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Mit Traktoren gegen das GATT: Deutsche Bauern während der Uruguay-Runde 1992 auf der Autobahn
Foto: imago/bonn-sequenzMit Traktoren gegen das GATT: Deutsche Bauern während der Uruguay-Runde 1992 auf der Autobahn

Globalisierung

Vom GATT zur WTO – und weiter?

Vor 75 Jahren wurde das Abkommen zur Regulierung des Welthandels unterzeichnet. Die Zukunft der daraus entstandenen Welthandelsorganisation scheint fraglich

Erik Lommatzsch
25.10.2022

Am 30. Oktober 1947 wurde das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agree­ment on Tariffs and Trade, GATT) in Genf von 23 Staaten unterzeichnet, im darauffolgenden Jahr trat es in Kraft. Grundsätze des GATT – bessere Handelsbedingungen und leichterer Zugang zu Rohstoffen – waren in der Atlantik-Charta von 1941 verankert.

Ursprünglich waren die Pläne umfassender gewesen. Als Sonderorganisation der Vereinten Nationen sollte die bereits auf der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 konzipierte Internationale Handelsorganisation (ITO) etabliert werden. Während zwei andere wirtschaftspolitische Vorhaben, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank, realisiert werden konnten, scheiterte die ITO an den Vereinigten Staaten, die nicht bereit waren, die vor allem von den Entwicklungsländern geforderten Ausnahmen zu akzeptieren. Da allerdings schon eine Reihe von Zollregelungen ausgehandelt war, hielt man diese im GATT fest. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um eine Organisation, sondern lediglich um ein Vertragswerk, das auch die USA ratifizierten. Die Bundesrepublik trat dem Ganzen 1951 bei.

Insgesamt acht im Rahmen des GATT stattfindende Welthandelsrunden hatten insbesondere die Senkung der Zölle zum Gegenstand, um selbstdefinierte hochgesteckte Ziele wie Erhöhung des Lebensstandards, Vollbeschäftigung, steigende Realeinkommen, Erschließung aller Hilfsquellen sowie Steigerung von Produktion und Warenaustausch zu erreichen. Die Verhandlungen erstreckten sich zunehmend über Zeiträume von mehreren Jahren. Benannt waren die Runden nach dem Initiator oder dem Ort der Zusammenkünfte.

Insgesamt acht Welthandelsrunden

Tatsächlich wurden im Laufe der Jahre Zölle von durchschnittlich etwa 40 Prozent auf Prozentsätze im unteren einstelligen Bereich gesenkt. Nachdem in einigen Verhandlungsrunden, etwa in Torquay 1950/51 oder in Genf 1955/56, nur geringe Fortschritte erzielt worden waren, da die Positionen einzeln ausgehandelt werden mussten, wurde seit der „Kennedy-Runde“, die von 1964 bis 1967 stattfand, auf eine „lineare“ Zollsenkung gesetzt, was die Reduzierung aller Zölle um den jeweils gleichen Prozentanteil bedeutete. An der Tokio-Runde von 1973 bis 1979 konnten sich auch Nichtmitglieder beteiligen.

Zwei wesentliche Prinzipien wurden grundlegend für das GATT. Zum einen handelt es sich um die Meistbegünstigung. Dies bedeutet, dass die GATT-Partner die günstigsten Bedingungen, die sie einem der Partner gewähren, allen anderen ebenfalls gewähren müssen. Festgelegt wurde, dass Waren nach der Einfuhr aus anderen GATT-Ländern jeweils wie inländische Waren zu behandeln sind. Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung besagt, dass keine Sonderzölle, etwa aus politischen Gründen, auferlegt werden dürfen.

Als zweites Prinzip gilt die Liberalisierung. So wurde der Schutz der einheimischen Produktion durch Mengenbegrenzung oder die Erschwerung von Ein- und Ausfuhr untersagt, ebenso Exporthilfen oder Subventionen. Lediglich das Auferlegen der vereinbarten Zölle sollte erlaubt sein.

Die Vereinbarungen waren jedoch von Anfang an von zahlreichen Ausnahmen geprägt. So etwa war die Meistbegünstigungsklausel nicht auf Zollunionen und Freihandelszonen anwendbar. Für Entwicklungsländer galt seit 1965 das Allgemeine Präferenzsystem (GSP), in dessen Rahmen Handelsvorteile gestattet waren. Derartiges sollte sich als dauerhafte Hypothek für das GATT erweisen. Auch das Prinzip der Liberalisierung wurde mittels auslegbarer Klauseln und Sonderregelungen für bestimmte Fälle durchbrochen, etwa bei Schwierigkeiten hinsichtlich der Lebensmittel­versorgung.

Das seit dem 1. Januar 1948 in Kraft befindliche GATT, von Anfang an ein Provisorium, ging nach einer Neuaushandlung als wesentlicher Bestandteil in die Welthandelsorganisation (WTO) ein, die am 1. Januar 1995 ihre Arbeit aufgenommen hat. Unterzeichnet wurde das auch „GATT 1994“ genannte neue GATT-Abkommen im April 1994 in Marrakesch von 124 Staaten. Es gilt als Ergebnis der achten und letzten Runde des nunmehr als „GATT 1947“ bezeichneten alten Vertragswerkes. Die Verhandlungen, die schließlich zum GATT 1994 führten, waren von zahlreichen Differenzen gekennzeichnet, in erster Linie vom Agrarstreit zwischen der EG und den USA. Getagt wurde von 1986 bis 1994 in Uruguay.

GATT 1947 und GATT 1994

Die Bilanz zum Ende von GATT 1947 fiel gemischt aus. Der Beseitigung der handelshemmenden Zölle stand das Bestreben entgegen, protektionistische Ausnahmeregelungen zu erreichen. Auch waren die USA, ursprünglich starker Anwalt für den Freihandel, aufgrund eigener Handelsbilanzdefizite zunehmend stärker an Schutzmechanismen interessiert. Das 1994 abgeschlossene Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA), das unter anderem Namen bis heute existiert, stand den GATT-Bestimmungen dezidiert entgegen.

Unter dem Dach der WTO sind – neben dem GATT 1994 als Handelsabkommen – Fragen der Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) und des Patentschutzes (Trade-Related Intellectual Property Rights, TRIPS) geregelt. Erstmals trat eine Weltagrarordnung in Kraft. Zudem wurde der Streitschlichtungsausschuss (DSB) geschaffen. Für Entscheidungen ist ein Gremium von mindestens drei der auf vier Jahre gewählten Experten notwendig.

Von der Globalisierungseuphorie der GATT-Initiatoren ist wenig geblieben. Die erste und bisher einzige Welthandelsrunde nach Gründung der WTO, zugleich die neunte Welthandelsrunde insgesamt, die Doha-Runde, begann 2001 und gilt spätestens seit 2016 als gescheitert. Aufgrund einer Blockade der USA erfolgten zudem keine Nachbesetzungen im DSB, sodass das Streitschlichtungsgremium seit Dezember 2019 nicht mehr beschlussfähig ist. US-Präsident Donald Trump begründete die Blockade seinerzeit auch mit dem Argument, dass China nach WTO-Maßstäben als Entwicklungsland zähle und damit trotz seiner tatsächlichen wirtschaftlichen Stärke die entsprechenden Vorteile in Anspruch nehmen könne. Seit März 2021 steht die nigerianische Politikerin Ngozi Okonjo-Iweala als Generaldirektorin an der Spitze der WTO mit gegenwärtig 164 Mitgliedsstaaten. Dass die WTO als regulierende Weltorganisation eine Zukunft hat, scheint fraglich. Die gegenwärtige Tendenz zu Abkommen in kleinerem Rahmen ist unverkennbar.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 02.11.22, 09:03 Uhr

Regulierter Handel ist kein Freiheitshandel, es ist Sozialismus.

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