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800 Wörter Masurisch

Von „bschedda“, „kowera“ und „dschjad“

Siegmund R. Fröhlich hat den Klang der Sprache seiner Vorfahren aus der Erinnerung heraus festgehalten

Dagmar Jestrzemski
17.03.2020

In Masuren, dem südöstlichen Gebiet Ostpreußens, war Masurisch noch bis zum Zweiten Weltkrieg die Alltagssprache großer Teile der ländlichen Bevölkerung. Der Wortschatz dieses eigentümlichen Idioms ist zu rund zwei Dritteln der polnischen und zu einem Drittel der deutschen Sprache entlehnt.

Der Ursprung der masurischen Sprache liegt in der Ordenszeit. Sie entstand wahrscheinlich „als sprachliche Brücke zwischen den nach Mazury zugewanderten zwei Hauptethnien“, der slawischen und der germanischen. Diese Vermutung äußert Siegmund R. Fröhlich in seinem Buch „Masurische Wortschätze und Familiengeschichten. An der Tür meiner Erinnerungen“. Sein Buch hat Fröhlich, Jahrgang 1955, seinen Großeltern, Eltern und Verwandten gewidmet, die diese Sprache noch gesprochen haben, sowie all denen, die an ihr interessiert sind.

Die masurische Sprache ist untergegangen, aber doch noch nicht ganz. Der Autor ist einer von wohl nur noch sehr wenigen ehemaligen Spätaussiedlern, die ihren Klang noch gut in Erinnerung haben. Bis zu seiner Umsiedlung nach Nordenham/Unterweser im Jahr 1972 lebte er mit seinen Eltern im Osten Polens nahe der Grenze zu Weißrussland. Trotz seiner anfänglich nur rudimentären Deutschkenntnisse machte er 1975 Abitur, studierte und promovierte in Technischer Chemie. Er arbeitete in der Industrie und war anschließend 21 Jahre als Professor an der Fachhochschule Emden tätig.

Ferien bei den Großeltern verbracht

Seit seiner frühen Kindheit verbrachte er die Sommerferien zumeist auf dem Bauernhof seiner Großeltern in Ogrodtken bei Lyck [Elk]. Dorthin waren sie und einige andere Familienmitglieder 1945 nach der gescheiterten Flucht vor der anrückenden Roten Armee zurückgekehrt. Unter polnischer Herrschaft brach für sie und die übrigen in Masuren verbliebenen Deutschen erst nach Jahren eine friedlichere Zeit an, als die Regierung die Deutschen zu sogenannten „mazurskie autochtony“ (masurischen Ureinwohnern) erklärt hatte. Sie mussten allerdings ihre deutschen Pässe und Papiere abgeben und sich polnische Dokumente ausstellen lassen.

Als Richard Fröhlich nach seinem Eintritt in den Ruhestand mit der Sammlung masurischer Wörter begann, konnte er auf kein Buch oder Schriftstück zurückgreifen, um sich an der Schreibweise zu orientieren. Er kannte nur die lokal gefärbte Mundart seiner Großeltern und Verwandten, denen die masurische Sprache auch nur mündlich übermittelt worden war. 800 Wörter der „Mazurska Gwara“ oder „Mazurska Gadna“ hat er mit Unterstützung eines Onkels und mehrerer namentlich nicht genannter Personen gesammelt und in deutscher Phonetisierung aufgeschrieben. Die Substantive sind klein geschrieben. Durch Nachsprechen kann man sich somit eine Vorstellung vom Klang dieser Sprache machen. Einige Beispiele: tsejtunekk (Zeitung), zenitsch sje (heiraten), bschedda (Armut), kowera (Briefumschlag), dschjad (alter Kerl), gzjisdatsch (pfeifen). – Einzelne der aufgelisteten Wörter waren übrigens der Rezensentin des Buches, bekannt, weil ihre Mutter sie gelegentlich in ihre Rede eingestreut hat.

Besonders reizvoll an dem nun vorliegenden ersten masurisch-deutsch-polnischen Wörterbuch sind die vorangestellten, mit Fotos und passenden Wortköstlichkeiten angereicherten Familiengeschichten und Überlieferungen aus Ogrodtken. Letztere handeln von Bräuchen an Fest- und Feiertagen, von Leben und Arbeit auf dem Hof im Kreislauf der Jahreszeiten und uraltem Aberglauben. Zusätzliche Informationen zur Geschichte Masurens und seiner Sprache hat der Autor durch Internet-Recherche zusammengestellt. Auf der polnischen Internetseite zur Mazurska Gwara fand er ein masurisches Gedicht, das den Abschluss dieses kleinen, mit liebevoller Sorgfalt erstellten Bandes bildet.

Siegmund R. Fröhlich
„Masurische Wortschätze und Familiengeschichten. An der Tür meiner Erinnerungen“
Isensee Verlag, Oldenburg 2019, broschiert, 96 Seiten, 9,90 Euro


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