20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden

Politik

Nicht einmal Angela Merkel ergreift noch Partei für Angela Merkel

Anstatt als „Elder Stateswoman“ gefragt zu sein, gelten die Ex-Kanzlerin und ihr politisches Erbe nur wenige Wochen nach dem Regierungswechsel als Belastung für die deutsche Politik. Gerade auch für ihre Partei

Werner J. Patzelt
20.04.2022

Wenig hört man in diesen Kriegswochen von jener Staatslenkerin, die so lange – und auch ganz unangefochten – Deutschlands beliebteste Politikerin war. Könnte nicht gerade sie, einst für den Friedensnobelpreis im Gespräch und weiterhin mit vielen wichtigen Politikern gut vertraut, auf einen Friedensschluss zwischen Russland und der Ukraine hinwirken? Hat sie das denn nicht schon in der Vergangenheit versucht?

Gewiss, kein Kanzler sollte seinem Nachfolger die Schau stehlen. Hilft die Altkanzlerin unserer Regierung also wohl im Stillen? Anscheinend nicht, denn Deutschlands Politik wendet sich klar von dem ab, was unter Angela Merkel als „alternativlos“ galt. Doch warum verteidigt sie ihr Werk nicht öffentlich? Viele Sozialdemokraten, die sich Kanzler Scholz widersetzen, wären dafür dankbar! Oder schadete Merkels Kritik an der Regierungspolitik deutschen Interessen? Doch die wahrt man auch nicht, wenn man einer für falsch gehaltenen Politik nur zusieht.

Stilles Eingeständnis von Irrtümern?

Oder merkt die Altkanzlerin einfach, dass sich manches nun doch als anders herausstellt, als sie es einst ihrer Politik zugrunde legte, vermeidet sie also schlicht das Eingeständnis von Irrtümern? Mag es sogar sein, dass sich unsere landesweiten Medien – anders als einst bei Helmut Schmidt – nicht mehr sonderlich um Merkels Präsenz und Interviews bemühen, weil es Edelfedern und Talkmastern unangenehm wäre, nicht länger Haltbares von der einstigen Kanzlerin trotzdem verteidigt zu erleben? Und weil sie nicht erdulden wollen, dass Merkel für irrtümlich erklärt, was Großjournalisten einst selbst mit vernichtender Verachtung für Widerspruch vertreten haben?

Jedenfalls werden grobe Fehler aus Merkels Regierungsjahren immer offensichtlicher. Da machte man sich energiepolitisch von einem Angebotsmonopolisten abhängig, auf den man im Konfliktfall keinen verlässlichen Einfluss hat. Zwar erfüllte die Sowjetunion im Kalten Krieg stets ihre Lieferverpflichtungen bei Öl und Gas. Doch dass es mit Russland zu einem heißen Krieg kommen könnte, in dessen Verlauf Energielieferungen zu einer wechselseitig schadenden Waffe würden – das kam in einem solchen Weltbild nicht vor. Politik ist nun aber nicht Physik mit stets gleichen Gesetzmäßigkeiten. Vielmehr ist sie, mitsamt ihren Wirkungszusammenhängen, jeweils nur ein Zwischenprodukt von nicht endender Geschichte. Deshalb rechnet man besser mit der künftigen Möglichkeit von derzeit noch Unwahrscheinlichem – was umso besser gelingt, je mehr Geschichte man kennt und versteht.

Auch wären wir von russischen Energielieferungen nicht so stark abhängig, wenn wir zur Schließung von Deckungslücken nicht erst noch Tausende von Windrädern samt Stromleitungen bauen müssten. Oder wenn wir weiterhin Kernkraftwerke hätten, die verlässlich Strom im eigenen Land erzeugen. Doch unbedingt musste Merkel den Grünen ihr identitätsstiftendes Mobili-sierungsthema wegnehmen – und zwar nicht durch Argumente, sondern dadurch, dass sie die verlangte Abschaltung von Kernkraftwerken gleich selbst verwirklichte. Das war zwar gut für Merkels Ansehen bei Grünen, Sozialdemokraten und Journalisten. Doch die absehbaren Folgen wirken sich schlecht für Deutschland aus.

Und erst das Trauerspiel mit der Bundeswehr! Zwar fing das Elend nicht erst mit Merkel an. Doch sie vergrößerte es, statt es abzuwenden. Jetzt steht Deutschland als sicherheitspolitischer Möchtegern und außenpolitischer Gernegroß da, dem andere zu Recht misstrauen. Obendrein werden die Folgeprobleme Merkelscher Migrationspolitik für Deutschlands Parteiensystem und gesellschaftlichen Zusammenhalt immer sichtbarer.

Zwar kann man diese Fehler inzwischen öffentlich kritisieren, ohne gleich als Rechtspopulist aus Medien und öffentlichen Diskursen verbannt zu werden. Mit Angela Merkel aber bringt man derlei tunlichst nicht in Verbindung. Es war einfach der Zeitgeist, dem doch „wir alle“ gefolgt sind; und inzwischen „aufgewacht“, fänden wir die Welt verändert vor.

Doch deren Wirkungszusammenhänge sind die gleichen geblieben; sie erweisen sich nur als anders, als viele das einst wahrhaben wollten. Und an eben jener illusionären Welt hat Merkel viele Entscheidungen ausgerichtet.

Das Dilemma der Union

Zwar tat sie das auf eine informelle Allparteienkoalition gestützt, die von der Linken bis weit in die CDU reichte. Auch rechtfertigten die meisten einflussreichen Medien Merkels Politik. Also decken weitverbreitete Wünsche, die eigenen Fehler vergessen zu machen, auch die Fehler der Altkanzlerin.

Doch zumindest die CDU wird einer Debatte über ihre Rolle zu Merkels Zeiten auf Dauer nicht entgehen können. War diese Partei ein Mitläuferverein politischer Opportunisten? Oder haben sich in ihr Sach- und Personalbestände an weiterhin nutzbarer politischer Vernunft erhalten? Diese Frage ist keineswegs nur Vergangenheitsbewältigung, sondern weist vielmehr nach vorn. Denn nur eine solche Union wird gegenüber der nun vielfach vom Merkel-Kurs abrückenden Ampelregierung eine glaubwürdige Opposition sein können, die sich von Merkels Fehlern nicht nur distanziert, sondern das durch geeignete Personalentscheidungen auch verstetigt.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentare

Michael Holz am 25.04.22, 22:51 Uhr

Meinen Vorkommentatoren (allen) kann ich nur zustimmen. Herr Patzelt, Ihre Überschrift hat keine Bedeutung, Sie hätten fragen müssen, "Wann wird Merkel eingesperrt?"
Ich weiß und ich kenne die Antwort, in diesem (ihren) Land mit den bereits dort länger Lebenden, niemals.

Karl-Heinz Terpelle am 23.04.22, 16:31 Uhr

Der Artikel hätte auch die Überschrift tragen können:"Verrat der CDU und der Medien an der Demokratie und dem Souverän, dem Wähler".
Mit ihrem vernichtenden Urteil "weil es Edelfedern und Talkmastern unangenehm wäre...und weil sie nicht erdulden wollen, dass Merkel für irrtümlich erklärt, was Großjournalisten einst selbst mit vernichtender Verachtung für Widerspruch vertreten haben?" legen Sie eine der Sünden unserer verfaulenden Demokratie, den Obrigkeitshörigen Journalismus und die zum Totalitären übergetretenen Medien bloß.
Daran, daß Merkel und die CDU 16 Jahre zum Unheil Deutschlands, wie eine absolutistische Alleinherrscherin schalten konnte, kann man - was an Prof. Patzelts ansonsten sehr mutigen und schlüssigen Analysefehlt - das Elend und den Geburtsfehler der repräsentativen Demokratie ablesen. Das ist vorgegeben durch unser fluchbeladenes, Demokratie vortäuschendes repräsentatives Demokratiemodell. Vorgegeben auch dadurch, daß der Wähler einer als sich als Medien ausgebenden Propagandaindustrie ausgeliefert ist, die das ganze Jahr undemokratischen Wahlkampf zum Machterhalt macht, wichtigste Nachrichten unterschlägt und mit an totalitäre Staaten erinnerndem Bashing von Andersdenkenden vor keiner Lüge zurückschreckt.
Dieser Geburtsfehler äußert sich darin, daß der gewählte Parlamentarier durch die Entkoppelung von Mandats-Ausübung und Verantwortlichkeit für seine Taten, durch die Realität unserer Parteiendemokratie verführt bis gezwungen ist die Interessen seiner Partei über das Allgemeinwohl zu stellen.
Auch das a.a.O. v. Professor Patzelt angeführte Gegenargument, „er wird ja dann nicht wiedergewählt“ zieht nicht, denn er wird vom nächsten 3-Jahres-Absolutherrscher abgelöste und immer so weiter.
Von Ihnen nicht erwähnt ist die Etablierung von Filterblasen, die eine konstruktive Diskussion der politischen Richtungen mit der Darlegung der negativen Folgen unmöglich macht und die eine wirkliche Gegenmeinung nicht zu Worte kommen lassen - höchstens in Form einer Entstellung duch käufliche Medien-Kreaturen, eine weitere Untat der gegenwärtigen Elitengegen eine funktionierende Demokratie.
Einer der Befunde im Beitrag ist unverständlich: "Da machte man sich energiepolitisch von einem Angebotsmonopolisten abhängig, auf den man im Konfliktfall keinen verlässlichen Einfluss hat." Sie Herr Professor befürchten also nicht den Einfluss des Energielieferanten auf uns, sondern bedauern daß wir selbst als Deutschland, keinen Einfluß, also keine Erpessungsmöglichkeit zu haben. Hätten wir denn Einfluß ohne das Nordstream-Gas? Die US-amer. Sanktionen der Nord Stream 2 Pipeline zeigen wohl keine Abhängigkeit, gar feinliche Akte noch dazu von einem Verbündeten, der uns immer dann verteidigt wenn wir nicht angegriffen werden, der sogar dafür sorgt, dass wir in ernste Schwierigkeiten mit unseren näheren oder ferneren Nachbarn und Handelspartnern kommen?
Abschließend, entgegen Prof. Patzelts rudimentären Hoffnungen bezügl. politischem Überleben der CDU:
Die dem Klüngel der Deutschland-Spalter um Adenauer zugehörige CDU gehört auf den Müllhaufen der deutschen Geschichte und sie zeigte das jede Legislatur erneut aber jetzt in besonderer Schärfe und Dringlichkeit.

Jan Kerzel am 21.04.22, 14:51 Uhr

Frau Merkel hat ihren Job gemacht. Stets hatte sie eine Mehrheit weit über ihr Regierungslager hinaus. Noch 2022 wurde mit Steinmeier ein Merkel- Freund und Merkel-Unterstützer mit breiter Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt. Die CDU/ CSU fand es richtig, einen SPD- Mann zu wählen. Kritiker dieses gemeinsamen Kurses wurden scharf angegangen. Frau M. war mit ihrer Politik nie alleine, sondern immer bestens eingebunden und abgesichert. Man erinnert sich mit einer gewissen Beklemmung an die Beifallsorgien auf den CDU-Parteitagen.

Gregor Scharf am 21.04.22, 13:05 Uhr

Sie hat geliefert, wie bestellt. Was soll man da noch reden oder nachtreten? Es hat hinreichend warnende Stimmen aus der Bevölkerung, von Verbündeten, von Drittstaaten, aus der Wirtschaft und nicht zuletzt aus der Opposition gegeben. Die Gleichschaltung der Medien und der Kult um "Mutti" taten ihr Übriges, um die Massen zu blenden. Gegenstimmen wurden sofort eliminiert und bis auf den heutigen Tag gibt es kein Gerichtsverfahren wegen ihres Auftrittes mit der Bundesfahne. Allein dieser hätte in einem Staat, dessen Volk ein Nationalbewusstsein hat und die Liebe zur Heimat lebt, ausgereicht, um sie aus dem Amt zu jagen. Jetzt wird auch deutlich, weshalb die Yankees ihr nicht über den Weg trauten und ihr Handy abhörten.
Von aussen belagert, von innen zerrieben, versuchen sie es endlich kaputt zu kriegen - Deutschland - und bemerken dabei nicht, dass sie die Axt an die Wurzel ihrer eigenen Lebensgrundlagen legen.

E. Berger am 21.04.22, 12:35 Uhr

Wenn Merkel eines richtig gemacht hat, dann war es die Beschaffung günstigen Erdgases aus Russland. Herr Patzelt hat anscheinend nicht mitbekommen, dass es unsere eigene Entscheidung war, Nordstream 2 stillzulegen und später auf russisches Gas ganz zu verzichten.
Dann sollte man auch nicht vergessen, dass unsere amerikanischen Freunde den Grundstein für den Ukraine-Krieg gelegt haben, indem sie den NATO-Beitritt der Ukraine betrieben und diese masslos aufgerüstet haben.

Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS