13.12.2024

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Sinkende Kaufkraft

„Stirbt der Handel, stirbt die Stadt“

Handelsverbände und Konjunkturforscher schlagen wegen Geschäftsaufgaben Alarm – Unternehmen des „Non-Food“-Bereichs konnten sich nicht erholen

Hermann Müller
05.05.2023

Während der Jahre der Corona-Pandemie sind in Deutschland von 2020 bis 2022 jedes Jahr etwa 11.000 Läden aus dem Geschäftsleben verschwunden. Die Hoffnungen vieler Ladenbetreiber auf einen Aufschwung in der Zeit nach dem Auslaufen der Pandemie-Maßnahmen scheint sich nun oftmals nicht zu erfüllen.

Hohe Energiepreise und die Inflation haben dazu geführt, dass die Deutschen immer noch deutlich weniger konsumieren als vor der Pandemie. Mit voller Wucht zu spüren bekommt dies der Einzelhandel. In den Vorkrisenjahren 2015 bis 2019 lag die Zahl der Geschäftsaufgaben im Schnitt bei 5000 jährlich. Für dieses Jahr prognostiziert der Handelsverband Deutschland (HDE), dass 9000 Geschäfte für immer schließen werden.

Nach Angaben des Handelsverbands, sorgen bei den Unternehmen vor allem höhere Kosten für Druck auf Erlöse und Gewinne. „Zudem führt die hohe Inflation zu Kaufkraftverlusten bei den Verbrauchern“, so der HDE. Nach Angaben von HDE-Präsident Alexander von Preen ist vor allem der kleinbetriebliche Fachhandel im Bereich Non-Food (Nicht-Lebensmittel) betroffen.

Leergefegte Stadtzentren

Angesichts des Ladensterbens warnt der Verband vor den Folgen für die Innenstädte: „Ohne erfolgreichen Einzelhandel haben die Stadtzentren kaum Zukunftsperspektiven“, so von Preen. Der HDE-Präsident warnt: „Stirbt der Handel, stirbt die Stadt.“ Zum Gegensteuern schlägt der Handelsverband eine Gründungsoffensive vor: „Unbürokratische und schnelle Genehmigungsprozesse für Umbauten und Umwidmungen müssen ganz oben auf die Prioritätenliste“, so der Verbandschef. Der HDE wünscht sich zudem flächendeckend Ansiedlungsmanager. Bleiben Gegenmaßnahmen aus, dann könnte es aus Sicht des Handelsverbandes zu einer Kettenreaktion kommen, die zu noch mehr Leerstand in den deutschen Innenstädten führt.

Es ist fraglich, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich ein weiteres Ladensterben verhindern können. Fundamentale Daten sprechen dafür, dass die vom Handel schon seit der Corona-Pandemie erhoffte Kehrtwende ausbleibt und sich der Abwärtstrend zunächst weiter fortsetzt.

Im März fiel der Umsatz im Einzelhandel nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um 1,3 Prozent geringer aus als im Vormonat. Inflationsbereinigt sank der Umsatz der Händler im Vergleich zum Februar sogar um 2,4 Prozent. Zieht man den März 2022 zum Vergleich heran, dann musste der Einzelhandel sogar ein reales Umsatzminus von 8,6 Prozent verkraften. Diese Zahlen spiegeln eine sinkende Kaufkraft der deutschen Verbraucher wieder.

Umsatzverluste spiegeln Einkommensrückgänge

Für Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) reflektiert der Rückgang der Einzelhandelsumsätze die fallende Kaufkraft der Privathaushalte durch Energiepreisschock und hohe Inflation. Dullien geht davon aus, dass das Konsumniveau des Jahres 2019 frühestens 2025 wieder erreicht wird. „Der Energie- und Nahrungsmittelpreisschock bedeutet damit ein halbes verlorenes Jahrzehnt für die deutschen Konsumentinnen und Konsumenten“, so der Volkswirt gegenüber der „FAZ“.

Tatsächlich mussten Deutschlands Arbeitnehmer 2022 bereits zum dritten Mal in Folge ein Sinken der Reallöhne verkraften. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes sind im vergangenen Jahr zwar die Nominallöhne um 3,5 Prozent gestiegen, die Inflationsrate lag aber fast doppelt so hoch. Unter dem Strich bedeutete dies für die deutschen Arbeitnehmer ein Sinken des Reallohns um mehr als drei Prozent im Vergleich zum Jahr 2021. Der Wert bedeutet die stärkste Schrumpfung seit Beginn der Statistik im Jahr 2008.

Nach Prognose von Ökonomen müssen sich die Arbeitnehmer hierzulande mittlerweile sogar auf das vierte Jahr in Folge mit Reallohneinbußen gefasst machen. Auch die Bundesbank geht erst im kommenden Jahr wieder von steigenden Reallöhnen aus. Bei dieser Prognose verweist die Bundesbank auf eine Entwicklung, die schon länger befürchtet worden war. Demnach kommt es inzwischen zu sogenannten Zweitrundeneffekten.

Dabei heben Unternehmen ihre Preise noch weiter an, weil sie über hohe Tarifabschlüsse mehr Personalkosten tragen müssen. Im Vergleich der Kaufkraft in den drei deutschsprachigen Ländern ist die Bundesrepublik mittlerweile sogar hinter Österreich zurückgefallen. Laut einer Untersuchung des Konsumforschungsunternehmens GfK liegt die Schweiz mit einer jährlichen Pro-Kopf-Kaufkraft von 49.592 Euro weiterhin unangefochten vorn. Die Menschen in Österreich kommen inzwischen allerdings auch auf einen durchschnittlichen Jahreswert von 26.671 Euro und überholen damit die Bundesdeutschen mit einem Durchschnittswert von 26.271 Euro.


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