23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Traumhafte Landschaft

Max Pechstein und sein Malerparadies

Vor 100 Jahren entdeckte einer der bekanntesten Expressionisten Pommern für sich

Martin Stolzenau
13.03.2021

Max Pechstein gilt als einer der ersten und zugleich bekanntesten deutschen Expressionisten, dessen Arbeiten wirklichkeitsgetreuer als die seiner Künstlerkollegen erscheinen. Das führte wohl auch dazu, dass er früher als sie große Publikumswirksamkeit erreichte. Er war es, der die Ideenwelt des „Blauen Reiters“ sowie des französischen Fauvismus in die Künstlergruppe „Brücke“ einbrachte, damit für wichtige Impulse sorgte und zur „Brücke“-Malerei die wohl „farbsprühendsten“ Arbeiten beisteuerte.

Blauer Reiter und die „Brücke“

Pechstein war zeitlebens auf der „Suche nach seinem Malerparadies“. Er fand es wohl in Hinterpommern, wo er vor 100 Jahren heimisch wurde. Dort entstanden viele seiner bedeutenden Landschaftsbilder, die die Nationalsozialisten später als „entartet“ diffamierten und aus den deutschen Museen entfernten. Sie gelten seither mehrheitlich als verschollen. Umso wertvoller erscheinen heute die erhaltenen Bilder des Künstlers, die im Pechstein-Museum in Zwickau sowie im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald und auf Ausstellungen in zahlreichen Städten zu den Hauptanziehungspunkten für Kunstfreunde gehören. Das gilt auch zum 100. Jahrestag seiner Übersiedlung ins Städtchen Leba am gleichnamigen Stadtfluss, das er in seinen Bildern vielgestaltig verewigte.

Max Pechstein wurde am 31. Dezember 1881 in Zwickau geboren. Sein Vater war als Appretur-Arbeiter in einer Textilfabrik tätig. Nach heimischem Schulbesuch absolvierte der künstlerisch begabte Knabe eine Lehre als Dekorationsmaler. Er sorgte mit seiner Kreativität für Aufsehen und konnte ab 1900 die Kunstgewerbeschule in Dresden besuchen, wo er drei Jahre später an der Kunstakademie zum Meisterschüler Otto Gußmanns aufstieg.

Wichtige Kontakte

Pechstein gestaltete im eigenen Atelier vorzugsweise Glasfenster, Wandbilder sowie Mosaike und kam über die Tätigkeit als Werbegrafiker 1906 in Kontakt zu Erich Heckel, der ein Jahr zuvor in Dresden mit Freunden die Künstlergemeinschaft „Brücke“ gegründet hatte. Den Freundeskreis verband die Suche nach einer anti-akademischen Kunst. Heckel, Kirchner, Pechstein & Co. strebten den spontanen Ausdruck innerer Befindlichkeiten an.

Mit dem sächsischen Staatspreis für Malerei, dem sogenannten „Rompreis“, für ein Glasfenster, das er für das Rathaus in Eibenstock geschaffen hatte, finanzierte Pechstein 1907 seinen ersten Italienaufenthalt. Anschließend rezipierte er in Paris die zeitgenössischen Kunstströmungen, die er dann mit Fauvismus und Neoimpressionismus in den „Brücke“-Kreis einführte. 1908 kehrte Pechstein Dresden den Rücken. In der Folge strebte er mit anderen Mitgliedern der „Brücke“ in Berlin zu neuen Ufern. Er wurde Mitglied der Berliner Secession, gründete nach Ablehnung seiner Bilder die Neue Secession und weilte in den Sommermonaten 1909 und 1910 gemeinsam mit Heckel und Kirchner an den Moritzburger Seen bei Dresden, wo die vereinfachte Formgebung und die Farbe zu maßgeblichen Bedeutungsträgern wurden. Doch als Pechstein, der 1911 Charlotte Kaprolat geheiratet hatte, 1912 als einziger „Brücke“-Künstler entgegen einer vorherigen Vereinbarung in der Berliner Secession ausstellte, kam es zum Bruch mit der Künstlergemeinschaft.

Sommer in Nidden

Er lebte in der Folge im Winter in Berlin und im Sommer in Nidden, wo auf der Kurischen Nehrung beeindruckende Ostsee-Darstellungen entstanden. Die Suche nach seinem „Malerparadies“ führte ihn 1913 nach Palau im mikronesischen Archipel, wo er im Sog Paul Gauguins ein Künstlerleben im Einklang mit der Natur führte. Der Erste Weltkrieg beendete diese Illusion. Nach japanischer Gefangenschaft, Vernichtung fast aller dort geschaffenen Arbeiten und Rückkehr über die USA nach Deutschland wurde er Soldat an der Westfront. Während und nach der Novemberrevolution war Pechstein im Novemberrat deutscher Künstler tätig und warb mit seiner Kunst für eine sozialdemokratische Republik.

Den Sommer verbrachte er wieder in Nidden. Doch als die Kurische Nehrung im Gefolge des Versailler Vertrages unter alliierte Verwaltung kam, fand er im Frühsommer 1921 in Leba ein neues Refugium.

Der Ort liegt an der Mündung der Leba in die Ostsee nördlich von Stolp in Hinterpommern, hatte sich aus der Siedlung Lebamünde zur Hafen- und Kleinstadt entwickelt und gehörte nach dem Aussterben der Pommernherzöge bis 1945 zu Brandenburg-Preußen. Leba war noch nicht „von Malern, Touristen und Badegästen überlaufen“, hatte seine Ursprünglichkeit bewahrt und war von einer idyllischen Landschaft umgeben.

Leba – neuer Lebensmittelpunkt

Pechstein bekam bei einem Gastwirt mit seiner ersten Frau Quartier, erschloss sich die Motive Lebas und verliebte sich in Marta Möller, die 24 Jahre jüngere Tochter seines Wirtes. Mit Folgen. Der Maler ließ sich scheiden, heiratete ein zweites Mal und wurde auf Dauer in Hinterpommern heimisch. Dabei entstanden Stadtansichten, Hafenbilder und Ostseelandschaften wie am Fließband.

Pechstein verkaufte seine Arbeiten gut, kam in viele Museen und erhielt verschiedene deutsche sowie internationale Preise. Er wurde Mitglied der Preußischen Akademie der Künste und gestaltete 1926 im Auftrag der deutschen Regierung die Glasfenster für das Internationale Arbeitsamt in Genf.

Internationale Anerkennung

Doch 1933 geriet der Künstler ins öffentliche Abseits. Die Nationalsozialisten hielten seinen Malstil für „entartet“ und entfernten seine Bilder aus den Museen. Pechstein lebte nun ganz zurückgezogen in Leba in Pommern, wurde Zeuge des Aufbaus der „Raketenerprobungsstelle Rumbke“ in der Nähe, kam nach Volkssturmeinsatz in kurze russische Kriegsgefangenschaft und wurde noch 1945 nach Rückkehr in sein zerstörtes Berliner Atelier an die Hochschule für Bildende Künste berufen. Ihm blieben aber nur wenige Jahre des künstlerischen Neubeginns mit etlichen Ehrungen. Darunter war auch die Ehrenbürgerschaft der Stadt Zwickau.

Pechstein starb am 29. Juni 1955 in Berlin, 21 Jahre vor seiner Frau. Seine letzte Ruhe fand der Künstler in Berlin- Schmargendorf. Die Grabplatte mit den Namen des Ehepaares blieb erhalten.

Trotz wiederholter Werkverluste sind rund 800 Arbeiten von ihm überliefert, ein kunsthistorischer Schatz, der sich außer in Privatbesitz in den Museen von Dresden, Berlin, Greifswald, Duisburg, Karlsruhe, Halle, Zwickau, München, Zürich und Madrid befindet. Neben dem „Max-Pechstein-Museum“ in Zwickau, das 2014 eröffnet wurde, betreibt auch das „Pommersche Landesmuseum“ in Greifswald zu Pechstein eine engagierte Erinnerungspflege. Auch in Leba, seinem „Malerparadies“, das jetzt als Urlaubs- und Badeort zur polnischen Woiwodschaft Pommern gehört und den Eingang zum „Slowinzischen Nationalpark“ bildet, wird an Pechstein erinnert.

b Info In Leba erlebte Pechstein den russischen Einmarsch und das Kriegsende. Im Spätsommer 1945 bestellte Pater Cieslik, nachdem sich schon viele Polen in Leba angesiedelt hatten, bei Max Pechstein ein Bild für die Kirche Sankt Nikolaus, die nun unter den Schutz der Heiligen Mutter Gottes gestellt wurde. Pechstein malte Maria als Fürbitterin. Vor der Kirche steht eine von den jetzigen Lebaern gespendete Bank, die Pechstein-Bank, in Form einer Malerpalette, auf der unsere Pommernautorin Brigitte Klesczewski sitzt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS