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Der Architekt, Hochschullehrer und Dombaumeister kam vor 200 Jahren in der schlesischen Stadt Pleß zur Welt
Julius Carl Raschdorf stammte aus Schlesien, gehörte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Architekten Deutschlands und hinterließ ein riesiges Gesamtwerk. Dazu gehören Kirchen, Synagogen, Schulgebäude, Museen, Bibliotheken, Rathäuser, Theater, Bahnhöfe, Schlösser und Grabkapellen. Er baute in verschiedenen historischen Stilformen. Der Reigen seiner Bauten reicht vom Haus der Casino-Gesellschaft in Saarbrücken, das heute den Landtag des Saarlandes beherbergt, über den Berliner Dom, sein wohl bedeutendstes Werk, bis zur Grabkapelle der Grafen Henckel von Donnersmarck in Oberschlesien, die im Unterschied zum riesigen benachbarten Neudecker Schlosskomplex erhalten blieb.
Der herausragende Architekt wurde am 2. Juli 1823 in Pleß geboren. Sein Geburtsort gehörte einst zur gleichnamigen schlesischen Ständeherrschaft, die unter Friedrich dem Großen an Preußen kam und nach dem Erlöschen der Besitzer aus der Linie von Anhalt-Köthen-Pleß an den niederschlesischen Grafen Hans Heinrich von Hochberg zu Fürstenstein fiel. Während des Ersten Weltkrieges residierte hier Kaiser Wilhelm II. mit seinem Militärstab.
Raschdorff wuchs in Pleß auf, machte das Abitur in Gleiwitz und studierte von 1845 bis 1853 an der Berliner Bauakademie. Die Architektenschmiede war von König Friedrich Wilhelm III. gegründet und nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel zwischen 1832 und 1835 erbaut worden, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und gilt heute mit der roten Ziegelfassade als Ursprungsort der architektonischen Moderne. Seit 2019 engagiert sich eine Bundesstiftung für die Wiedererrichtung. Raschdorff wurde in diesem berühmten Schinkelbau geprägt.
Nach Abschluss der Ausbildung wirkte er zunächst in Berlin als Architekt. 1854 wechselte er nach Köln. Dort prägte er erst als Zweiter Stadtbaumeister bis 1878 die städtebauliche Entwicklung und beteiligte sich am Bau zahlreicher Gebäude der Region. Das reichte vom Apostelgymnasium und dem Stadttheater in Köln über das repräsentative Palais für die Casino-Gesellschaft in Saarbrücken bis zum Ständehaus in Düsseldorf, das den preußischen Provinziallandtag und später den nordrhein-westfälischen Landtag aufnahm.
Raschdorff referierte auf der Pariser Weltausstellung „über neue Bautechniken“ und wurde nach den ersten Erfolgen mit Bauaufträgen überhäuft. Er wirkte deshalb ab 1872 als Privatarchitekt. 1878 ging er als Professor für Baukunst an die TH in Berlin-Charlottenburg. Fortan wirkte er als gefragter Berliner Architekt und Hochschullehrer. Raschdorff sorgte für den Neubau der Technischen Hochschule in Charlottenburg, für die Englische Kirche im Garten von Schloss Monbijou und für das Kaiser-Friedrich-Mausoleum. Dazu gesellten sich Schriften zur Architektur wie „Palastarchitektur von Oberitalien und Toskana“ und „Baukunst der Renaissance“.
Nach der Reichsgründung 1871 kam in der neuen Reichshauptstadt der Wunsch nach einem dem Reich angemessenen Gotteshaus auf. 1885 legte Raschdorff Pläne für einen entsprechenden Sakralbau vor. Nach der Thronbesteigung im Dreikaiserjahr erhob Wilhelm II. das Projekt zur Chefsache, ernannte zum Ärger der Branche Raschdorff ohne einen Architektenwettbewerb zum Dombaumeister und gab in der Folge eigene Vorgaben. Der Hohenzollern-Herrscher wollte seinen Herrschaftsanspruch mit einem Kolossalbau verdeutlichen, eine „Hauptkirche“ des deutschen Protestantismus schaffen und damit die Verbindung von Thron und Altar manifestieren. So entstand mit einer riesigen Hauptkuppel, die mit dem Petersdom in Rom konkurrierte, und den vier überkuppelten Ecktürmen der größte Sakralbau Berlins. Zwischendurch sorgte der Kaiser mit seinen Korrekturen immer wieder für Bauverzögerungen. Zuletzt ließ er noch einen modernen Fahrstuhl ins kaiserliche Treppenhaus einbauen.
Am 27. Februar 1905 wurde der Monumentalbau eingeweiht. Zu den Jublern gesellten sich zahlreiche Kritiker. Christen beklagten, dass mit dem Bau mehr dem Kaiser als Gott gehuldigt werde. Politische Gegner bezeichneten den Dom als „Reklamezwingburg für die Dynastie der Hohenzollern“. Berliner Spötter gaben dem Dom den Namen „Seelengasometer“.
Raschdorff allerdings hatte sich mit dem Berliner Dom, seinem Meisterwerk, ein Denkmal gesetzt, das ihn überdauerte und nach Krieg, Teilzerstörung, Wiederaufbau und Sanierung bis heute seine Meisterschaft als Architekt belegt. Dem nach dem Dombau gefeierten Architekten blieben danach nur noch wenige Jahre. Er starb hochbetagt am 13. August 1914 in Waldsieversdorf. Seine letzte Ruhe fand er auf Berlins Dorotheenstädtischem Friedhof. Das Grab ist ein Ehrengrab der Stadt Berlin.
Chris Benthe am 27.06.23, 11:44 Uhr
So einen Beitrag muss man still auf sich wirken lassen. Stille Einkehr in die Monumente einer durchaus großen Zeit des Aufbruchs. Zeit, dessen eingedenk zu sein. Und, wer weiß das schon, vielleicht finden wir darin den Ausgangepunkt für den Beginn eine neuen großen Zeit des Aufbruchs. Danke für diesen schönen Beitrag.
Kersti Wolnow am 27.06.23, 07:32 Uhr
Der Dom hat mich schon immer fasziniert, so daß ich mit jeder Hamburger Klasse eine Berlinfahrt unternommen hatte, oft mit vorhergegangener Projektwoche zur Berliner Architektur und preußischer Geschichte (dürfte ich heute wohl nicht mehr). Statt des überteuerten Fernsehturmbesuchs gingen wir in den Berliner Dom, von dessen Turm aus man ebenfalls einen schönen Ausblick hat. Bezeichnend für die marxistischen Jacobiner war die Sprengung des Berliner Schlosses und die Verschandelung des Domviertels durch den "Lampenladen". (Palast der Republik), Mal schaun, ob dieselben Kräfte das halb wiederhergestellte Schloß mit einer Wippe verschandeln werden. Laut genug kreischen sie jedenfalls.