29.03.2024

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Königsberg

Russen investieren in „Betongold“

Seit dem Frühjahr erlebt das nördliche Ostpreußen einen Immobilienboom – Auch Altbestand ist gefragt

Jurij Tschernyschew
11.11.2020

In diesem Jahr gibt es in Königsberg zwei Erscheinungen, mit denen niemand gerechnet hatte. Die erste war der Touristenboom, die zweite betrifft den Immobilienmarkt.

Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten die Immobilienspezialisten eine Stagnation des Markts vorausgesagt. Angesichts steigender Preise für Grundnahrungsmittel, wirtschaftlicher Rezession, des Verlusts von Arbeitsplätzen und dem Konkurs von Unternehmen wäre dies auch zu erwarten gewesen.

Im Königsberger Gebiet ist allerdings das Gegenteil eingetreten. Das Interesse an Immobilien ist gestiegen. Sowohl Neubauten als auch Bestandsimmobilien sind stark nachgefragt. Das hat bereits zu einer Verknappung des Angebots geführt. Es ist auch schwieriger geworden, in Altbauten eine Wohnung zu finden.

Vorzugshypotheken eingeführt

Einen wesentlichen Einfluss auf die positive Entwicklung im ganzen Land hatte die Einführung von Vorzugshypotheken für Neubauten mit einem Zinssatz von 6,5 Prozent, galten doch bislang schon neun bis zehn Prozent Darlehenszins als attraktiv. Infolgedessen stieg das Volumen der im Juni 2020 für Königsberger Neubauten vergebenen Hypothekendarlehen im Vergleich zum Juni 2019 um 84 Prozent. Bis Mitte des Sommers waren die interessanten Angebote für Neubauwohnungen praktisch ausverkauft, sodass die Käufer sich auf Gebrauchtimmobilien konzentrierten.

Die Bauträger erkannten ihre Chance und erhöhten die Preise kräftig. Im Juni kosteten Rohbauwohnungen fast genauso viel wie schlüsselfertige Altbauwohnungen. Am Ende war es rentabler, ein wenig mehr zu bezahlen und eine frisch renovierte Wohnung zu kaufen. Auch die Verkäufer von Bestandsimmobilien profitierten vom Preisanstieg. Während der Faktor der Vorzugshypotheken für den Immobilienmarkt in der gesamten Russischen Föderation eine wichtige Rolle gespielt hat, gibt es im Königsberger Gebiet zusätzliche Faktoren, welche die Nachfrage weiter angekurbelt haben. Die Pandemie hat zu einem starken Interesse an der Bernsteinregion geführt. Vielen, die als Touristen kamen, gefiel es so sehr, dass sie beschlossen, eine Wohnung zu kaufen. Der Anteil des sogenannten emotionalen Einkaufens hat zugenommen. Während der Pandemie im April und Mai haben viele Menschen aus St. Petersburg, Moskau und Sibirien die Quarantänemaßnahmen im nördlichen Ostpreußen „ausgesessen“ und dabei festgestellt, dass sie sich hier recht wohl fühlen. Also beschlossen sie, entweder nur eine Wohnung zu kaufen oder gleich hierher umzuziehen.

Das Königsberger Gebiet erfreut sich allgemein großer Beliebtheit. Während in anderen Regionen der Russischen Föderation die Nachfrage nach Bestandsimmobilien tatsächlich gesunken ist, wie von den Experten erwartet, ist sie in Königsberg weiterhin hoch. Die Preise für bereits bestehenden Wohnraum stiegen beispielsweise im August um durchschnittlich 11,5 Prozent. Im Durchschnitt kostet ein Quadratmeter in einem Altbau jetzt umgerechnet gut 760 Euro.

Nachfragehoch trotz Preiserhöhung

Zu bedenken ist, dass auch der Wechselkurs des Rubels zum Euro in dieser Zeit um etwa 20 Prozent gefallen ist, sodass sich die Kosten pro Quadratmeter Wohnfläche in Euro nicht wesentlich verändert haben. Darüber hinaus sind die Preise für andere Waren und Dienstleistungen im vergangenen Jahr noch stärker gestiegen. Selbst wenn sich ein Ende der Nachfrage und der emotionalen Käufe abzeichnen sollte, wird ein stabiler Besucherzustrom ausreichen, um den Markt zu stützen und sein Wachstum zu sichern. Daher suchen Käufer jetzt zunehmend nach bereits fertiggestellten Wohnungen mit Möbeln und Geräten, um sofort einziehen zu können.

Auch die Struktur der Immobilienkäufer im Königsberger Gebiet hat sich radikal verändert. Waren es früher zu 80 bis 90 Prozent lokale Käufer, werden heute bis zu 75 Prozent der Wohnungen von Bewohnern anderer Regionen der Russischen Föderation gekauft. Außerdem kommen immer mehr Käufer aus den fernöstlichen Regionen. Da mit den Zinssätzen für Hypothekenkredite auch die Zinssätze für Bankeinlagen gesunken sind, investieren immer mehr Russen in „Betongold“, da es unrentabel geworden ist, sein Geld bei den Banken zu halten.

Dies gilt umso mehr, als in einigen sibirischen Städten, in denen Öl und Gas gefördert wird, und auch in Moskau und St. Petersburg die Gehälter um ein Mehrfaches höher sind als beispielsweise in Königsberg. Daher scheinen die Preise für Wohnungen im Königsberger Gebiet für die Bewohner dieser Regionen trotz der Preissteigerungen recht attraktiv zu sein.


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