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Analyse

Pistorius´ Einknicken

Eine Ergänzung des bestehenden Bundeswehr-Traditionserlasses sollte auch die Erinnerung an einzelne Wehrmachtsoldaten wieder ermöglichen. Doch schon nach kurzem Gegenwind wurde der Vorstoß abgebrochen. Zurück bleibt ein abermals brüskierter Minister

Richard Drexl
21.08.2024

Seit seinem Amtsantritt steht Verteidigungsminister Pistorius mit großem Abstand ganz oben auf der Liste der beliebtesten Politiker. Mit klaren Ansagen und einer unverkrampften Nähe zu den Soldaten hat er nicht nur die Armee hinter sich gebracht. Einige Entscheidungen aus seinem Hause passen aber nicht ins Bild.

Das aktuelle Beispiel einer zweifelhaften Volte betrifft die Erinnerungskultur. Einer Bundeswehr-internen Weisung vom 12. Juli 2024 zufolge sollten vor dem Hintergrund der „Zeitenwende“ und des Krieges in der Ukraine auch einzelne Militärs der Wehrmacht wieder als „traditionsstiftende Beispiele militärischer Exzellenz“ gelten können. Sie sollen sich als besonders kriegstüchtig erwiesen und zudem die Bundeswehr geprägt haben. In jeder anderen Gesellschaft und in jeder anderen Armee wäre dies selbstverständlich. Die Bundeswehr der Anfangszeit wurde durch ehemalige Wehrmachtssoldaten geprägt, nicht wenige gelten zurecht als Vorbilder. Was denn auch sonst?

Nach individueller Prüfung in sogenannten Personalgutachterausschüssen waren damals rund 40.000 bewährte Wehrmachtssoldaten nach gründlicher Abwägung zwischen etwaiger persönlicher Schuld und militärischer Leistung in den Dienst der Bundeswehr übernommen worden. Ihre Kriegs- und Organisationserfahrungen waren im Kalten Krieg unentbehrlich. Als Beispiele seien aus der Anlage der Weisung vom 12. Juli genannt: Generaloberst Kurt Freiherr von Hammerstein-Equord, Chef der Heeresleitung bis 1933 mit späteren Kontakten zum militärischen Widerstand. Ferner General Dr. Karl Schnell, der es als ehemaliger Frontoffizier im Zweiten Weltkrieg später bis zum NATO-Oberbefehlshaber und zum Staatsekretär im Verteidigungsministerium gebracht hat. Mit ihren militärischen Fähigkeiten und Leistungen dienten sie als Vorbilder der jungen Truppe und prägten mit ihrem Beispiel die Innere Führung mit dem Konzept des Staatsbürgers in Uniform.

Die in Rede stehende Erweiterung entsprach auch dem Traditionserlass von 2018, wonach die Wehrmacht als Ganzes als nicht traditionswürdig bezeichnet wird, jedoch einzelne Soldaten in das Traditionsgut der Bundeswehr aufgenommen werden können.

Doch im links-grünen Deutschland löste die erweiterte Auslegung des gültigen Traditionserlasses umgehend eine Debatte aus. Für den Historiker Jürgen Zimmerer läuft dieses Papier „allem zuwider, was erinnerungskulturell seit der Wehrmachtsausstellung geschehen ist“. Die Berliner „taz“ reagierte mit einem Kommentar von Günter Knebel von der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Wehrmachtssoldaten zu würdigen, sei generell problematisch, damit würden sie aufs „rein Soldatische“ reduziert: „Hier wird der Kontext außer Acht gelassen, in dem die Soldaten gekämpft haben“, kritisiert er. Dies ist in den Beispielen der ergänzenden Hinweise aber gerade nicht der Fall. Das „rein Soldatische“ war sowohl bei Übernahme in die Bundeswehr als auch im Verlauf der späteren Karriere lediglich ein Kriterium unter vielen bei der Bewertung der jeweiligen Persönlichkeit.

Denkwürdig ist jedoch vor allem die Reaktion des Ministeriums. Schon wenige Stimmen reichten aus, dass der Erlass mit schuldvoller Miene zurückgezogen wurde. Dem Sprecher des Hauses zufolge seien mit den ergänzenden Hinweisen „Bezüge hergestellt“ worden, „die sich jetzt in der Rückschau so nicht als förderlich herausgestellt haben“. Wie blamabel! Den Erlassgeber der Weisung, Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte, lässt man düpiert im Regen stehen. Dabei musste jedem Beteiligten klar sein, dass der Vorstoß auf Kritik stoßen würde.

Im Übrigen kann nach aller Erfahrung angenommen werden, dass die Weisung im Ministerium abgestimmt war. Dafür spricht allein der Verteiler bis in die Leitung des Hauses einschließlich der Staatssekretäre. Wo war eigentlich der Generalinspekteur in dieser Angelegenheit – und wo der Minister? Ist es nicht vornehmste Aufgabe von Vorgesetzten, sich vor Mitarbeiter zu stellen und diesen bei Gegenwind den Rücken zu stärken?

Apropos Minister. Der Rückzieher von Pistorius bei der geplanten Vereinfachung der ins Kraut geschossenen Organisation der Streitkräfte hat ebenfalls zu bitteren Kommentaren von Militärs geführt. Pistorius hatte sich von Beginn an die Vereinfachung der Bundeswehr-Organisation auf die Fahne geschrieben, insbesondere die Verantwortlichkeit im Einsatz sollte wieder in eine Hand gelegt werden.

Doch aus einer schlankeren Streitkräftestruktur wird erst mal nichts. Die aufgeblähten Organisationsbereiche Streitkräftebasis und Sanitätsdienst werden zwar aufgelöst, jedoch ein neuer – noch größerer – Unterstützungsbereich gegründet. Es bleibt damit bei hohlen und schwammigen Strukturen, die noch hinter das „Eckpunkte-Papier“ der früheren Ministerin Kramp-Karrenbauer zurückfallen. Demnach sollte das Heer unter anderem die Zuständigkeit für Feldjäger und ABC-Abwehr zurückerhalten. „Übe wie du kämpfst“ hat die Devise zu lauten, damit für den scharfen Einsatz nicht die Organisation umgestellt werden muss. Kriegsnahe Ausbildung und Übungen bleiben nun weiterhin Wunschdenken.

Weshalb aber hat der Verteidigungsminister die tiefgreifende Reform der Streitkräftestrukturen aufgegeben? Dafür genügte der Einspruch eines „Unterausschusses des Gesamtvertrauenspersonenausschusses beim Bundesministerium der Verteidigung“. Gewerkschaftsnahe Verteilungskämpfe um Dienstposten, Macht und Einfluss, reichten also aus, in dieser zentralen Frage beizudrehen. Wer auf die Pfeife von Personalräten hin reagiert muss sich nicht wundern, wenn der Bewegungsspielraum gegen Null tendiert.

Und die Folgen? Kampfverbände werden sich auch künftig knappe Unterstützungskräfte wie Fernmelder und Logistiker für den Einsatz zusammensuchen müssen. Ein absolutes Unding für eine Armee, die wieder abwehrbereit werden muss. Ämter und Stäbe mit wohl geheizten Büros bleiben dick, fett und zahlreich, und die Kampftruppe wartet vergeblich auf Verstärkung. Von wegen Kriegstüchtigkeit: Minister Pistorius lässt intern konsequente klare Linien vermissen.

Richard Drexl ist Oberst a.D. und seit 2014 Präsident des Bayerischen Soldatenbundes 1874 e.V. Zuletzt erschien „Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr in der Krise“ (FinanzBuch 2021). www.m-vg.de


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