30.07.2025

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Chips und Daten als Rohstoff des 21. Jahrhunderts
Bild: wccftech.comChips und Daten als Rohstoff des 21. Jahrhunderts

Deutschland als Verlierer

Neuer Nvidia-Chip-Deal mit weitreichenden Folgen

Chips gegen Rohstoffe – die USA geben die strategische Technologiekontrolle ab und gewähren China mehr temporären Entwicklungsspielraum

Christian Rudnitzki
30.07.2025

Die US-Regierung hat entschieden, dem Tech-Konzern Nvidia erneut den Export spezieller KI-Chips des Typs H20 nach China zu erlauben. Diese Chips sind abgeschwächte, aber weiterhin leistungsfähige Varianten von Hochleistungsprozessoren, die für Anwendungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) entscheidend sind. Im Gegenzug sichert China der US-Seite erneut die Lieferung seltener Erden zu – kritische Rohstoffe, die für Hightech-Produkte wie Chips, Sensoren und Batterien unverzichtbar sind.

Was wie ein pragmatischer Handelsaustausch erscheint, ist in Wahrheit ein geopolitischer Wendepunkt: Die USA geben ein Stück strategische Kontrolle ab. Und für Europa offenbart sich in diesem Moment die eigene technologische Ohnmacht, was nicht so sein müsste.

Ungleiche Systemlogiken
Nvidia, einst ein Nischenhersteller für Grafikkarten, ist heute zentraler Akteur der Chipindustrie und gilt als das Rückgrat der globalen KI-Infrastruktur. An der Spitze steht Jensen Huang – Mitgründer, CEO und gebürtiger Taiwanese. Symbolhaft steht er im Technologiekrieg zwischen den Blöcken. Mit dem Deal verlieren die USA nämlich die Technologiekontrolle, China dagegen gewinnt Entwicklungsspielraum. Der Deal ist also kein fairer Austausch, sondern ein Tausch zwischen ungleichen Systemlogiken: auf der einen Seite Marktpragmatismus und kurzfristige Lieferinteressen, auf der anderen strategische Staatsplanung mit langfristigem Machtanspruch. Die Folgen reichen womöglich weiter, als viele in Deutschland oder Europa derzeit wahrnehmen.

Die USA haben mit dieser Entscheidung ein neues Kapitel in der geopolitischen Ordnung aufgeschlagen. Während Nvidia wirtschaftlich profitiert und China technologisch partiell wieder Zugriff erhält, wird deutlich: Technologie ist verhandelbar geworden – gegen Rohstoffe, gegen Einfluss, gegen Zeit. Dies bestätigt auch die These, dass „Chips und Daten der Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ sind.

Einst waren die US-Chip-Exportkontrollen als sicherheitspolitisches Instrument gedacht – um Chinas militärischen und autoritären Machtaufbau mit westlicher Hochtechnologie zu verlangsamen. Nun aber wird dieses Instrument preisgegeben. Nicht vollständig, aber spürbar. Und damit geht ein Teil jenes strategischen Druckpotentials verloren, das der Westen bislang im Systemwettbewerb gegen China aufbauen konnte.

Natürlich lässt sich argumentieren, dass der H20-Chip eine abgeschwächte Version leistungsstärkerer Modelle darstellt, dass die USA also noch immer die Zügel in der Hand halten. Doch darin wohnt ein gefährlicher Irrtum inne: Wer sich auf technologische Abstufungen verlässt, verlässt sich auf einen Gegner namens KP China, der Nachahmung zur Staatsdoktrin gemacht hat.

Was aber hat das mit Deutschland zu tun? Europa verfügt in der entscheidenden Technologiefrage – Künstliche Intelligenz und Hochleistungs-Chips – über keine eigene Chipproduktion, noch über eigene GPU-Architekturen, noch über relevante KI-Plattformen. Der einzige geopolitisch wirksame Akteur Europas in diesem Feld heißt ASML – und auch dieses Unternehmen ist tief in globale Abhängigkeiten eingebunden. ASML ist weltweit der einzige Hersteller von EUV-Lithographiemaschinen, die für die Produktion modernster Halbleiter unverzichtbar sind. Ohne diese Technologie wären weder Hochleistungsprozessoren noch aktuelle KI-Beschleuniger überhaupt herstellbar – nicht in Taiwan, nicht in Südkorea und auch nicht in den USA.

Dennoch kann Europa in dieser Frage keinen Einfluss nehmen. Es ist sowohl bei KI-Hardware als auch bei Seltenen Erden auf das „Wohlwollen“ und die strategischen Ziele anderer Mächte angewiesen. Europa kann nur bitten und hoffen. Ein blinder Fleck – riesig, folgenreich und bis heute unbegriffen.

EU als Zuschauer ohne Plan
Dadurch wird die EU zunehmend zum Objekt eines strategischen Spiels, dessen Regeln andere schreiben. Der Deal zwischen den USA und China ist ein Signal: Technologische Souveränität ist keine Selbstverständlichkeit mehr – sie ist zur Verhandlungssache geworden. Wer mitspielen will, muss etwas zu bieten haben.

Dabei könnte Europa – bei kluger politischer Führung – gerade in dieser Spannung seine eigene Rolle finden. Im klassischen Sinne des Sprichworts: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Doch statt eigene Standards zu setzen, strategische Allianzen zu schmieden und eine digitale Außenpolitik zu entwickeln, wirkt Europa wie ein Zuschauer ohne Plan – während auf der Bühne Weltgeschichte verhandelt wird. Genau dieser Eindruck wurde durch die ergebnislosen EU‑China‑Verhandlungen in Peking auf erschreckende Weise erneut bestätigt.


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