20.05.2024

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EU-Politik

Macron ruft nach der Schuldenunion

Der Franzose will eine Mandatserweiterung der EZB – Berlin reagiert verhalten

Hermann Müller
09.05.2024

Deutschlands wirtschaftliche Lage ist so schlecht, dass es wie schon zur Jahrtausendwende erneut als „kranker Mann Europas“ bezeichnet wird. In dieser Situation legt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Vorschläge zur Zukunft der EU vor, die in Deutschland nicht sonderlich populär sind. Neben Forderungen zum Aufbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und einer vertieften Energieunion inklusive einer Atomallianz präsentierte Macron auch die Idee zur Reform der Europäischen Zentralbank (EZB). Er schlug unter anderem vor, das Mandat der EZB so zu erweitern, dass sie neben der Kontrolle der Inflation auch das Wirtschaftswachstum und die sogenannte Dekarbonisierung fördern kann. Bei der Spitze der EZB kann Macrons Vorschlag mit viel Sympathie rechnen. Ohne dass dies vom Mandat abgedeckt ist, hat die EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits vor einiger Zeit Klimaschutz zu einem Anliegen der Geldpolitik erklärt.

Dekarbonisierung und „Klimaschutz“
In Berlin fiel die Reaktion auf den Vorschlag zur Mandatserweiterung der EZB eher verhalten aus. Wenige Tage nach Macrons Sorbonne-Rede sagte ein Sprecher der Bundesregierung vor Journalisten: „Es gibt einzelne Punkte natürlich, in denen wir weiterhin – und das haben Sie mit Blick auf die EZB ja auch schon genannt – sehr unterschiedliche [Standpunkte] haben.“ Weiter sagte der Sprecher, ihm seien innerhalb der Bundesregierung „solche Überlegungen“, das Mandat der EZB zu ändern oder zu erweitern, nicht bekannt.

Der Streit zwischen Berlin und Paris, wie weit das Mandat der EZB gehen soll, ist so alt wie der Euro selbst. Die deutsche Seite hatte ursprünglich durchgesetzt, dass sich die EZB in der Tradition der Deutschen Bundesbank primär auf die Erhaltung der Geldwertstabilität konzentrieren solle. Frankreich zielte bei den Verhandlungen zur Währungsunion wiederum darauf ab, die gemeinsame Zentralbank auch für wirtschaftspolitische Ziele einzuspannen. In einem Kompromiss einigten sich beide Seiten darauf, dass die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik der EU unterstützen soll, soweit dies ohne Beeinträchtigung der Preisstabilität möglich ist.

Faktisch wurde durch die gigantischen Anleihekäufe der EZB in der Amtszeit von Lagarde allerdings unter Inkaufnahme hoher Inflationswerte massiv billiges Geld für Unternehmen und Staaten bereitgestellt. Die von Macron geforderte Erweiterung des EZB-Mandats auf die Förderung von Wirtschaftswachstum und Dekarbonisierung würde dieses Vorgehen ganz offiziell absegnen.

Allerdings weckt Macrons Vorgehen den Eindruck, dass es ihm vor allem um die Erschließung neuer Geldquellen geht, während die angeführten Begründungen recht variabel erscheinen. Macron hatte bereits am 11. März bei einem informellen Gipfeltreffen des Europäischen Rates eine gemeinsame Schuldenaufnahme auf EU-Ebene vorgeschlagen. Bei dieser Gelegenheit hatte er nicht auf das Ziel der Dekarbonisierung verwiesen, sondern angeführt, mit den gemeinsamen Krediten sollten die ökonomischen Konsequenzen der Russland-Sanktionen abgefedert werden.


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