürte er die wachsenden Widersprüche in seiner Umgebung. Seine diesbezüglichen Wortmeldungen stießen beim Schriftstellerverband und bei den SED-Oberen auf Unverständnis. Sein gesellschaftskritischer und teilweise auch autobiografischer Roman „Die Mördergrube“ erschien nach staatlich verordneten Kürzungen nur als „Bruchstück“.
Der Schriftsteller zog sich deshalb zunehmend zurück. Nach der friedlichen Revolution geriet er vollends auf das Abstellgleis. Der vormalige DDR-Autor war nicht gefragt. Das bescherte ihm wachsende Schwierigkeiten, die in einen Schlaganfall mündeten. Davon erholte er sich nicht wieder.
Werner Steinberg starb am 25. April 1992 im Dessauer Abseits, sieben Tage nach seinem 79. Geburtstag.
Kersti Wolnow am 10.03.23, 09:04 Uhr
Auch spürte er die wachsenden Widersprüche in seiner Umgebung.
Die spüre ich in diesem System schon über 20 Jahre.
Ein System, das auf einer Lüge aufbaut und keine Kritik zuläßt, geht irgendeinmal zugrunde wie die DDR und die UdSSR. Man fragt sich nur verzweifelt, wann das endlich ist.