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Wer’s glaubt, wird unselig

Geheimniskrämerei schürt Misstrauen – Ausstellung über Verschwörungstheorien im Kloster Dalheim passt sich dem Zeitgeist an

Veit-Mario Thiede
21.02.2020

Vor 50 Jahren verfolgten weltweit über eine halbe Milliarde Fernsehzuschauer die Landung auf dem Mond. Alles nur Lug und Trug? Die Theorie von der „Mondverschwörung“ besagt, dass uns die Weltraumbehörde NASA an der Nase herumgeführt und die Mondlandung in einem irdischen Filmstudio inszeniert hat. Andere Verschwörungstheorien sind weit weniger harmlos. Denken wir nur an die angebliche „Weltverschwörung der Juden“.

In der Welt der Verschwörungstheoretiker gibt es viele Sündenböcke. Im Mittelalter galt als ausgemacht, dass der Teufel und die angeblich mit ihm paktierenden „Ketzer“ und „Hexen“ für alles Unglück auf Erden verantwortlich seien. Heute seien es „die da oben“, denen Verschwörungen zulasten der Bevölkerung unterstellt werden. Die aufschlussreiche Schau „Verschwörungstheorien – früher und heute“ deckt im Kloster Dalheim bei Lichtenau im Kreis Paderborn anhand von 250 Exponaten Verschwörungstheorien aus den letzten 900 Jahren auf.

Verschwörungstheorien liefern einfache Erklärungen für komplexe Zusammenhänge. Zum Beispiel: Wer trug die Schuld an Unwettern, Missernten oder der Unfruchtbarkeit von Mensch und Tier? Natürlich die dazu vom Teufel befähigten Hexen und Hexer. Der Dominikaner Heinrich Kramer beschreibt in seinem berühmt-berüchtigten „Hexenhammer“ (1486), woran man die Hexen angeblich erkennen kann. Seine absurde Liste der Indizien nennt mangelnden oder häufigen Besuch des Gottesdienstes, Kräutersammeln und hohes Alter.

Der „Hexenhammer“ leitete auch zur Folter an. Mit der wurden den Opfern die Geständnisse abgepresst. Zu sehen ist eine Kopie des „Folterhemdes“, das Anna Kramerin (1619–1680) bei der „peinlichen Befragung“ tragen musste. Es kam, wie es unter diesen Umständen kommen musste: Das Folteropfer wurde als geständige Hexe enthauptet und anschließend verbrannt. Und das fast 50 Jahre nach der Veröffentlichung des Buches „Cautio criminalis“ (1632), mit dem der Jesuit und Theologieprofessor Friedrich von Spee das allmähliche Ende der Hexenverfolgungen einläutete. Spee stellte nüchtern klar: „Die Gewalt der Folterqualen schafft Hexen, die es gar nicht sind, weil sie es gleichwohl sein müssen.“

Der Klimawandel darf nicht fehlen

Besonders häufig sind bis heute die Jesuiten und die Juden Zielscheibe von Verschwörungstheorien. Anhand von Büchern, Dokumenten und mit Spottbildern versehenen Flugblättern schildert die Schau die spektakuläre „Papisten-Verschwörung“, die 1678 ganz England in Atem hielt. Der verkrachte anglikanische Geistliche Titus Oates behauptete, die Jesuiten planten im Auftrag des Papstes die Ermordung König Karls II., um dessen katholischen Bruder Jakob auf den Thron zu bringen und so die Gegenreformation einzuleiten. Bevor Oates entlarvt wurde und von König Karl II. sowie erneut von seinem Nachfolger Jakob schwer bestraft wurde, führten seine Verleumdungen zur Hinrichtung von 15 Jesuiten und anderen Katholiken.

Aber gegen wen auch immer sich Verleumdungen richten: Viele der präsentierten Fälle erweisen, dass Verschwörungstheorien zugleich handfeste Verschwörungen sind. Nämlich die der Theoretiker gegen die zu Unrecht Beschuldigten. Nicht selten dienen solche Theorien dazu, von eigener Schuld abzulenken oder eigene Schandtaten zu rechtfertigen.

Die gleichwohl empfehlenswerte Ausstellung hat eine Schwäche: Die Fülle der präsentierten Fälle führt dazu, dass diese unter Ausblendung der näheren Umstände nur stichwortartig angesprochen werden. Je näher wir der Gegenwart kommen, desto mehr werden mögliche Verschwörungstheorien nur flüchtig angerissen. Es geht etwa um die von US-Senator McCarthy in den 1950er Jahren weit überzogene Kommunistenjagd, um die vom „Bund Deutscher Jugend“ an die Bürger der frühen Bundesrepublik gerichtete Warnung: „Stalin sucht Soldaten, Agenten und Saboteure!“ oder um die angeblich von den Amerikanern verursachte Kartoffelkäferplage in der DDR. Zu den heutigen Beispielen gehören laut der sehr zeitgeistig angepassten Schau Zweifel am menschengemachten Klimawandel, die der Pharmaindustrie angekreidete „Impf-Lüge“ und die Behauptung von der den Mächtigen hörigen „Lügenpresse“. „Dank“ Internet sei es noch nie so einfach gewesen, Verschwörungstheorien zu verbreiten. Als „Gegengift“ empfiehlt die Schau einige Lesetipps, welche die vorgebrachten Theorien entkräften sollen.

Zuletzt wird man selbst auf die Probe gestellt: „Was glauben sie – Verschwörung oder Verschwörungstheorie?“ Begleitet wird die Frage von Schlüsselworten wie „Sinn“, „Wahrscheinlichkeit“ und „Nutzen“, mit denen man die Behauptungen einer ersten Prüfung unterziehen kann. Eine der sodann aufgetischten Verschwörungstheorien lautet: Der Vatikan besitzt eine Zeitmaschine, die den Blick in Vergangenheit und Zukunft ermöglicht.

Eine andere gilt der Bilderberg-Konferenz. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit beschäftigen sich in diesen informellen Treffen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Militär, Adel und Medien mit aktuellen Problemen des Weltgeschehens. Die Teilnehmer verpflichten sich zum Stillschweigen über den Gesprächsverlauf. Einer Verschwörungstheorie zufolge streben die „Bilderberger“ nach der Errichtung einer „Weltdiktatur“. Ist da was dran? So viel lässt sich jedenfalls verallgemeinernd feststellen: Geheimniskrämerei schürt Misstrauen.

Bis 22. März im LWL-Landesmuseum für Klosterkultur, Stiftung Kloster Dalheim, Am Kloster 9, Lichtenau-Dalheim, geöffnet Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 9 Euro. Der Katalog aus dem Ardey-Verlag kostet 29,90 Euro. Internet: www.stiftung-kloster-dalheim.lwl.org


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