31.03.2025

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Naturspektakel: Polarlichter über der verschneiten Winterlandschaft von Schwedisch-Lappland
Bild: Image Bank SwedenNaturspektakel: Polarlichter über der verschneiten Winterlandschaft von Schwedisch-Lappland

Polarlichter

Logenplatz in eisiger Wildnis

Mit der Kamera durch Schwedisch-Lappland – und mit einem ständigen Blick gen Himmel

Manfred Lädtke
01.03.2025

Von Januar bis Ende März spielt der Himmel über Schwedisch-Lappland Theater. Profi- und Hobbyfotografen zieht es dann in die nordwestlichste Ecke des Landes auf die Abisko Aurora Station kurz vor der Grenze zu Norwegen. Narvik liegt auf fast gleicher geographischer Breite knapp 80 Kilometer westlich. Wegen seiner magischen Nähe zum Nordpol gilt die Bergstation Abisko weltweit als aussichtsreiche Loge für das Beobachten und Fotografieren von Polarlichtern.

Einheimische nennen die himmlischen Erscheinungen auch „The Tempera Lady“. Mal kommt sie, mal nicht, mal stören Wolken. Einem solchen Rendezvous darf man zwar erwartungsfroh entgegensehen, sollte aber Zeit mitbringen, auch mit einem Korb rechnen und es der Diva nachsehen, wenn sie nach kurzem Erscheinen flugs wieder verschwindet. Statt eines Naturschauspiels gigantischen Ausmaßes erwartet die Jäger des Lichts dann jedoch nur eine farblose Posse.

Lange bevor in Deutschland findige Manager damit begannen, Einöden touristisch aufzupeppen und zu vermarkten, war es in Schweden gelungen, robuste eher unspektakuläre Landstriche Naturfreunden und Aktivurlaubern schmackhaft zu machen. Auch Abisko (Meereswald) mit seinen 200 Einwohnern liegt in einer rauen Steppen- und Gebirgslandschaft, in der sich Vielfraß und Lemming gute Nacht sagen. Wintersportler schätzen indes die einsamen Tundren und Berge als ursprüngliches Abenteuerland, in dem es schon mal bis zu minus 30 Grad eisig kalt werden kann.

An diesem Tag hat das Thermometer bei zehn Grad jedoch seinen Tiefpunkt erreicht. Am Sessellift unweit der Abisko Touristenstation hat sich ein Dutzend Nachtschwärmer zu einer Fotoexkursion auf den 1170 Meter hohen Nuolja eingefunden. Eingepackt in Thermo-Overalls und ausgerüstet mit Kameras warten sie darauf, mit etwas Glück Zeuge einer farbenprächtigen Begegnung von Erde und Weltall zu werden.

Ein kalter Wind tobt um die Holzhütte und stiebt Schnee vom Dach in die mit Tüchern geschützten Gesichter. Als der Lift 260 Meter den Nuolja hinauf surrt, sind kleine helle Lücken im zerfransten Wolkenknäuel die bisher einzigen Lichtquellen über dem dunklen Tal.

Auf der Gipfelstation wartet bereits Peter Rosén. Es ist 19.15 Uhr. Mit einem skeptischen Blick zum Himmelsgrau führt er seine Gäste in die rustikale Panorama-Schänke. Deren Gesichter werden all-mählich länger und länger – was zweifelsfrei nicht an den servierten Maränen auf Weinblättern und dem Sekt aus der Mädesüß-Staude liegt: In Lappland seien Nordlichter im Durchschnitt alle zwei bis drei Nächte zu sehen. „Zuletzt waren sie gestern am Horizont“, fügt Rosén kleinlaut, fast entschuldigend hinzu, macht seiner Gruppe dann aber wieder Mut: „Mit größter Wahrscheinlichkeit zeigt sich das Polarlicht zwischen 21 Uhr und Mitternacht.“

Die bunten Wischer entstünden in kalten klaren Nächten in 100 bis 1000 Kilometern Höhe und seien am deutlichsten weit entfernt von anderen künstlichen Lichtquellen zu erkennen. Das Phänomen Aurora Borealis trete auf, wenn von der Sonne weggeschleuderte energiereiche Partikel in die Erdatmosphäre eindringen. Eine Kollision mit Stickstoff und Sauerstoff lässt dann die polaren Gemälde entstehen. Ihre Farben seien davon abhängig, in welcher Höhe das Rendezvous mit welchem Gasmolekül stattfinde.

Meistens sei es Sauerstoff, der ein Grün oder in sehr großer Höhe rot erzeuge. Ein Crash mit Stickstoffatomen lasse dagegen den Himmel blau leuchten. Hier oben über dem 70 Kilometer langen Torneträsk-See hänge das „Blaue Loch von Abisko“. Da öffne sich selbst bei dicken Wolken ein Stück klarer Himmel, erklärt Rosén weiter. Das hebt die Stimmung dann sofort.
Eingemummelt in dicke Schals und Fellmütze stapfen die Fotoscouts auf eine kleine Bergkuppe. Wer keine eigene Fotoausrüstung hat, bekommt von Rosén das unvermeidbare robuste Stativ mit Profikamera und Weitwinkelobjektiv in den Schnee gestellt. Unten im Tal macht sich finstere Nacht breit. Über dem Bergplateau funkeln hinter einer aufgerissenen dünnen Wolkendecke die ersten Sterne.

Das Herz scheint still zu stehen
„Belichtungszeit zehn bis 30 Sekunden“, ruft der Meister in die Runde, und: „Stellt die Kamera auf mindestens 800 ISO oder höher und das Objektiv auf unendlich ein. Die Blende sollte zwischen f 2.0 und 4.0 geöffnet sein“, die Belichtungszeit dürfe zwischen fünf und 60 Sekunden liegen. Die Einstellung sei abhängig von der ISO- und Blendenwahl sowie von der Intensität des Polarlichtes: „Schaltet die Stirnlampen ein und korrigiert die Belichtung von euren Probeaufnahmen“, gibt Rosén weitere Tipps.

Na schön, aber wo bleiben die Motive? Eifrig drehen und drücken die Fotografen an ihrem Gerät. Währenddessen steigt Rosén zu einem roten Zelt hinab und schaltet darin ein Licht an. Wenn im Vordergrund kein Baum, Busch oder Gebäude steht, gebe eine Requisite dem Objektiv Halt und dem Bild ein „gewisses Etwas“.

Es ist kurz nach Mitternacht. War da ein Flackern? Nö! Nach und nach gibt die Wolkenarmada aber den Blick auf das Firmament frei. Die Samen nennen das Licht auch „Guovssahas“. Sie sagen, es knistere und man könne es hören, berichtet Rosén.

Kein Knistern, kein Laut. Nichts stört das Schweigen der erstarrten Natur. Doch urplötzlich kündigen bunte Blitze den Karneval am Himmel an. Flammende grüne Schleier, die sich in Wellen zu riesenhaften Wesen wandeln, schweben über die scheinbar endlose weiße Weite. Atemlos, wie hypnotisiert schauen alle dem ungezügelten Tanz zu. Als sich sprühende Kegel gelb und violett in das phantastische Spektakel mischen, scheint das Herz für einen Moment still zu stehen. Pause. Zeit, die Kamera in Position zu bringen. Wieder glimmt ein grünes Licht. Das Leuchten zerfällt in kleine Fackeln, formt sich dann aber zu einer mächtigen Lichtwand, die wie ein zerrissener Vorhang über dem Berg hängt. So schnell wie die Aurora Borealis gekommen ist, verschwindet das Feuerwerk wieder. Schließlich wabern nur noch blasse Farbfetzen im weiten Dunkel. „Aufgepasst!“, ruft Rosén, „gleich geht es wieder los!“

An den kommenden Tagen hängt ein schwermütiger Himmel über der schneebeladenen Landschaft am Polarkreis. Mit Bus, Hundeschlitten und Schneemobilen erreichen die Besucher das Ice-Hotel in Jukkasjärvi. Mit Augenmaß sowie Hämmerchen und Beitel werden aus wuchtigen Eisblöcken eigene Skulpturen kreiert. Jedoch sind auch diese eisigen Gebilde von nur beschränkter Lebensdauer. Wer sie in den Koffer packen will, muss auch hier auf den Kameraauslöser drücken.

Reisende finden in der Abisko Touristenstation Zimmer und Wintersportausrüstung sowie Kameras zum Ausleihen. Empfehlenswert ist eine eigene SD-Karte. www.abisko.nu  Literatur: Licht aus – Himmel an, Kunth Verlag, 27,95 Euro. Schweden, Reisebuchverlag Iwanowski, 27,95 Euro. Internet: www.swedishlapland.de  und www.visitsweden.com 


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