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Von „Septembertestamenten“ und Sonnenuntergängen – 2022 wollen die Museen mit zugkräftigen Ausstellungen Corona trotzen
Luther dolmetscht auf der Wartburg. Die Normannen besetzen Mannheim. In Trier geht das Römische Reich unter. Und in Berlin posiert die „Prinzessinnengruppe“. Diese und viele weitere Ausstellungen wecken Vorfreude auf Museumsbesuche im neuen Jahr – aber nur, wenn die Pandemie einem den Spaß nicht wieder verdirbt.
Am 18. Dezember 1521 begann Martin Luther auf der Wartburg mit der Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen ins Deutsche. Nach elf Wochen war die „Rohfassung“ vollendet. Doch das Projekt der Verdolmetschung der Bibel beschäftigte ihn bis ans Lebensende 1546. Unter Hinzuziehung von Philipp Melanchthon und weiteren Mitarbeitern entstand als erste Druckfassung am 21. September 1522 das mit Holzschnitten aus der Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren illustrierte sogenannte Septembertestament. Die erste Vollbibel erschien 1534. Damit war die Basis für eine einheitliche deutsche Schriftsprache geschaffen.
Schadows „Prinzessinnengruppe“
Das 500. Jubiläum der Bibelübersetzung wird vom 4. Mai bis 6. November auf der Wartburg in Thüringen mit der Ausstellung „Luther übersetzt“ gefeiert. Ausgangspunkt der Präsentation ist die Lutherstube, in welcher der Reformator mit seiner Übersetzung begann. Die Schau würdigt seine Leistung und lädt das Publikum ein, sich in der Übersetzerwerkstatt selbst im Dolmetschen zu versuchen. (www.wartburg.de)
Luthers ranghöchster deutscher Gegenspieler war Kardinal Albrecht von Brandenburg. Nachdem seine bevorzugte Residenzstadt Halle an der Saale 1541 zum lutherischen Glauben übergetreten war, zog er sich mitsamt seinem reichen Kunstbesitz nach Aschaffenburg zurück. Thomas Schauerte, der Direktor der Aschaffenburger Museen, nutzt das Jubiläumsjahr des „Septembertestaments“ als willkommene Gelegenheit, mit der vom 15. Oktober bis 8. Januar 2023 im Stiftsmuseum laufenden Ausstellung „Cranach, Luther und der Kardinal“ die Ambivalenz der frühen Reformationsjahre vor Augen zu führen. Gemeinhin gilt Cranach als Maler der Reformation. Doch Schauerte weist auf die katholischen Ursprünge hin: „Kardinal Albrecht war der wichtigste Auftraggeber der Cranach-Werkstatt“. (www.museen-aschaffenburg.de)
Bereits 1525 führte Georg der Fromme in seinem Markgraftum Brandenburg-Ansbach den lutherischen Glauben ein. In seiner ehemaligen Residenzstadt Ansbach wird vom 25. Mai bis 6. November die Bayerische Landesausstellung „Typisch Franken?“ gezeigt. Sie ist im Orangeriegebäude als Wanderung durch neun fränkische Regionen angelegt. Der Besucher entdeckt die geschichtliche und regionale Vielfalt Frankens, das sich aus ganz unterschiedlichen ehemaligen Herrschaftsgebieten wie der freien Reichsstadt Nürnberg, den Fürstbistümern Bamberg und Würzburg oder auch der Markgraftum Brandenburg-Bayreuth zusammensetzt. Markgräfin Wilhelmine, die Lieblingsschwester Friedrich des Großen, kommt ebenso zu Ehren wie Reichskanzler Otto von Bismarck, der in Bad Kissingen 15 Kuren absolvierte. (www.hdbg.de)
Die Quadriga auf dem Brandenburger Tor sowie die Denkmäler für Friedrich den Großen und Martin Luther sind Hauptwerke Johann Gottfried Schadows. Seine allerschönste Schöpfung aber ist die „Prinzessinnengruppe“. Sie stellt Luise und Friederike von Preußen dar. Seit der letzten Schadow gewidmeten Retrospektive haben die Wissenschaftler viele neue Erkenntnisse zu seinem Schaffen, Werkstattbetrieb und seinen Arbeitsmethoden gewonnen. Es ist also Zeit für eine neue Retrospektive. Sie wird vom 19. Oktober bis 19. Februar 2023 unter dem Titel „Berührende Formen“ in der Alten Nationalgalerie Berlin präsentiert. Besondere Aufmerksamkeit erfährt die „Prinzessinnengruppe“. Erstmals werden das 1795 angefertigte Gipsoriginal und das 1797 vollendete Marmororiginal gemeinsam zu sehen sein. (www.smb.museum)
Atmosphärischer Ausklang
Mit Ausstellungspremieren warten Speyer, Mannheim und Trier auf. Das Historische Museum der Pfalz in Speyer zeigt vom 16. Oktober bis 16. April 2023 „Die Habsburger im Mittelalter“. Dort im Kaiserdom ist Rudolf I. bestattet. Er wurde 1273 als erster Habsburger zum König des Heiligen Römischen Reiches gewählt. Museumsleiter Alexander Schubert kündigt an, dass die Schau erstmals den Aufstieg der Dynastie von König Rudolf I. bis zu Maximilian I. nachzeichnet, der sich 1508 zum „Erwählten Römischen Kaiser“ ausrufen ließ. (museum.speyer.de)
„Der Untergang des Römischen Reiches“ ist zum ersten Mal Ausstellungsthema. In Trier beschäftigen sich vom 25. Juni bis 27. November gleich drei Ausstellungshäuser mit ihm. Im Rheinischen Landesmuseum berichten hochrangige internationale Leihgaben aus dem 4. und 5. Jahrhundert von den Faktoren und Ursachen, die den Untergang herbeiführten. Das entstandene Machtvakuum machte sich die christliche Kirche zunutze, wie die Ausstellung „Im Zeichen des Kreuzes – Eine Welt ordnet sich neu“ im Museum am Dom veranschaulicht. Das Stadtmuseum Simeonstift steuert die Schau „Das Erbe Roms. Visionen und Mythen in der Kunst“ bei. (untergang-rom-ausstellung.de)
„Die Normannen“ werden erstmals im deutschsprachigen Raum einer umfassenden Betrachtung unterzogen. Die vom 18. September bis 26. Februar 2023 in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen laufende Schau begibt sich mit 350 wertvollen Objekten aus dem 8. bis 13. Jahrhundert auf die Spuren der Nordmänner von Skandinavien bis nach Sizilien und von der Normandie bis nach Byzanz. (www.rem-mannheim.de)
Er ist alltäglich – und doch jeden Tag wieder etwas Besonderes: der Sonnenuntergang. Über ihn lässt die Pressestelle der Kunsthalle Bremen verlauten: „Aus dem Blickwinkel der Kunst ist das allzu beliebte Motiv tief gesunken: Es gilt als kitschig.“ Aber die Kunsthalle schickt sich zum Rettungsmanöver an. Vom 26. November bis 2. April 2023 zeigt sie: „Sunset. Ein Hoch auf die sinkende Sonne“. Sie umfasst Werke von der Romantik bis zur Gegenwart, etwa von Caspar David Friedrich, Claude Monet und Max Beckmann. Die Künstler feiern die Schönheit des Sonnenuntergangs, werten ihn als Sinnbild der Endlichkeit des Lebens oder untersuchen die Phänomene zwischen Abendrot und Blauer Stunde. So atmosphärisch kann das Jahr 2022 gerne ausklingen. (www.kunsthalle-bremen.de)