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Droht nach den Militärschlägen Israels und der USA gegen das iranische Atomprogramm nun ein Flächenbrand in der krisengeschüttelten Region? Oder werden sich die Mullahs den Kräfteverhältnissen beugen (müssen)? Eine Analyse
Als Israel am 13. Juni seine ersten Angriffe gegen iranische Atomanlagen startete, warnten Experten vor einem Übergreifen des Konflikts auf weitere Staaten im Nahen Osten. Mit dem Eintritt der USA in den Krieg eine Woche später, so glauben manche Beobachter, sei diese Gefahr noch gestiegen. Andere Kommentatoren gaben sich hingegen überzeugt, dass durch die US-Intervention ein Flächenbrand eher unwahrscheinlicher geworden sei, weil die Machtverhältnisse in der Region nun eindeutig geklärt seien.
Für eine Bewertung der Lage gilt es zunächst einmal festzuhalten, dass die jüngsten Militärschläge Teil einer Serie von Maßnahmen sind, mit denen Israel seit den Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober 2023 planmäßig und konsequent die „Achse des Widerstands“, wie die von Iran im arabischen Nahen Osten konstruierte Allianz unter Teherans Führung genannt wird, demontiert.
Noch wenige Jahre zuvor hatte Iran auf einem Höhepunkt seiner Macht gestanden, hatte eine riesige Einflusszone großteils schiitischer Prägung geschaffen und beherrscht.Zu dieser Machtstellung hatten ausgerechnet die USA durch den Sturz Saddam Husseins im Irak wesentlich beigetragen. Jetzt begann der Zusammenbruch dieser Konzentration. Israel hat die Hamas (das einzige nichtschiitisches Glied in der Kette) entscheidend geschwächt. Ihre wichtigsten Führer wurden neutralisiert, ihr Waffenpotential drastisch reduziert, ihre Operationsbasis und das von ihr kontrollierte Territorium wurden stark eingeschränkt. Mehr und mehr wird die Hamas so in die Enge getrieben, ist sie mit dem eigenen Überleben beschäftigt und taugt nicht mehr als Partner Irans für eine großangelegte Aktion gegen Israel.
Entscheidende Schwächung der „Achse des Widerstands“
Diverse Aktionen der libanesisch-schiitischen Hizbollah – ein bis dahin besonders mächtiger Alliierter Teherans und einflussreichster Player auf der libanesischen Bühne und somit gefährlicher Gegner Israels – hatte Israel den Anlass geboten, auch in seinem nördlichen Nachbarland einzugreifen und die Rolle der Hizbollah unter Ausschaltung ihrer Protagonisten, allen voran Hasan Nasrallah, nachhaltig zu schwächen.
Der Sturz des Assad-Regimes in Damaskus, das seit Jahrzehnten ein Eckstein des iranischen Bündnissystems war, bedeutete eine weitere Schwächung des Einflusses des Mullah-Staates in Israels Umfeld. In den ersten Tagen und Wochen der neuen islamischen Machthaber in Syrien nach der Flucht Baschar al-Assads nutzte Israel die Lage, um einen großen Teil des militärischen Potentials des Landes zu vernichten. Dadurch, dass Syrien nun kein Alliierter Irans mehr ist, veränderte sich auch die logistische Lage. Nachschub für die stark geschwächte Hizbollah aus dem Iran konnte nicht mehr durch Syrien fließen wie in all den Jahren zuvor.
Auch ein strategischer Partner Irans am Roten Meer, die zaiditischen (schiitischen) Huthis im Jemen, musste schwerwiegende Schläge hinnehmen – zuletzt auch gegen den wichtigen Hafen Hudaida und zuvor schon gegen militärische Positionen in der Hauptstadt San'a. Dass aus dem Jemen seit Beginn des israelischen Angriffs keine intensiven Störungen – etwa Raketen auf Israel – kamen, zeigt, dass infolge der harten Militärschläge, die die USA und Israel geführt haben, auch die militärischen Möglichkeiten der Huthis inzwischen eingeschränkt sind.
Im mehrheitlich schiitischen Irak dürfte der Iran noch über Rückhalt verfügen und auch über treue schiitische Milizen, was jedoch keine unmittelbare Wirkung im jetzigen Kontext entfalten kann.
So kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass Israel die „Achse des Widerstands“ so weit zerstört hat, dass diese ihren Schrecken und das Gefahrenpotential, die bis vor Kurzem noch sehr real waren, weitgehend verloren hat. Die arabischen Alliierten, die Iran vor allem unter den Schiiten hatte, stellen heute keine wirkliche Bedrohung mehr für Israel dar und auch keine Gefahr mehr für eine mögliche Offensive gegen Iran.
Im April 2025 stellte der US-amerikanische Präsident dem Iran ein 60-Tage-Ultimatum zur Wiederaufnahme von Atomverhandlungen – als dieses abgelaufen war, erfolgte am 13. Juni der israelische Angriff.
Die Haltung der arabischen Nachbarn
Ein Flächenbrand, wie er schon bei der letzten Runde militärischer Auseinandersetzungen zwischen Iran und Israel im April 2024 als Menetekel im Raum stand, wurde auch diesmal wieder beschworen, ist aber aufgrund der entschiedenen Schwächung des iranischen Bündnisgefüges heute durchaus nicht zwangsläufig. Der Iran ist so stark auf Israel konzentriert, dass er zur Entfachung eines Flächenbrandes keine ausreichenden Kapazitäten (mehr) besitzt.
Die Verbündeten Irans in der arabischen Welt haben so viel Potential eingebüßt, dass ein effizientes Netzwerk potenter iranischer Alliierter nicht mehr existiert. Insofern ist es wenig wahrscheinlich, dass arabische Länder zum Schauplatz eines sich ausweitenden Konflikts zwischen Iran und Israel werden.
Hinzu kommt, dass die arabischen Staaten größtenteils überhaupt kein Interesse an einer Unterstützung Irans haben. Zwar haben fast alle Regierungen in der Region den Angriff Israels gegen die iranischen Atomanlagen kritisert oder sogar verurteilt. Doch trugen sie damit lediglich der öffentlichen Stimmung Rechnung. Tatsächlich betrachten im Grunde alle den Iran als Bedrohung auch für ihre eigene Sicherheit. Hinzu kommt nicht zuletzt, dass für die arabischen Staaten eine verbesserte Zusammenarbeit mit den USA und Israel entscheidende Vorteile hätte, die Iran in keiner Weise ausgleichen könnte.
Nicht zuletzt müssten traditionelle Rivalen des Mullah-Regimes, etwa Saudi-Arabien, eine iranische Atombombe als unmittelbare Gefahr für ihre eigene Sicherheit betrachten. Somit besteht eine gewisse Interessenkonvergenz zwischen den meisten arabischen Staaten und Israel. Oft nicht bedacht wird auch, dass mehrere arabische Staaten – Jordanien, Ägypten, Marokko, Vereinigte Arabische Emirate, Bahrain – bereits Friedensverträge oder andere Abkommen (Abraham-Abkommen) mit Israel geschlossen haben. In diesem Rahmen kam es sogar schon zu militärischer Kooperation.
Doch ist die Interessenlage durchaus von Land zu Land unterschiedlich. Oman etwa, direkt an der Straße von Hormuz gelegen und außerdem interessiert, weiter eine Vermittlerrolle zu spielen, wird gegenüber Iran eher eine zurückhaltend-versöhnliche Haltung einnehmen. Jordanien hat akzeptiert, dass israelische Militärmaschinen bei ihrem Angriff auf Iran sein Territorium überfliegen. Der Sudan wiederum hat – nachdem die Beziehungen zum Iran zunächst einen Tiefpunkt erreicht hatten, als das afrikanische Land die Hilfe der reichen Golfstaaten benötigte – inzwischen wieder gute Kontakte zu Teheran. Denn Iran unterstützt Armeechef Burhan gegen die RSF im sudanesischen Bürgerkrieg. Das Mullah-Regime verspricht sich davon eine Position am Westufer des Roten Meeres, an dessen Ostufer es bereits durch seine Allianz mit den Huthis präsent ist. Der Quasi-Staat der Schiiten im Jemen konnte nur durch iranische Intervention entstehen, und die dortigen Machthaber werden weiterhin auf eine Allianz mit Teheran setzen, ist dies doch ihre einzige Überlebenschance. Und von hier aus sind auch weitere Angriffe gegen Israel möglich. Katar hingegen nimmt eine Sonderrolle ein, da es sowohl zu den USA als zu Iran sehr gute Beziehungen unterhält.
Optionen des Iran
Dass der Iran eskaliert, ist jetzt wohl eher zweifelhaft. Und wenn, geschähe dies sicher nicht in der Form von Angriffen auf arabische Partner des Westens oder neutrale arabische Staaten. Denkbar ist allenfalls die begrenzte Einbeziehung einzelner arabischer Länder in Angriffe auf Israel (Sudan, Irak, Jemen – von wo aus Israel bereits beschossen wurde).
Inzwischen hat der Iran einen besonders wichtigen US-Stützpunkt in der Region, al-Udaid in Katar, wo bis zu 15.000 US-Soldaten stationiert sind, angegriffen. Allerdings waren in den letzten Tagen zahlreiche Militärflugzeue von dem US-Stützpunkt abgezogen worden. Der iranische Angriff kam mit Vorankündigung, Katar und die USA konnten Gegenmaßnahmen treffen, weshalb die Folgen der Attacke minimal blieben. Es handelte sich um einen fast rituellen, gesichtswahrenden Angriff, der auch für die iranische Bevölkerung gedacht war, die nun sah, dass ihre Regierung entschlossen auf den US-Angriff reagierte. Man fühlt sich an frühere US-Aktionen und iranische Gegenangriffe erinnert.
Als erster verkündete der US-Präsident, es werde jetzt eine Waffenruhe geben, wenig später bestätigte dies der israelische Ministerpräsident. Dies „verkauft“ der Iran seiner Bevölkerung als Erfolg: Der iranische Angriff auf die US-Basis in Katar habe die USA und Irael zu einem Friedensangebot gebracht. Allerdings schien diese Waffenruhe zunächst nicht zu halten, scheint jetzt aber zu funktionieren. Wie immer es weiter geht, ein „Flächenbrand“, wie von einigen befürchtet, wird es mit Sicherheit nicht ergeben, wenn es auch zu weiteren gegenseitigen Attacken Israels und Irans kommen kann.
Schwerwiegend wäre ein iranischer Versuch einer Blockade der Straße von Hormuz und damit der Sperrung der wichtigsten Öltransportroute der Welt. Die Meerenge ist das Nadelöhr zwischen dem Persischen Golf (den die Araber „Arabischer Golf“ nennen) einerseits sowie dem Golf von Oman und dem Indischen Ozean andererseits. Durch diesen strategisch wichtigen Seeweg, der nur 55 Kilometer breit ist, fließt fast ein Viertel des Welterdöls (etwa 33 Millionen Barrel Rohöl am Tag). Am Persischen Golf liegen so wichtige Ölländer wie Kuwait, Katar, Saudi-Arabien, Irak aber auch Iran selbst. Über die Straße von Hormuz gelangen zudem Lieferungen einiger der bedeutendsten Förder- und Lieferländer von Erdgas auf den Weltmarkt.
Schon vor Beginn des aktuellen Konflikts wurde die Möglichkeit der Schließung dieser Meerenge durch Iran thematisiert – auch der Iran selbst brachte diese Option ins Gespräch. Die Staaten der Region sind wirtschaftlich abhängig von ihren Ölexporten, für die es keine anderen Wege gibt als die Golfroute. Umgekehrt erhalten sie auf dieser Wasserstraße den allergrößten Teil ihrer Importe.
Vorteil für die US-Amerikaner
Aber wird Iran tatsächlich die Straße von Hormuz sperren, jetzt, wo ein Waffenstillstand greifbar erscheint? Technisch-militärisch wäre dies keine Schwierigkeit, aber angesichts des Waffenstillstand scheint es sehr unwahrscheinlich. Doch die Folgen wären – nicht zuletzt für Iran selbst – gravierend. Die USA, deren Kriegseintritt gezeigt hat, dass sie zu einem militärischen Engagement bereit sind, würden durch solch eine Maßnahme dazu veranlasst werden, erneut zuzuschlagen – was Teheran um jeden Preis verhindern muss. Außerdem würde Iran seine Nachbarn in der Region, die auf die Seefahrtsroute durch den Golf angewiesen sind, verprellen.
Darüber hinaus ist auch für Iran die Straße von Hormuz von entscheidender Bedeutung – für den Ölexport ebenso wie für zahlreiche Importgüter nicht zuletzt militärischer Art. Würde der Iran tatsächlich die Meerenge sperren, würden die USA ihrerseits eine Blockade gegen den Iran verhängen, was zum Zusammenbruch des Landes binnen weniger Wochen führen würde. Der Iran dürfte es sich also sehr reiflich überlegen, ob die Sperrung der Straße von Hormuz wirklich in seinem Interesse läge. Alle derartigen Szenarien verlieren vor dem jetzt möglicherweise erfolgenden Waffenstillstand an Wahrscheinlichkeit.
Würde sich Teheran tatsächlich zu einer Blockade der Straße von Hormuz entschließen, würde dies unweigerlich zu einer gefährlichen Eskalation des Konflikts führen und weitere Militäraktionen der USA provozieren. Dass US-Einheiten unbehelligt einen Militärschlag gegen militärische Einrichtungen im Iran führen konnten, zeigt den arabischen Staaten der Region deutlich, welche Seite in diesem Konflikt im Vorteil ist. Es ist wenig wahrscheinlich, dass arabische Regierungen sich jetzt auf die Seite der Verlierer schlagen.
Insofern ist es im Interesse aller Beteiligten, vor allem auch Irans, dass der jetzt verkündete Waffenstillstand doch noch hält.