13.09.2025

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Eines der Wahrzeichen Nienburgs: Das aus einem Mix aus Spätgotik und Weserrenaissance erbaute Rathaus von 1533
Bild: ThiedeEines der Wahrzeichen Nienburgs: Das aus einem Mix aus Spätgotik und Weserrenaissance erbaute Rathaus von 1533

Stadtjubiläum

Vor den Preußen kam Napoleon

Nienburg an der Weser feiert 1000 Jahre Stadtgeschichte

Veit-Mario Thiede
13.09.2025

In Nienburg häufen sich dieses Jahr die runden Daten. Die urkundliche Ersterwähnung der 32.000-Einwohner-Stadt an der Mittelweser liegt 1000 Jahre zurück. Vor 800 Jahren bekam Nienburg die Stadtrechte verliehen. Martin Luther schickte vor 500 Jahren den ersten Reformator nach Nienburg. Hier wird das Hackebeilchen des vor 100 Jahren hingerichteten Serienmörders Fritz Haarmann aufbewahrt.

Die nur in Abschriften erhaltene Urkunde der Ersterwähnung geht auf den Mindener Domherrn Milo zurück, der seine Nienburger Besitzungen der Mindener Kirche übereignete. In der lateinisch verfassten Urkunde heißt es: „Diese Niederschrift und Bestätigung ist geschehen im Jahre des fleischgewordenen Wortes 1025 in der achten Indiktion, im Monat September am Vortage des heiligen Apostels Matthäus.“ Gemeint ist damit der 20. September.

Die Struktur der Altstadt hat sich seit dem 17. Jahrhundert kaum verändert. Zentrale Achse ist die Lange Straße. An ihr reihen sich giebelseitig Fachwerkhäuser auf. Von der Langen Straße zweigen schmale „Traufgassen“ ab. Die schmucken Häuser, deren Bauherren Kaufleute und Ackerbürger waren, überragt das Rathaus. Es weist einen im 16. Jahrhundert erbauten imposanten Treppengiebel im Stil der Weserrenaissance auf. Über der Langen Straße herrscht reger Flugverkehr. Wichtigster Landeplatz ist das „Storchenhaus“. Auf seinem Schornstein sitzt ein Nest, das seit 1884 Jahr für Jahr von Störchen besiedelt wird. Nur zweimal blieben sie aus.

Das Stadtmuseum residiert im Fresenhof, einem 1610 erbauten und 1670 verlängerten Anwesen aus rotem Backstein und Fachwerk. In der Dauerausstellung gewinnt man Einblick in die Regional- und Ortsgeschichte. Seit dem 13. Jahrhundert residierten die Grafen von Hoya in Nienburg. Ihre Nachfolger waren die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg.

Bevor die Preußen 1866 das Königreich Hannover annektierten, bescherte Napoleon den Nienburgern von 1803 bis 1813 die „Franzosenzeit“. Als Ingenieur brachten Napoleons Truppen Emanuel Bruno Quaet-Faslem mit. Im Gegensatz zu ihnen blieb er in Nienburg, wo er zum Ehrenbürger aufstieg. Im von ihm 1821 im klassizistischen Stil erbauten Quaet-Faslem-Haus werden Gemälde des überregional bedeutenden Malers Ernst Thoms (1898–1983) sowie die Dauerschau zu Leben und Schaffen Quaet-Faslems gezeigt.

Das in Quaet-Faslems Garten versetzte Hallenhaus aus dem 17. Jahrhundert beherbergt das Niedersächsische Spargelmuseum. Nienburg ist für seinen Spargel berühmt. Im Außenbereich sind historische Gerätschaften für dessen Anbau zu sehen. Im Inneren widmet sich eine prächtige Sammlung der Esskultur des Spargels. Zu sehen sind variantenreiche Abtropfliegen, spezielle Teller und Zangen zum gezielten Zugriff auf einzelne Stangen.

Im Zeichensaal des Quaet-Faslem-Hauses findet bis 2. November die Sonderschau „Stadtspaziergang“ statt. Sie präsentiert malerische Ansichten Nienburgs von Albert Rabens (1909–2006). Einige basieren auf historischen Postkarten und zeigen Ansichten, die so nicht mehr existieren. Andere stellen Bauwerke dar, die es noch heute gibt. Etwa den Stockturm genannten Überrest der Burg der Grafen von Hoya. Auch dem wohl ältesten Wohnhaus Nienburgs hat Rabens ein Bild gewidmet. Am Haus selbst, das bis vor einiger Zeit als Pension diente, ist ein Info-Kasten angebracht. Dessen Aushang preist den kleinen, 1495 errichteten Fachwerkbau an: „Leonardo hätte hier die Mona Lisa im Frühstücksraum malen und Luther die Bibel hier übersetzen können. So alt ist das Haus.“

Ein Fahndungsfoto auf Wunsch
Luther war zwar nie in Nienburg, aber auf Bitten des Grafen Jobst II. und seiner Gattin Anna schickte er 1525 Adrian Buxschot hin. Der predigte jeden Sonntag gemäß Luthers Lehren in der Kirche St. Martin. In der 1441 geweihten gotischen Hallenkirche steht die steinerne Tumba des Grafenpaares. Auf der Deckplatte liegen als lebensgroße Relieffiguren Jobst II. im Harnisch und Anna im langen Kleid mit Jacke und Haube. Sie haben die Hände gefaltet und sich einander zugewandt. Ihre Tumba befindet sich im Erdgeschoss des 1896/97 aus Backstein errichteten neugotischen Kirchturms. Mit 72 Metern Höhe ist er ein weithin sichtbares Wahrzeichen der Stadt.

Wahrscheinlich hat Fritz Haarmann (1879–1925) nie Nienburg besucht. Gleichwohl widmet ihm das von Hannover hierher umgezogene Niedersächsische Polizeimuseum eine Abteilung. Das Museum behandelt die Geschichte der Polizei vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Zum umfangreichen Fahrzeugpark gehört ein Polizeikäfer. Gedacht wird auch des Spürwildschweins Luise, das sich bei der Suche nach Rauschgift und Sprengstoff hervortat.

Der 1924 gefasste Serienmörder Haarmann hatte sein Unwesen in Hannover getrieben. Die Polizei legte dem homosexuell veranlagten Altkleider- und Fleischhändler, Kleinkriminellen und Polizeispitzel 27 Morde an Knaben und jungen Männern zur Last. Vor Gericht konnten ihm 24 Tötungsdelikte nachgewiesen werden. Nach eigener Aussage biss er seinen Opfern die Kehle durch. Anschließend zerlegte er die Getöteten. Sein mutmaßliches Hackebeilchen ist zu sehen. Es kommt in einem bis heute geläufigen Gassenhauer vor: „Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt Haarmann auch zu dir, mit dem kleinen Hackebeilchen ...“

Haarmann war zunächst nicht geständig. Die Polizeibeamten griffen nun zu verbotenen Methoden. Sie schlugen Haarmann und setzen ihn psychologisch unter Druck, indem sie ihn in seiner Zelle anketteten, einen Sack mit Knochen seiner Opfer aufstellten und in den vier Ecken knapp unter der Zellendecke je ein Brett mit Totenschädel darauf anbrachten. Deren Augenhöhlen waren mit rotem Papier ausgekleidet und von hinten beleuchtet.

Die Polizisten redeten Haarmann ein, die Seelen seiner Mordopfer würden ihn heimsuchen. Ein Nachbau der Zelle mitsamt Einrichtung und vier „unechten“ Totenschädeln ist ausgestellt. Ebenso die originale Plattenkamera, mit der die Polizei Fahndungsfotos von Haarmann anfertigte. Wer will, kann sich anschließen: „Wenn Sie ein Fahndungsfoto von sich machen lassen möchten, wenden Sie sich bitte an die Aufsicht.“

www.mittelweser-tourismus.de 


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