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Ernst Wiechert

Menschenfreund auch in der Not

Tagung der Ernst-Wiechert-Gesellschaft zum 70. Todestag des ostpreußischen Schriftstellers

Bärbel Beutner
23.09.2020

Auch Corona konnte nicht verhindern, dass die Internationale Ernst-Wiechert-Gesellschaft (IEWG) in Zwiefalten auf der Schwäbischen Alb zusammen mit dem dortigen Geschichtsverein Veranstaltungen zum 70. Todestag des Schriftstellers Ernst Wiechert durchführte.

Am 24. August 1950 verstarb Wiechert in Uerikon bei Zürich, wo er seit 1948 wohnte (siehe PAZ vom 14. August). Sein letzter großer Roman „Missa sine nomine“ war wenige Tage zuvor im Druck erschienen. Sein Grab befindet sich in Stäfa bei Zürich, das die Wiechert-Gesellschaft eigentlich im September besuchen wollte. Aber diese Tagestour verhinderte Corona.

Dafür fanden die Veranstaltungen in Zwiefalten große Resonanz beim Publikum. Am 1. September tagte der „Literaturkreis Zwiefalten“, der vom „Geschichtsverein Zwiefalten“ ins Leben gerufen worden ist, auf Schloss Ehrenfels. Klaus Weigelt, stellvertretender Vorsitzender der IEWG, referierte über Wiecherts KZ-Bericht „Der Totenwald“. Alle Teilnehmer hatten das Buch gelesen, und Bernd Lippmann vom „Literaturkreis Zwiefalten“ moderierte eine zweistündige Aussprache. Einer der Diskussionspunkte war die Frage, warum Wiechert für diesen „Bericht“ den Protagonisten Johannes einführt. Die literarische Verfremdung ist wohl nötig, um derartige Schrecknisse überhaupt darstellen zu können.

Am 5. September stellte Weigelt in dem „Kulturdenkmal Wimsener Mühle“ sein Buch „Schweigen und Sprache. Literarische Begegnungen mit Ernst Wiechert“ vor, das als 7. Band der „Schriftenreihe“ der IEWG herausgekommen ist. Der Autor las Auszüge aus diesem seinem Werk vor und setzte einige Schwerpunkte, die für die Leserschaft wegweisend sein können. Denn das sei die eigentliche „Mission“ dieses Buches: zum Lesen anzuregen, so Weigelt.

Weigelt beleuchtete Wiecherts Verhältnis zur Natur als gesetzgebende und moralische Instanz, was besonders der Roman „Das einfache Leben“ thematisiert. Er arbeitete komprimiert und dennoch detailliert Wiecherts politisches Engagement heraus, indem er die Reden von 1929 und 1935 heranzog und gezielt nachwies, dass sogar in Wiecherts Märchen, geschrieben 1944/45 „mitten im totalen Krieg“, Abrechnungen mit Gewaltherrschaft und Unrecht zu finden sind. Die Machthaber fühlten sich bedroht, obwohl die Kritik sowohl in der Novelle „Der weiße Büffel“ wie in den Reden auf einem literarischen und philosophischen Niveau angesiedelt war.

Ein humanistisches Menschenbild

Wiecherts Verhaftung 1938, die KZ-Haft in Buchenwald und die anschließende Gestapo-Aufsicht bis 1945 lassen keinen Zweifel an seinem politischen Widerstand. Dabei, so betonte Weigelt, ging Wiechert stets von einem humanistisch geprägten Menschenbild aus – obwohl durch die Erlebnisse im Ersten Weltkrieg und durch die KZ-Erfahrungen ein Riss durch dieses Menschenbild ging.

Besonders dieser Punkt führte zu einer lebhaften Diskussion im Anschluss an die Lesung, die wieder von Lippmann moderiert wurde. Wiechert habe vielleicht im Humanismus und dessen Menschenbild einen Ausweg gesehen, weil die Demokratie in der Weimarer Republik für Intellektuelle wenig attraktiv gewesen sei. Die Auswirkungen des NS-Regimes bestärkten ihn in seiner Hoffnung auf Einforderung von Menschlichkeit, Nächstenliebe und Schutz der Schwachen.

Der Vorsitzende des „Geschichtsvereins Zwiefalten“, Hubertus-Jörg Riedlinger, hatte für die „Wiechert-Tage“ auch einen musikalischen Rahmen organisiert. Eine gelungene Überraschung war das Konzert der Sopranistin Karina Aßfalg im Garten des Restaurants „Heimatküche“ am Abend des 4. September, ein „Feuerwerk“ aus Oper, Musical und Schlager. Am 5. September fand in der „Wimsener Mühle“ außerdem ein Konzert des Ensembles „Fagottissimo“ Stuttgart statt, ein Erlebnis für das Publikum – und auch für die Fagottisten, denn es war ihr erster Auftritt seit Februar.

Die positiven Berichte in der lokalen Presse zeigten, dass die gute Zusammenarbeit zwischen der IEWG und dem Geschichtsverein zu einer Konstante im kulturellen Leben der Region geworden ist.

• Buchtipp Klaus Weigelt
Schweigen und Sprache. Literarische Begegnungen mit Ernst Wiechert
Quintus Verlag, Berlin 2020, gebunden, 224 Seiten, 25 Euro


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Kommentare

sitra achra am 26.09.20, 11:08 Uhr

Wenn man sich die real existierende heutige "Demokratie" anschaut, ist ebenfalls nur der Ausweg in den recht verstandenen Humanismus möglich (nicht die Soros-Philantropie!).
Ein aufrechter Humanist und deutscher Patriot wie Ernst Wiechert täte uns heute mehr als not.
Leider oder wohl aus obengenannten Gründen werden seine Existenz und sein Werk in der sozialistisch geprägten Gegenwart geleugnet oder unterschlagen.
Ein großes Lob und ein aufrichtiger Dank an die Schweizer, die diesen vorbildlichen Menschen vor dem Vergessen bewahren und sein Lebenswerk würdigen!

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