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Am 19. Dezember 2016 raste ein islamistischer Attentäter mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz. Fünf Jahre danach weiß die Öffentlichkeit noch immer wenig über die Hintergründe der Tat
Am Abend des 19. Dezember 2016 fuhr ein mit 25 Tonnen Baustahl beladener Sattelschlepper vom Typ Scania R 450 in die Besuchermassen auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche im Berliner Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Infolge dieses Terroranschlags starben zwölf Personen, nämlich Anna und Georgiy Bagratuni aus der Ukraine, Nada Cizmar aus Tschechien, Fabrizia Di Lorenzo aus Italien, Dalia Elyakim aus Israel sowie Sebastian Berlin, Christoph Herrlich, Klaus Jacob, Angelika Klösters, Dorit Krebs, Peter Völker und Sascha Hüsges aus Deutschland. Dazu kommen an die 170 Verletzte sowie der zuvor erschossene polnische Fahrer des Lkw, Łukasz Urban.
Täter mit vielen Identitäten
Als Alleintäter gilt der mehrfach vorbestrafte Tunesier Anis Amri alias Anis Amir, Ahmad Zaghloul, Ahmad Zarzour, Ahmed Almasri und Mohammad Hassan, der sich 2011 aus seiner Heimat nach Italien abgesetzt hatte und dann im Juli 2015 illegal nach Deutschland einreiste, wo er erneut Asyl beantragte. Allerdings gab es keine Anklage gegen den angeblichen Flüchtling, weil Amri nach dem Attentat über die Niederlande, Belgien und Frankreich nach Italien entkommen konnte, wo er schließlich am 23. Dezember 2016 in Sesto San Giovanni bei Mailand von den italienischen Streifenpolizisten Luca Scatà und Christian Movio anlässlich einer Routinekontrolle erschossen wurde – ganze vier Kilometer von Cinisello Balsamo entfernt, also dem Ort, in dem Lkw-Fahrer Urban einige Tage zuvor die Stahlträger geladen hatte.
Angeblich agierte der Attentäter als „Soldat des Islamischen Staates“ – so vermeldete es jedenfalls der IS-Nachrichtenkanal Amaq am 20. Dezember 2016, ohne freilich irgendeine Form von Täterwissen zu offenbaren. Von engen Verbindungen zum IS war indes auch schon vor dem Anschlag in zwei Warnungen des marokkanischen Geheimdienstes „Direction générale de la surveillance du territoire du Maroc“ (DGST) an die Adresse des Bundesnachrichtendienstes und des Bundeskriminalamtes die Rede. Die Schreiben vom 19. September und 11. Oktober 2016 zeitigten jedoch keine angemessenen Konsequenzen, obwohl das Landeskriminalamt NRW Amri seit März 2016 als „Gefährder“ führte und zeitweise observieren ließ.
Aufgrund dieses offenkundigen Behördenversagens wurden mehrere Untersuchungen eingeleitet. So unter anderem durch eine Arbeitsgruppe des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, das für die Geheimdienste zuständig ist, den Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, zwei parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Landtages von Nordrhein-Westfalen, einen Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses und den Sonderermittler des Berliner Senats, den vormaligen Bundesanwalt am Bundesgerichtshof Bruno Jost.
Mehrfaches Behördenversagen
Dabei kam der Bundestagsausschuss im Juni 2021 zu dem Schluss, dass es zahlreiche „individuelle Fehleinschätzungen und Versäumnisse wie auch strukturelle Probleme in den zuständigen Behörden“ gegeben habe, aufgrund derer der Attentäter nicht rechtzeitig unschädlich gemacht worden sei. Und Jost konstatierte angesichts des Vorgehens von Polizei und Geheimdiensten: „Da wurde alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.“ So wäre es sehr leicht möglich gewesen, die Erkenntnisse aus der Beobachtung Amris zu nutzen, um ihn wegen seiner Drogengeschäfte festzusetzen.
Doch das ist möglicherweise nur die halbe schockierende Wahrheit. Immerhin fand der frühere Polizist und nunmehrige Bestsellerautor Stefan Schubert auch zahlreiche Indizien dafür, dass man den Terroristen bewusst auf freiem Fuß beließ, weil der US-Geheimdienst CIA darum ersucht hatte. Denn der Tunesier pflegte Kontakte zu hochrangigen Mitgliedern des Islamischen Staates in Libyen, welche auf der Tötungsliste der Amerikaner standen. Und genau deren Stützpunkt wurde dann in der Nacht vom 18. zum 19. Januar 2017 mit Tarnkappenbombern und Kampfdrohnen attackiert. Konnte das Lager der Terroristen vielleicht deshalb lokalisiert werden, weil die Überwachung von Amris Handy-Verkehr die entsprechenden Hinweise lieferte?
Wenn dem so war, dann würden deutsche Politiker eine Mitschuld an dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt tragen, da die Sicherheitsbehörden Amri bestimmt nicht ohne Anweisung von oben hätten gewähren lassen.
Außerdem ergab ein Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel, welches im Auftrag des Bundestagsuntersuchungsausschusses entstand, dass die DNA-Spuren in der Fahrerkabine des Lkw auf die Anwesenheit eines zweiten Tatbeteiligten hindeuten, der das Fahrzeug statt Amri gesteuert haben könnte. Und tatsächlich verfügte der Terrorist seit Mitte 2010 über keine Lkw-Fahrpraxis mehr und soll angeblich trotzdem mit dem schweren Scania souverän durch den Berliner Feierabendverkehr gerollt sein. Als alternativer Fahrer kommt vor allem ein weiterer Tunesier namens Bilal Ben Ammar in Frage. Denn der war ganz offensichtlich an der Vorbereitung des Attentats beteiligt gewesen und traf Amri noch wenige Stunden vor dem Anschlag, was die deutschen Behörden sogar wussten. Trotzdem schoben sie Ammar am 1. Februar 2017 in einer überhasteten Nacht- und Nebel-Aktion nach Tunesien ab, wo er inzwischen im Gefängnis von al-Mornaguia einsitzt.
Offene Fragen
Dazu kommen noch weitere Ungereimtheiten: Wie gelangte Amris Handy hinter den Kühlergrill des Lasters? Wie realistisch ist es, dass der Tunesier allein zwischen April und September 2016 mit zehn verschiedenen Telefonen 7700 Gespräche führte, 10.200 SMS verschickte und 78.000 Internetseiten aufrief? Warum ignorierten Verfassungsschutz und Polizei den Hinweis eines V-Mannes, dem zufolge ein polizeibekannter libanesischer Clan in Berlin Amri die für den Mord an Urban verwendete Schusswaffe besorgt und dann ebenso noch bei der Flucht geholfen hat.
Von einer vollständigen Aufklärung der Hintergründe und Umstände des Weihnachtsmarktattentates vom 19. Dezember 2016 kann also auch fünf Jahre nach dem Ereignis nicht die Rede sein, was entweder auf fortgesetztes Staatsversagen hindeutet – oder auf gezielte Vertuschung.
Lesen Sie auch unser Interview mit der Sprecherin der Hinterbliebenen und Betroffenen vom 19. Dezember 2016, Astrid Passin.
sitra achra am 17.12.21, 19:11 Uhr
Da scheint etwas seit einigen Jahrzehnten aus dem Ruder gelaufen zu sein. Die Gesellschaft, falls sie als solche noch diesen Namen verdient, bekommt die Nachfolgegenerationen präsentiert, deren Erziehung sie selbst gründlich verbockt hat.
Nun befinden sich diese in allen wichtigen Schlüsselpositionen von Gesellschaft und Politik und "verbocken" die Zukunft dieses abgetakelten Landes gründlichst. Keine Träne um Schmock.
Valentina Selge am 17.12.21, 09:35 Uhr
Das ist eine interessante Parallele zu Wien und die Nahostbeziehungen der ehemaligen revolutionären Zellen in Deutschland wurden nie aufgearbeitet, dabei sind aus diesem Dunstkreis sehr viele in die Politik gegangen, der Gang durch die Institutionen, nur der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg scheint sich dafür noch zu interessieren. Da kann schon eine Blindheit vorliegen, die aus der Geschichte dieser Menschen, Kinder von Eltern, die im 3. Reich gelebt haben, vorliegen, eine Sympathie für "Revolutionäre", die stufen die nicht als Terroristen ein.