Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Deutschlands nordwestlichste Ecke mal ganz heiter betrachtet – Vorausgesetzt, es lauert nichts Todernstes hinterm Deich
Ich habe mich totgelacht“, bemerkt eine Touristin, „und ihr?“ „Hatten einen Mordsspaß“, antwortet ihr Gegenüber. In Ostfriesland liegen Klamauk, Kurioses, Klangvolles und Kriminelles oft eng beieinander.
Fußball im Watt, Schlickschlittenrennen oder Besenwurf-Wettkampf kündigt der Veranstaltungskalender im westlichsten Ostfrieslandzipfel Krummhörn an. Und im Örtchen Upleward dürfen sich Badegäste ausgerechnet auf der dem Meer abgewandten Seite vor dem Deich an einem „Trockenstrand“ sonnen. Man könnte meinen, die spinnen, die Ostfriesen. Von wegen. Das Unterhaltungspotpourri zwischen Norden-Norddeich, Greetsiel und Leer amüsiert und schaudert Touristen und Einheimische gleichermaßen.
Aufgepasst! Nahe der wuchtigen Kreuzkirche im friedlichen Warfendorf Pilsum steht ein „Sehr kleines Haus“. Ein Bühnensaal bietet Platz für 54 Besucher. Hausherr beziehungsweise Kommandant ist „Ausbilder Schmidt“ alias Holger Müller. Kurvte der Comedian einst seine Gäste bei launigen Landpartien in einem Lachbus durchs platte Land, lässt er jetzt auf der Hinterhaus-Wiese oder bei Schietwetter im Theatersaal zur „Lachbustour ohne Bus“ antreten. Statt Landrundfahrt gibt es zum Finale einen Dorfrundgang.
„Stillgesessen“, pfeift der in einen Panzer verliebte Krieger mit Barett, Nahkampfhose und mit Sonnenbrille im Saal seine Gäste an. Er komme zwar ohne Waffe, aber mit dem Spezialauftrag, seinem Publikum mit Lachsalven einzuheizen. Im Foyer macht der Befehl „Abmarsch“ die Runde. Schluss mit lustig? Denkste! Beim Dorfspaziergang kursieren Witze wie: Was macht ein Ostfriese mit einem Messer auf dem Deich? Er will in See stechen.
Wenn schon Witze, dann mit einer Prise Witzelogie, also urkundlicher Ahnenforschung, meint ein Teilnehmer. Dass Ostfriesen den Ostfriesenwitz ganz alleine erfunden haben, sei jedenfalls ein Witz. Ostfriesische und Oldenburger Gymnasiasten waren es, die 1968 bei einem Schulausflug in einer West-Berliner Herberge dem Alkohol frönten und gegenseitig ihre Herkunftsregionen durch den Kakao zogen. Je voller die Gläser, umso doller die Zoten: Warum zieht ein Ostfriese ein Seil von Emden nach Oldenburg? Antwort: Schieben geht nicht.
Ottifanten grunzen zur Begrüßung
Zurück im oldenburgischen Ammerland veröffentlichte der spätere Professor und Angstforscher Borwin Bandelow die Sprüche im Schülerblatt und karikierte den „Homo ostfrisiensis“ als trotteligen Hinterwäldler. Mit Hilfe des selbstironischen ostfriesischen Blödelbarden Otto Waalkes zahlte sich der Nonsens Jahre später vor allem für den Tourismus und damit verbundene Grundstückspreise aus. Die „dösigen“ Friesen müssen fortan nicht mehr jeden Pfennig auf die Parkbank legen, um etwas Geld „auf der Bank“ zu haben.
Wenige Otto-Waalkes-Hüpfer vom Anleger entfernt verspricht „Dat Otto-Huus“ in Emden ein Stimmungshoch. Wer beim Betreten des Museums dem „Ottifanten“ zu nahe auf die Pelle rückt, muss sich zur Begrüßung von dem elefantösen Türwächter ein kehliges Grunzen und einen „gekotzten“ Wasserschwall in eine Schüssel gefallen lassen.
Kehrt der Besucher dann Kostümen aus dem Film „Catweazle“, Ottos Kinderstube oder Requisiten aus Jugendjahren den Rücken, kommt er vom Schmunzelkabinett ins Jux-Kino des Blödelbarden. Bei einem plötzlichen Juxausfall werden Sauerstoffmasken gereicht, denn sauer macht lustig, teilt der Komiker in der „Hausordnung“ mit.
An der Küste und der Binnenstadt Leer hört der Spaß auf. Krimiautoren wie Klaus-Peter Wolf und Peter Gerdes haben die Provinz in eine Welle von Blut und Gewalt getaucht, was im November zum ersten Mal in den „Krimi- & Gruseltagen“ mündet. Weil nirgends literarisch so fantasiereich gemeuchelt wird wie in Deutschlands Krimi-Hochburg, haben Wolf und der Tourismus-Service in Norden-Norddeich einen Raum für das „Kriminelle“ geschaffen. Im ersten Ostfriesischen Krimimuseum sind sogar die ständigen Original-Kulissen des Polizeikommissariats aus ZDF-Verfilmungen der Wolfschen Bestseller ausgestellt.
Eine Koje ist Gerdes gewidmet. In Leer wartet der Autor mit seiner Frau Heike am Anleger des Grachtenboots „Koralle“. Vorsicht: Mord an Bord! Als das Schiff zur kriminellen Hafenrundfahrt über das Flüsschen Leda gleitet, liest das Autorenduo abwechselnd aus ihren Thrillern. Zwischen Verrat, Inselmord, Ebbe und Blut kommen Passagiere nicht nur wegen der hochstehenden Sonne ins Schwitzen.
„Heel veel Spaaß“ im Meta
Wem nun Frieslands Mordwesten zu schaurig ist, trifft im Norddeicher Musikschuppen Meta auf gute Laune. Im rustikalen Ambiente der Kneipe hatte Ostfrieslands Jugend von 1960 bis Mitte der 1970er Jahre „heel veel Spaaß“. Lokalpatrioten vergleichen Meta sogar mit dem legendären Hamburger Star-Club, in dem die Karriere der Beatles begann. Immerhin schaffte es die Fischerstochter Meta Rogall aus dem Dorfkrug den für viele heißesten Jugendschuppen zwischen Hamburg und Amsterdam zu machen.
Unmittelbar hinterm Deich, wo nur wenige Meter weiter Nordseewellen an die Ufer klatschten, spielten Musikgruppen aus London und Holland. Die deutsche Band Scorpions, Birth Control und The Twilights sammelten hier erste Bühnenerfahrungen. Howard Carpendale gab als Teenager den Elvis und der ebenfalls noch unbekannte Otto trat mit seiner Band The Rustlers auf.
Im Alter von erst 59 Jahren starb die als „Mutter Courage der ostfriesischen Rockgeschichte“ gefeierte Pionierin. Selbst wenn schon ein paar Spinnweben an den Erinnerungen hängen – jede Sonnabendnacht geht es immer noch rund, dreht sich immer noch der Plattenteller bei Meta. Zwar ist die rustikale 70er-Jahre-Diskothek mit Fischernetzen und alten Ledersofas längst keine lukrative Club-Immobilie mehr, dennoch führt Sohn Sven am Plattenregler das Erbe seiner Mutter fleißig weiter. Wie lange noch, ist so ungewiss wie der Ausgang eines nicht zu Ende gelesenen Krimis. Noch jedenfalls haben Gäste und der Chef in dem wie aus der Welt gefallenen Musikschuppen einen Mordsspaß.