19.04.2025

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Wilhelm  Gaigalat
Bild: WikimediaWilhelm Gaigalat

Umstrittenes Engagement

Wilhelm Gaigalat-Haus in Memel wird versteigert

Das Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses war ein Vorkämpfer für die litauische Minderheit in Deutschland

Bodo Bost
18.04.2025

In Memel bewohnte Wilhelm Gaigalat ein zweistöckiges Haus am Anfang der Libauerstraße in der Nähe zur Altstadt. Nun soll das Gebäude, das sich in Staatsbesitz befindet, versteigert werden. Die Räumlichkeiten wurden früher für Verwaltungstätigkeiten genutzt, aber die ursprüngliche historische Nutzung des Gebäudes war Wohnen. Doch die ansehnlichen Räumlichkeiten, die der evangelische Pfarrer Gaigalat einst bewohnte, stehen nun seit längerer Zeit leer.

Der umtriebige Gaigalat (litauisch: Vilius Gaigalaitis) wurde am 27. September 1870 in Jokeiten im Memelgebiet geboren. Er absolvierte erfolgreich das Memeler Luisengymnasium. Schon während seiner Gymnasialzeit in Tilsit nahm er am aktiven politischen Leben der Preußisch-Litauer teil. Er studierte anschließend Theologie und Philosophie an den Universitäten Königsberg und Berlin.

In Königsberg beteiligte er sich an den Aktivitäten der wissenschaftlichen Gesellschaft „Preußen“ für alte Geschichte. Auf Drängen von Prorektor Adalbert Bezzenberger, der als Begründer der Erforschung der baltischen Sprachen gilt, studierte er obendrein die Wolfenbütteler Postille.

Für Memel engagiert
Über diese älteste evangelische Predigtsammlung in litauischer Sprache promovierte er am 22. Juni 1900. Den Wahlkreis Memel-Heydekrug vertrat der ordiniere Pfarrer von Prökuls 1903 bis 1918 als preußischer Abgeordneter. Dort versuchte er mit viel Engagement, die Angelegenheiten der litauischen Minderheit in Preußen zu verteidigen.

Am 2. Mai 1918 stimmten der sozialpolitisch engagierte Gaigalat zusammen mit dem Abgeordnete Wilhelm Wallbaum (1876–1933) im Preußischen Abgeordnetenhaus als einzige Angehörige der konservativen Fraktion für ein gleiches Wahlrecht anstelle des Mehrstimmenwahlrechtes. Am 10. Oktober 1911 heiratete er in Frankfurt am Main seine lang geliebte Marie Dietze.

Am 16. November 1918 wurde er zum Vorsitzenden des in Tilsit gegründeten Rates der preußisch-litauischen Nation gewählt und später als Vertreter in den litauischen Staatsrat berufen. Im Jahr 1921 verpflichtete ihn die Regierung der Republik Litauen zu Konsultationen mit der englischen Regierung, für die er nach London reisen musste. Alein maßgeblicher Vertreter des Völkerbundgebiets Memel leitete er 1922 die litauische Delegation des Memelgebiets auf der Botschafterkonferenz, auf der über das künftige Schicksal dieser Region entschieden wurde.

Nach der Annexion des Völkerbundgebiets Memel war er von 1925 bis 1933 Ältester der Evangelisch-Lutherischen Synode Litauens und Präsident des Konsistoriums. In den Jahren 1905 bis 1939 leitete er die Wohltätigkeits- und Kulturgesellschaft „Sandora“ in Memel, in der er eine große Bibliothek mit etwa 7500 Büchern aufbaute. Gaigalat war Initiator der Gründung eines litauischen Gymnasiums in Memel und deren erster Direktor (1922–1924).

Bereits 1922 gründete er das „Aukuros“, 1924 das Museum der Region und der Stadt Memel sowie 1926 die Schulvereine der Region Memel, die die Stellung der litauischen Kultur im Memelgebiet wesentlich stärkten.

Zusammen mit anderen überzeugte er den Seimas der Republik Litauen, eine Fakultät für evangelische Theologie an der Universität Kaunas einzurichten. Dort leitete er die Abteilung für Bibelexegese, und vom 1. September 1927 bis zum 1. September 1928 war er Leiter dieser Fakultät. Gaigalat hat 25 Bücher geschrieben und veröffentlicht, 19 auf Litauisch, fünf auf Deutsch und eins auf Französisch.

Gaigalat gehört zu den bedeutenden und zugleich schillernden Persönlichkeiten des Memelgebietes. Dennoch war er umstritten. Dabei wurde er sowohl von Litauern als auch von Deutschen hart kritisiert.

Von Russland nach Deutschland
Nach der Angliederung des Memelgebiets in das Deutsche Reich 1939 zog er ins benachbarte Krottingen in Litauen. Nachdem Litauen 1940 von der Sowjetunion besetzt wurde, emigrierte er nach Deutschland, wo er am 30. November 1945 in Bretten bei Karlsruhe gestorben ist. Die deutsche Staatsangehörigkeit hatte er von den NS-Behörden nicht wieder bekommen.

Sein Nachlass, der zwischenzeitlich in den Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gekommen war, wurde zum Teil 2022 in die öffentliche Bibliothek des Kreises Memel Ievos Simonaitytė überführt. Auch seine sterblichen Überreste und die seiner Ehefrau Maria wurden am 26. März 1994 nach Litauen überführt und auf dem Elniškės-Friedhof in der Nähe von Prökuls endgültig beigesetzt.


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