10.10.2024

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Zum Tode Franz Beckenbauers

Weit mehr als ein Verlust für die Sportwelt

Mit ihrem Fußball-Kaiser verlieren die Deutschen eine Person, von der sie sich weitaus mehr abschauen können, als es den Zeitgenossen oft bewusst war

René Nehring
10.01.2024

Wenn internationale Medien binnen einer Stunde nach einer Todesnachricht Nachrufe auf den Verstorbenen veröffentlichen, wird deutlich, dass ein wahrhaft Großer die Welt verlassen hat. So auch am Montag, als sich kurz nach 17 Uhr die Meldung vom Tode Franz Beckenbauers verbreitete. Das britische Boulevardblatt „The Sun“ etwa, das sonst vor jedem deutsch-englischen Länderspiel die Geister der Vergangenheit beschwört, titelte: „R.I.P. DER KAISER“. Die italienische „Gazetta dello Sport“ schrieb: „Addio a un mito del calcio, addio al Kaiser“ (Abschied von einem Fußballmythos, Abschied vom Kaiser), und die französische Sportzeitung „L'Équipe“ titelte: „LE KAISER EST MORT“ (Der Kaiser ist tot). Auch viele andere Medien weltweit würdigten umgehend die deutsche Legende; Presse, Radio und Fernsehen in Beckenbauers Heimat sowieso.

Eine Legende war Franz Anton Beckenbauer schon zu Lebzeiten. Geboren im Schicksalsjahr 1945 wurde er mit der Nationalmannschaft Europameister 1972, Weltmeister 1974 und 1990 (als Trainer), dann mit dem FC Bayern dreimal Gewinner des Europapokals der Landesmeister, jeweils einmal Sieger des Weltpokals, des Europacups der Pokalsieger und (wiederum als Trainer) des UEFA-Pokals sowie fünfmal Deutscher Meister und viermal Sieger des DFB-Pokals. Nicht zu vergessen auch drei US-Meisterschaften mit Cosmos New York und dem ebenso legendären Pelé als Mannschaftskameraden.

Diejenigen, die das Glück hatten, ihn zu seinen Glanzzeiten bei den Bayern und in der deutschen Nationalelf der 1970er Jahre zu sehen, schwärmen noch immer von seiner Art, den Ball zu bewegen und das Spiel zu lenken. Wo deutsche Kicker sonst Beinamen wie „Katsche“ (Hans-Georg Schwarzenbeck), „Hacki“ (Herbert Wimmer) oder – etwas später – „die Walz aus der Pfalz“ (Hans-Peter Briegel) und „Kopfballungeheuer“ (Horst Hrubesch) trugen, verkörperte Beckenbauer eine faszinierende Leichtigkeit, die einhergehend mit einer grandiosen Übersicht dazu führte, dass er von seiner Libero-Position aus das Geschehen auf dem Platz souverän beherrschte.

Erfolgsorientiert und gottesfürchtig

Doch so strahlend heiter – und so begnadet talentiert – dieser Kaiser auch war, so verdankt er seine Erfolge doch vor allem Einstellungen und Haltungen, die früher als „typisch deutsch“ galten, hierzulande jedoch seit vielen Jahren als „Sekundärtugenden“ verpönt sind. So ordnete Beckenbauer als „Teamchef“ der Nationalmannschaft (Bundestrainer durfte er nicht heißen, da er keine Übungsleiterlizenz besaß) an, dass die Spieler ihre Trikots in die Hose steckten und auch die Nationalhymne mitsangen. Für ihn war klar, dass schon vermeintliche Kleinigkeiten über die Einstellung und damit den Erfolg entscheiden konnten. Dass er diesen immer anstrebte, zeigen die Worte, mit denen er 1990 seine Spieler in Südtirol zu einem ersten Vorbereitungslager für die anschließende WM in Italien begrüßte: „Dass eins klar ist – ihr kommt unter die ersten Vier. Und unser Ziel ist der Titel.“

Während des Turniers dann ließ Beckenbauer in der Unterkunft am Comer See nicht nur perfekte Trainingsbedingungen schaffen, sondern holte mit dem Kapuzinerpater Matthias Doll einen eigenen Seelsorger ins Team, der die Mannschaft vor den Spielen mit einem geistlichen Wort einstimmte. Auch später bekannte sich Beckenbauer immer wieder zu seinem christlichen Glauben und „selbstverständlich“ auch zu täglichem Gebet und Kirchenbesuch. Dass er im Alter sagte, dabei für nichts mehr zu bitten, sondern „nur noch zu danken“, weist den strahlenden Helden als demütigen Menschen aus, dem stets bewusst war, dass er ein außergewöhnliches Leben führen durfte.

Eines der größten Geschenke, das Beckenbauer seinen Landsleuten machte, war indes kein Titel, sondern die Weltmeisterschaft von 2006, die er als Chef des Bewerbungskomitees ins Land holte, und die als schwarz-rot-goldenes „Sommermärchen“ in die Geschichte einging. Unermütlich reiste er um die Welt, um den Zuschlag für die Ausrichtung eines Turniers zu bekommen, das der damalige FIFA-Präsident Sepp Blatter längst den Südafrikanern und ihrem Präsidenten Nelson Mandela in Aussicht gestellt hatte. Dass dies keine Selbstverständlichkeit war, lässt sich daran ermessen, dass es Berlin (für 2000), Leipzig (für 2012), München (für 2018) und Hamburg (für 2024) nicht gelungen ist, Olympische Sommer- oder Winterspiele nach Deutschland zu holen.

So talentiert die „Lichtgestalt“ Franz Beckenbauer auch war – so steckten doch hinter all seinen Erfolgen vor allem eine professionelle Haltung, ein unbedingter Wille zum Erfolg sowie nicht zuletzt ein unerschütterliches Gottvertrauen.

In Zeiten, in denen der Sport mit seiner Popularität immer häufiger in den Dienst gesellschaftlicher Ziele gestellt wird, sollte auch daran erinnert werden, dass Beckenbauer Politik stets außen vor ließ und seinen Spielern lediglich die längst sprichwörtlichen Worte „Geht's naus und spuits Fußball!“ mit auf den Weg gab. Dass die Nationalelf – wie bei der letzten WM in Katar geschehen – von Politik und Leitmedien dazu genötigt wird, gegen die Führung des gastgebenden Landes zu protestieren, hätte es unter dem „Kaiser“ vermutlich nicht gegeben.

Wie ein wahrer Herr verhielt sich Beckenbauer, als deutsche Medien – darunter viele, die sich zuvor stets in seinem Glanz gesonnt hatten – nach Vorwürfen, die Vergabe der WM von 2006 sei gekauft worden, von ihm abwandten und über ihn herfielen. Obwohl er schwer verbittert war und sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog, keilte er doch nie zurück.

In einer Welt, in der die Deutschen zwar durchgehend geachtet, aber selten geliebt werden, war Franz Beckenbauer – siehe die Zitate am Anfang – eine große Ausnahme. Schon deshalb sollten sich seine Landsleute fortan nicht nur an die mit ihm verbundenen Erfolge erinnern, sondern auch daran, worauf diese Erfolge beruhten.


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