12.12.2024

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Der Wochenrückblick

Überall Chancen

Wie sich Europa in der Krise bewährt, und wie man das Volk geschickt an den Pranger manövriert

Hans Heckel
19.12.2020

Eine Krise ist immer auch eine Chance. Dieser gute alte Spruch birgt das Geschenk der Hoffnung in trüber Zeit: Ja, es ist schlimm, und wir müssen uns ganz schön ins Zeug legen, Opfer bringen, Einbußen hinnehmen. Aber am Ende wird nicht alles umsonst gewesen sein, wir kommen nämlich größer und besser da heraus, als wir hineingestolpert sind, wenn wir die Möglichkeiten erkennen und klug nutzen. Das hat doch was Tröstliches, finden Sie nicht?

Eine große Chance der Corona-Krise nutzen wir, indem wir erkennen, dass „wir in Europa noch enger zusammenrücken müssen“, lautet eine dieser lichten Hoffnungsbotschaften, die man uns ins dunkle Maskental sendet. Und es war keine hohle Floskel, Europa (also die EU) geht den Weg der Geschlossenheit! Während ein Land nach dem anderen mit dem Spritzen des deutsch-amerikanischen Impfstoffs beginnt, ist ein nationaler Alleingang Deutschlands „nicht erwünscht“, wie wir aus dem Spahn-Ministerium erfahren. Also warten wir geduldig ab, bis die EU-Bürokratie ihr Ei legt.

Nun ja, geduldig? Das ist vielleicht übertrieben. Denn die deutsche Öffentlichkeit ist schon etwas irritiert: Monatelang wurde uns der Beginn der Impfungen als Moment der Erlösung angepriesen. Nun aber, wo er da sein könnte, der Moment, stellt sich heraus, dass die Politik mit ihren Entscheidungen dafür gesorgt hat, dass sich der Prozess um Wochen verzögert. Alle kratzen sich da am Ohr und fragen sich, ob das wahr sein kann.

Eine schwierige Situation, zumal für die EU-begeisterten Politiker. Viele von ihnen, die eben noch gar nicht „europäisch“ genug sein konnten, wollen daher plötzlich nicht mehr an ihr Geschwätz von gestern erinnert werden und schleichen sich heimlich vom Acker, indem sie auf den baldigen Impfbeginn pochen, dafür sogar den eben noch verpönten „nationalen Alleingang“ nun selbst propagieren oder zumindest auf die zuständige EU-Behörde eindreschen.

Doch was soll das Getöse! Alles hat sein Gutes, selbst politsches Versagen kann vielversprechende Früchte tragen, gerade dann, wenn die Verursacher das niemals vorhatten. Zur Impfkampagne kursieren ja durchaus verschiedene Meinungen, auch wenn etablierte Parteien und ihre flankierenden Medien wie üblich nur eine kennen. Die fiese Brut der „Impfkritiker“ jedenfalls dürfte es als einen (wenn auch frivol egoistischen) Vorteil erachten, dass die EU nicht in die Hufe kommt. Schließlich probieren deshalb andere für uns erst einmal aus, was das Wunderzeug neben dem Corona-Schutz an Nebenwirkungen mit sich bringt.

Was sagen eigentlich die Deutschen dazu? Deren Vertrauen zur staatlichen Corona-Politik ist immer noch respektabel, es schrumpft aber bedenklich dahin, wie Umfragen zeigen. Woran mag das liegen? Vermutlich wollen immer noch viel zu viele Bundesbürger nicht nur gehorchen, sondern auch verstehen, warum dies oder das beschlossen wird.

Diesen Wunsch immerhin hat die Politik verstanden und gibt uns Nachhilfe. Erst wurde bekanntlich das lockere Zusammenstehen beim Glühwein zum nationalen Pandemieherd hochgejazzt, dann war das angebliche Gedränge in den Läden schuld, erklärte man uns Bürgern. Und wir glotzten bloß: Welches Gedränge denn? Die Einzelhändler stöhnen seit Schließung der Gastronomie über krasse Umsatzrückgänge, vor kleineren Geschäften mussten die Leute in der Kälte ausharren, bis sie endlich eingelassen wurden, weil nur ganz wenige Kunden gleichzeitig durch den Verkaufsraum schlurfen durften. Soll heißen: Das Gedränge gab es gar nicht.

Dieser Sachverhalt ist natürlich ein Problem für eine Politik, der ihre „Glaubwürdigkeit“ über alles geht. Also beschlossen die Kanzlerin und ihre Vasallen, „Ministerpräsidenten“ genannt, am Sonntag einen Lockdown für den folgenden Mittwoch. An den beiden letzten Verkaufstagen, so die offenkundige Hoffnung der findigen Entscheider, musste es doch zu dem herbeigesehnten Gedränge kommen, das man benötigte, um hinterher sagen zu können, wie unabwendbar der Entschluss zum Dichtmachen war.

Die Drängeltage werden der Politik auch künftig von unschätzbarem Nutzen sein. Sie bieten nämlich einen wunderbaren Ausweg, um von eigenem Versagen oder Nichtstun abzulenken: Längst schieben Merkel, Söder und Freunde die Schuld an schlechten Corona-Nachrichten elegant auf das Volk, den großen Lümmel, der mal wieder nicht „diszipliniert“ genug gewesen sei. Sollte es Anfang Januar zu einem Anstieg der positiven PCR-Testzahlen kommen, kann man anprangern, dass „viele Bürger leider so unvernünftig waren, am 14. und 15. Dezember die Läden zu stürmen, weshalb jetzt ganz Deutschland unter höheren Corona-Zahlen leiden muss“.

Ja, so geht „Verantwortung in der Politik“ heute: Locke den Pöbel listig in ein Nadelöhr und beschwere dich dann darüber, dass die Idioten sich beim Hindurchschlüpfen viel zu nahe gekommen seien. Um der Sache die zynische Krone aufzusetzen, garnierten etliche Politiker ihren eigenen Lockruf noch mit der Mahnung, diesem Ruf aber bloß nicht zu folgen und an jenem Montag und Dienstag zu Hause zu bleiben.

Indes weiß immer noch kein Mensch, ob es beim Einkaufen (oder im Restaurant oder in der Kneipe) überhaupt zu höheren Ansteckungsraten gekommen ist. Seit dem Frühjahr sehen die Offiziellen konsequent davon ab, die Ansteckungsquellen flächendeckend wissenschaftlich erforschen zu lassen. Als der Virologe Hendrik Streeck im Frühjahr auch nur für den Landkreis Heinsberg eine solche Studie gemacht hat, wurde er bekanntlich übelst dafür angefeindet. Mit gutem Grund: Denn solange niemand etwas Genaueres weiß, kann man jede beliebige Schurigelei der Bürger mit „Corona“ rechtfertigen.

Um Beweise für die entsetzliche Unvernunft der Deutschen zu sammeln, hat man auch das Böllerverbot entsprechend ausgestaltet. So ist es zwar verboten, Knallkörper und Raketen zu verkaufen, was mal eben eine ganze Branche in den Abgrund stürzt. Böllern dürfen wir aber trotzdem.

Womit? Mehr denn je werden in den Tagen vor dem Jahreswechsel dunkle Rauchwolken aus Hobbykellern steigen oder Dachböden wegfliegen, weil der Selbst-ist-der-Mann-Pyrotechniker einen tragischen Fehler beim Bombenbau begangen oder vergessen hat, dass man bei dieser Tätigkeit besser nicht rauchen sollte.

Auch dürfte der heimliche Import von Spaßbomben diffuser östlicher Herkunft sprunghaft zulegen. Darunter jede Menge Kaliber, die man in Deutschland eigentlich nicht kennt, weil Dynamitfischen bei uns verboten ist. Wie immer gilt: Wo der legale Markt verstopft wird, blüht der Schwarzmarkt.

Was das bringen soll? Nun, sobald die ersten Meldungen von den vielen Pyro-Opfern dieser Jahreswende umgehen, kann die Politik sie als Beweis dafür nehmen, dass man den Deutschen aber auch alles vorschreiben oder verbieten muss, weil die selber zu doof sind – und wieder lässt sich aus einer Krise etwas Gutes gewinnen.


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Kommentare

Wilhelm Holbach am 06.01.21, 20:28 Uhr

Wenn mich jemand nach meinem Lieblingsjournalisten fragen würde, die Antwort wäre klar: Hans Heckel.
Bin geradezu süchtig nach Ihren Wochenrückblicken!

pol. Hans Emik-Wurst am 28.12.20, 12:03 Uhr

Die Böllertoten werden auf Corona gebucht, was um drei Ecken gedacht schließlich wahr ist.

Geht es noch schwachsinniger?
Wo sind die Kranken?
Wo sind die Toten?
Wo ist die Grippe?
Wo sind weitere andere Krankheiten?
Warum wurden die auf Corona umgebucht?

Glaube nur der Propaganda und Statistik,
die du selbst gefälscht hast!

Chris Benthe am 19.12.20, 23:08 Uhr

Danke für ein Jahr bester Kommentarqualität, Herr Heckel !
Danke für ein Jahr voller wunderbarer Berichte und Artikel über die deutschen Themen der Zeit und der Welt. Ich wünsche Ihnen und der Redaktion mußevolle Weihnachtstage und einen glücklichen Jahreswechsel.
Danke.

sitra achra am 19.12.20, 14:37 Uhr

Dann sollten die Feuerwerkspyromanen die Chance ergreifen, um vor den Wohnsitzen der Demokraten ihre überdimensionierten Polenböller zu zünden, damit diese Schleefs endlich mal aufwachen und den Unsinn und die Gefährlichkeit ihrer fragwürdigen Eingriffe in die demokratischen Rechte der Bürger zu korrigieren.
Auf Entschuldigungen ihrerseits können wir gerne verzichten, die Holzköppe sind und bleiben nicht glaubwürdig.

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