Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Warum die Royal Air Force die heutige Landeshauptstadt Brandenburgs zerstörte, und wieso dieses Kriegsverbrechen bis heute nachwirkt
Winston Churchills Entsetzen über die Apokalypse von Dresden am 13./14. Februar 1945 oder die internationale Kritik an diesem Terrorangriff verflog schnell. Seine Mahnung an die Oberbefehlshaber der Royal Air Force (RAF), einen Strategiewechsel in Richtung Präzisionsschläge zu vollziehen, verwässerte er in einem zweiten Memorandum. Die „nächtlichen Massenmorde an der Zivilbevölkerung“, wie der Historiker Golo Mann sie bezeichnete, gingen weiter.
Bei zwei brutalen Flächenbombardements starben am 3. und 4. April 1945 in Nordhausen mindestens 8800 Menschen, darunter viele Zwangsarbeiter und in die thüringische Stadt verschleppte KZ-Häftlinge. Herrliche Fachwerkarchitektur ging verloren. Wie so oft hatten Luftmarschall Arthur Harris und sein Befehlsstab die Besatzungen über den Angriffszweck getäuscht. Angeblich sollte es in Nordhausen darum gehen, „aus Berlin abkommandiertes Militär- und Nazi-Personal zu töten“. 506 überwiegend viermotorige Maschinen der Bomber Groups 1, 5 und 8 erledigten das perfekt. Dass strategisch wichtige Verkehrswege − wie bereits in anderen Orten − verschont blieben, galt als nebensächlich.
Wenige Tage später demonstrierten die US-Luftstreitkräfte, die ihre Zurückhaltung beim Area Bombing längst aufgegeben und über 100.000 Japaner beim Brandbombenangriff auf Tokio getötet hatten, ihre sinnlose Zerstörungswut. Am 8. April 1945 machten sie Halberstadt im Harzvorland mit seiner Fachwerkidylle, „Rothenburg des Nordens“, dem Erdboden gleich. Zwischen 2000 und 3000 Bewohner überlebten das Massaker in diesem „Sekundärziel“ nicht. Das als „Primärziel“ auserkorene Staßfurt ließ witterungsbedingt kein Bombardement zu.
Nordhausen und Halberstadt
Der letzte Großangriff traf am 14. April 1945 nach Dresden und Würzburg ein weiteres Barockjuwel und zudem eine Stadt, die Churchill als Symbol eines halluzinierten „preußisch-deutschen Militarismus“ einstufte. In der „Nacht von Potsdam“ starben wohl 3578 (Statistisches Jahrbuch Potsdam 1966), mindestens aber 1800 Zivilisten (Historiker Hans-Werner Mihan nach Auswertung von Sterberegistern), meist unschuldige Frauen, Kinder und alte Männer, die mit dem Popanz des „preußischen Militarismus“ nichts zu tun hatten. 60.000 wurden obdachlos. An eine „Skelettlandschaft“ und „verkohlte Leichen, so klein wie Puppen“ erinnert sich Zeitzeugin Luise Lunow. Angesichts täglicher Horrormeldungen vom Krieg regten solche Zahlen und Details aber beinahe niemanden mehr auf.
Warum wurde das zuvor kaum versehrte Potsdam ausgerechnet jetzt so massiv angegriffen? Warum warfen 490 viermotorige Lancaster 1780 Tonnen Minen sowie Spreng- und Brandbomben ab. Potsdam besaß keine militärisch wichtigen Ziele. Die Behauptung der Briten, man habe den Stadtbahnhof angegriffen, diente der Verschleierung, gehörte also − im Jargon des digitalen Zeitalters – zu den propagandistischen „Fake News“. Auch die Luftstreitkräfte der USA nutzten dieses zynische Instrument der Fake News, als sie die großflächige Bombardierung Swinemündes als „Angriff auf Rangierbahnhöfe“ verniedlichten. Die Angaben über die Zahl der Zivilisten, die am 12. März 1945 starben, schwanken zwischen 4500 und 23.000. Es waren vor allem Flüchtlinge aus dem deutschen Osten, die teils auf dem Landweg, teils über die Ostsee kommend in der vorpommerschen Hafenstadt Schutz gesucht hatten.
Später veröffentlichte RAF-Dokumente mit den Markierungen des Zielgebiets lassen keinen Zweifel mehr zu, dass der Angriff vor allem der Potsdamer Altstadt galt. Der Bahnhof befand sich am äußersten Rand des Zielgebiets. Offenbar nahmen die Briten in Kauf, ihn gar nicht zu treffen. Schwerste Schäden erlitten die südliche und östliche Altstadt und das Gebiet nordöstlich des Brauhausbergs. Weite Teile der Berliner Vorstadt gingen in Flammen auf, auch Teile von Babelsberg wurden getroffen. Die Gebäudeschäden in der Potsdamer Innenstadt und der Berliner Vorstadt betrugen bis zu 97 Prozent. Babelsberg kam mit einer Schadensquote von 23 Prozent glimpflicher davon.
Absurde Rechtfertigungsversuche
Die Suche nach den Hintergründen der „Nacht von Potsdam“ führt zur Area Bombing Directive vom 14. Februar 1942. Mit Angriffen auf die Wohnviertel von Industriearbeitern wollten Churchill, RAF-Stabschef Charles Portal und Harris die Durchhaltemoral deutscher Zivilisten und in der Konsequenz die Kampfmoral der Wehrmacht schwächen. Eingebürgert hat sich der von Churchill geprägte Begriff des „Morale Bombing“.
Zu den Vätern dieser Strategie gehört der erste Stabschef der RAF, Hugh Trenchard. Er stellte in den 1920er Jahren die These auf, alle Industriearbeiter würden zur Kriegstüchtigkeit ihres Landes beitragen und seien daher legitime Angriffsziele (Trenchard-Doktrin). Da die Arbeiter aber meist mit ihren Frauen und Kindern zusammenlebten, war diese Doktrin nichts anderes als der Einstieg in den zügellosen Terrorluftkrieg, der irgendwann sämtliche Stadtviertel erfasste.
Dass es drei Wochen vor dem Ende eines längst entschiedenen Krieges nichts mehr zu demoralisieren gab, spielte für den skrupellosen Schreibtischtäter Harris keine Rolle. In seinen Memoiren „Bomber Offensive“ von 1947 lieferte er absurde Rechtfertigungsversuche und feierte sich als Wohltäter der Deutschen: Flächenbombardements seien völkerrechtskonform und „trotz allem, was in Hamburg geschah, eine vergleichsweise humane Methode“ gewesen.
Signal Churchills an Stalin
Vermutlich wollte Churchill, dessen Weitblick längst der Nachkriegsordnung galt, die Rote Armee mit der Schlagkraft seines Bomberkommandos beeindrucken. Bereits die Vernichtung Dresdens ließ sich auch als Signal an Josef Stalin deuten. Tatsächlich begann jetzt der Endkampf um Potsdam. In der zur „Festung“ erklärten Stadt besetzten Spähposten die höchsten Aussichtspunkte. Diese wurden von sowjetischer Artillerie getroffen; bislang erhaltene Bauwerke gingen in Flammen auf. Lediglich den Potsdamer Parks und ihren Schlössern blieben größere Zerstörungen erspart.
Dass die RAF auch „Symbolpolitik“ gegen eine als Ausdruck deutscher Identität verstandene Architektur betreiben wollte, wurde schon angedeutet. Passende Worte fand der sprachgewaltige Sachbuchautor Jörg Friedrich: „Das mythische Gestein von Potsdam wurde triumphal gekippt. Die Hof- und Garnisonkirche, Grablege Friedrich II., verbrannte wie das Potsdamer Stadtschloss, Modell des preußischen Barocks. In die strenge Vornehmheit ganzer Straßenzüge und Ensembles schlug der Bombenhammer, weil der Stein beseelt war. Die Baugestalt war ein Erzieher, der stumm belehrte über Schönheit und Form, Maß und Zweck. Auch die Bombe war Erzieher und richtete über Macht und Ohnmacht.“
Das Angriffsdatum 14. April 1945 haben die RAF-Strategen wohl nicht zufällig ausgewählt. Exakt 200 Jahre zuvor, am 14. April 1745, war der Grundstein zum Bau von Schloss Sanssouci gelegt worden. 100 Jahre vor dem Bombardement, am 14. April 1845, erfolgte die Grundsteinlegung der Friedenskirche im Schlosspark.
Symbolpolitik betrieb später auch Walter Ulbricht, Staatsratsvorsitzender der DDR, auf dessen Veranlassung die Ruine der Garnisonkirche im Mai/Juni 1968 gesprengt wurde. Der Kommunist wollte sich nicht damit abfinden, dass im weitgehend erhaltenen Turm der Kirche Gottesdienste stattfanden. In einem verquasten Sprechakt forderte er für Potsdam die Vollendung eines „sich sozialistisch wandelnden Stadtkerns“.
Symbolpolitik gestern und heute
Auch heutige Gegner der Garnisonkirche bedienen sich in Versatzstücken politischer Symbolik. Parallel zum „Historikerstreit“ von Dresden, der sich um Todesopferzahlen, Tieffliegerangriffe und den Opferstatus ganz normaler deutscher Frauen, Männer und Kinder dreht − man denke an das Antifa-Geschwurbel „Deutsche Täter können keine Opfer sein“ −, gibt es in Potsdam einen Streit zwischen Kirchenfunktionären, Historikern und an Stadtbildästhetik interessierten Bürgern. Dieser wächst sich zum Kulturkampf um die Deutungshoheit über preußische und deutsche Geschichte aus.
Daran hat der 2024 abgeschlossene Teilaufbau des Kirchturms nichts geändert. Aktivistische Geschichtspolitiker, die ein Aufsetzen der Turmhaube und die Rekonstruktion des Kirchenschiffs verhindern wollen, empören sich über Verbindungen von Kirche, Staat und Militär in Preußen. In ihr Visier geraten auch deutschnationale Kundgebungen der Jahre 1919 folgende und natürlich die Verbeugung Adolf Hitlers vor Reichspräsident Paul von Hindenburg am 21. März 1933 („Tag von Potsdam“). „Eine dumpfe Mischung aus Demokratiefeindlichkeit, großdeutschen Machtansprüchen und Antisemitismus“ präge die Wahrnehmung der Garnisonkirche (Matthias Grünzig). Der wohl eifrigste Kulturkämpfer gegen „rechte“ preußische Architektur ist Architekt Philipp Oswalt, der sogar Veränderungen an der Fassade des Berliner Schlosses fordert.
Diese einäugigen Symbolisten blenden aus, dass Preußen eine sehr kunstsinnige Seite hatte und für unverzichtbare Tugenden, für Aufklärung und Religionsfreiheit stand. Zahllose Menschen nutzten die Garnisonkirche als Stätte des Gebets, des Gottesdienstes und der Seelsorge; zur Gemeinde gehörten auch Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944. Warum werden antipreußische und antideutsche Affekte über Ästhetik, Schönheit und die Wünsche der Gläubigen gestellt? Wie will ein Volk im internationalen Wettbewerb bestehen und Fremde erfolgreich integrieren, wenn es sich auf Selbstanklagen mitsamt ihren Schuld- und Sühnekomplexen fixiert und keine ausgewogene historische Identität entwickelt?