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Kultur

Meister und Musketier der Kunst

„Ich habe immer mehr zu sagen und immer weniger Zeit“ – Vor 50 Jahren starb der spanische Künstler Pablo Picasso bei Cannes

Veit-Mario Thiede
07.04.2023

Sobald der Name „Picasso“ fällt, hat man zunächst nicht seine Werke vor dem geistigen Auge, sondern den Künstler selbst. Zwar war der 1881 in Spanien geborene Picasso den Freunden moderner Kunst seit Jahrzehnten bestens bekannt. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg brachte es der in Frankreich lebende Künstler zu weltweiter Popularität. Zu der trug seine Bereitschaft bei, sich wieder und wieder von Pressefotografen ablichten zu lassen. Als er am 8. April 1973 starb, war das Ereignis des Todes nicht nur einen Nachruf im Kulturteil der Zeitungen wert, sondern machte Schlagzeilen auf den Titelseiten der internationalen Presse.

Picassos Popularität ist 50 Jahre nach seinem Tod ungebrochen. Unter der Federführung des Pariser Musée national Picasso finden weltweit Gedenkveranstaltungen statt. Auch deutsche Museen sind beteiligt. Das Picasso-Museum von Münster in Westfalen präsentiert „Eine Hommage zum 50. Todestag Pablo Picassos“. Ausgestellt sind Schenkungen an das Museum: Zeichnungen, Druckgraphiken und Malerbücher, die Picasso vornehmlich in seinen letzten 20 Jahren schuf. Hinzu treten Fotografien, die der Fotojournalist David Douglas Duncan von seinem Freund Picasso aufnahm.

Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale zeigt die Schau „Der andere Picasso. Zurück zu den Ursprüngen“. Zu sehen sind Graphiken und Keramiken. Seit 1947 bemalte Picasso Teller und Schalen mit Pan und anderen unbeschwerten mythologischen Gestalten, mit Stierkampfszenen, lustigen Gesichtern oder komischen Vögeln. Vor allem die Eule hatte es ihm angetan. Mit ihr identifizierte sich der bevorzugt in der Nacht künstlerisch aktive Picasso. Unter „Ursprünge“ versteht die Schau Picassos Verbundenheit mit den Traditionen seiner Heimat Spanien und den antiken Kulturen des Mittelmeerraums. Zusätzlich dazu sind in Halle (Saale) in der Kunsthalle Talstrasse unter dem Titel „BEGEGNUNG“ Picasso-Werke neben denen des französischen Keramikers Jean Lurçat ausgestellt.

Seit den 1920er Jahren ergänzte Picasso seine Signatur um das tagesgenaue Datum und gelegentlich sogar die Uhrzeit. Seine Werke bezeichnete er als die Seiten seines Tagebuchs. Und das sind ungeheuer viele. Dem Picasso-Museum Münster zufolge brachte er 16.051 Gemälde und Zeichnungen, 1200 Skulpturen, 3000 Keramiken und viele tausend Druckgraphiken hervor. Gerade letztere nahmen nach dem Zweiten Weltkrieg als für ein breites Publikum erschwingliche Lithographien und Linoldrucke breiten Raum in seinem Schaffen ein. Sie förderten die Bekanntheit Picassos ungemein.

Seine Karriere begann der vom Vater geförderte Pablo bereits in Kindertagen. Er war ein frühreifes Genie akademisch realistischer Malkunst, wie etwa das großformatige Gemälde „Wissenschaft und Nächstenliebe“ (1897) zeigt. Ähnlich rührselig ist sein berühmtes „Selbstbildnis mit Mantel“ (1901). Picasso stellt sich in blauen Tönen als frierenden Hungerleider mit eingefallenen Wangen dar.

Aber bald ging es aufwärts mit dem seit 1904 in Paris lebenden Bohemien. Auf die „Blaue Periode“ folgte die von Harlekinen und anderen Zirkusleuten bevölkerte „Rosa Periode“. Dann erfand er mit Georges Braque die Formzerlegungen des „Kubismus“. Sein darauffolgender „Neoklassizismus“ setzt ungeheuer voluminöse Gestalten ins Bild und sein „Surrealismus“ zeigt monströse Figuren, deren Gesichter und Körperteile zerlegt und neu zusammengesetzt erscheinen. Ebenso einfallsreich sind Picassos Skulpturen.

Münster stellt alle Werkphasen vor, beschreibt Meisterwerke wie das mit fünf monströsen Frauenakten bestückte Gemälde „Les Demoiselles d'Avignon“ (1907) und das erschütternde Antikriegsbild „Guernica“ (1937). Solche Hauptwerke bereitete Picasso mit Hunderten von Zeichnungen vor. Mehr und mehr ging er aber zur „Serienproduktion“ über. Unzählige Bilder sind dem Thema „Maler-und-Modell“ gewidmet. In langen Bildfolgen trat er in den Dialog mit den Gemälden alter Meister wie Cranach, Rembrandt oder Velazquez.

Picasso nutzte seine Lebenspartnerinnen als Modelle. Seiner ersten Ehefrau huldigte er mit dem naturalistischen Gemälde „Olga im Lehnstuhl“ (1917). Das Gemälde „Großer Akt im roten Armsessel“ (1927) präsentiert hingegen ein dürres Ungeheuer. Soll das etwa Olga sein? Im Entstehungsjahr des Gemäldes lernte er Marie-Thérèse Walter kennen, die in seinen Werken als voluminöse Aktfigur auftritt. Dora Maar wird von Picasso als schrill weinende Frau mit Hut dargestellt.

Es folgt die zur Blume verwandelte Françoise Gilot. Kuratorin und Biographin Ina Conzen wundert sich über die „erstaunliche Selbstverständlichkeit, mit der der Künstler zwischen den nun drei Lebenspartnerinnen Françoise Gilot, Dora Maar und Marie-Thérèse Walter navigierte – und dies zusätzlich mit der unglücklichen Olga immer in der Nähe.“

Picasso heiratete 1961 Jacqueline

Roque. Sie harrte bis spät in die Nacht bei ihm im Atelier aus, während er Werk um Werk hervorbrachte. In ihnen tritt er als Musketier und in vielen anderen Rollen auf oder lebt seine erotischen Fantasien aus. Picasso war sich gewiss: „Ich habe immer mehr zu sagen und immer weniger Zeit.“ Er starb am späten Vormittag des 8. April 1973 in seiner Villa Notre-Dame de Vie in Mougins bei Cannes. Am Vorabend hatte er noch an einem Gemälde gearbeitet.

Der andere Picasso, bis 21. Mai in der Moritzburg von Halle (Saale), www.kunstmuseum-moritzburg.de; BEGEGNUNG. Pablo Picasso trifft Jean Lurçat, bis 29. Mai in der Kunsthalle Talstrasse, Halle (Saale), www.kunstverein-talstrasse.de; Eine Hommage zum 50. Todestag Pablo Picassos, bis 7. Mai im Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster, www.kunstmuseum-picasso-muenster.de. Lesetipp: Ina Conzen, „Pablo Picasso“, C. H. Beck, 12 Euro


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