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Waren mit von der Partei: Vertreter der Deutschen Minderheit
Foto: WagnerWaren mit von der Partei: Vertreter der Deutschen Minderheit

Östlich von Oder und Neisse

Wo der polnische Adler sich die Nase ramponiert

Polnische Staatsbürger, teils deutscher Nationalität und oberschlesischer Zunge, demonstierten für ihre schlesische Identität

Chris W. Wagner
21.07.2023

Habt keine Angst vor (Ober-)Schlersiern!“, tönte es am 15. Juli aus mehreren Lautsprechern im oberschlesischen Kattowitz [Katowice]. Bei brütender Hitze versammelten sich mehr als 1000 Menschen zur Mittagszeit, um in Begleitung einer Blaskapelle in gelb-blauem Fahnenmeer vom Wilhelmsplatz [Plac Wolności] zum Kattowitzer Regionalparlament zu marschieren, in dem am 15. Juli 1920 die Zwischenkriegsautonomie proklamiert wurde. In Erinnerung daran hatte die Bewegung für die Autonomie Schlesiens (Ruch Autonomii Śląska) bereits zum 17. Mal zum „Autonomiemarsch“ aufgerufen. „Wir streben die Anerkennung der schlesischen Nationalität an. Wir wollen die (ober-)schlesische Sprache hier in unserer Region im Schulunterricht haben“, sagt Peter Langer vom Ślonsko Ferajna (Schlesischer Verein).

Er duze jeden, der dabei sei, und er freue sich, dass auch deutsche Medien berichten wollen, sagt er. „Uns ist die Heimat näher am Herzen als das Vaterland. Die Polen verstehen uns nicht, sie haben nicht einmal das Wort Heimat in ihrer Sprache“, erklärt er. „Ich sage immer, ich bin Schlesier und Deutscher, aber es gibt genug Menschen, die sagen: ‚Ich bin nur Schlesier', und wenn das der Wunsch der Leute ist, dann muss der Staat das eben anerkennen“, so der in Myslowitz [Mysłowice] lebende gebürtige Kattowitzer. Gegen Oberschlesier, die sich als Polen fühlen, habe man nichts, „aber bei uns im Verein findest du keine Leute, die sich als polnische Schlesier empfinden“, sagt er.

Wunsch nach Anerkennung
Langer greift zum Mikrofon, es sei an der Zeit aufzubrechen, ruft er. Den ganzen Marsch über ist Langer Herr der Lautsprecher. In der slawisch-oberschlesischen Sprache (godka), die vom polnischen Staat als solche nicht anerkannt wird, ruft er für einen Polen kaum verständlich: „Fana momy, godka momy, a hajmatu nie oddomy! (Wir haben eine eigene Fahne und Sprache und geben die Heimat nicht her).

Bogdan aus Kattowitz hält die gesamtschlesische, die weiß-gelbe Fahne, in der Hand. Sein Kumpel Franek marschiert mit der gelb-blauen oberschlesischen Flagge. „Es gibt ein Schlesien mit vielen Regionen und das muss man achten. Deshalb wehen hier zum Beispiel auch schwarz-gelbe Fahnen für das Teschener [Cieszyn] Gebiet (Anm.: Dieses liegt heute teils in der Republik Polen teils in der Tschechischen Republik). Ich bin gegen die Verwässerung Oberschlesiens, denn es ist nicht gleich mit der Woiwodschaft Schlesien, zu der heute auch Tschenstochau [Częstochowa] gehört. Was für ein Schwachsinn! Es war nie und wird nie oberschlesisch sein. Dafür ist Oppeln Oberschlesien, aber das wird von der polnischen Propaganda als etwas Eigenes hingestellt“, wettert er. Franek bekennt, er sei polnischer Staatsbürger deutscher Nationalität und oberschlesischer Zunge. Bogdan stimmt seinem Kumpel zu. Beide bekennen ihre deutschen Wurzeln, fühlen sich jedoch als (Ober-)Schlesier und hatten dies auch in der Volkszählung 2021 deklariert.

Am Ziel des Marsches steht eine Bühne. Das Wort ergreift Jerzy Gorzelik von der Bewegung für die Autonomie Schlesiens und Initiator der Autonomiemärsche. Kein Wunder, dass die Beamten des Statistischen Amtes zwei Jahre brauchten, um Ergebnisse der Volkszählung herauszurücken, so Gorzelik. „Sie mussten hin- und hergerechnet haben“, sagt er, „in der Hoffnung, dass die Zahl der Schlesier vielleicht kleiner wird.“ Er scherzt, dass die Regierung wohl deshalb die 600.000 deklarierten Schlesier nicht als ethnische Minderheit anerkenne, „weil die dann alle ankommen und für ihre ‚bajtl' (die Jüngsten) Unterricht in ihrer Sprache fordern. Man müsste dafür Lehrkräfte ausbilden und wer soll das bezahlen?“

Nur polnische Helden geehrt
Er spielt auf die Finanzierung staatlicher Feierlichkeiten zum Anschluss Oberschlesiens an Polen 1922 oder die Errichtung des „Oberschlesischen Pantheons“ in der Kattowitzer Kathedrale an, in der ausschließlich „Helden polnischer Option“ präsentiert werden, so Gorzelik, der von seinen Mitstreitern „Jorg“ gerufen wird. Diese begrüßt Jorg in ihren Sprachen: Oberschlesisch, Tschechisch, Polnisch und Deutsch: „Ich begrüße unsere Freunde, die aus der Bundesrepublik angereist sind und die Deutsche Minderheit, die an der Organisation des Marsches beteiligt ist.“

Seit mehr als zehn Jahren ist Dietmar Brehmer dabei. Der Kattowitzer war Begründer des Zentralrats der Deutschen Gesellschaften in der Republik Polen von 1990, aus dem der heutige Verband der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) wurde. Dort hat die ländliche Mehrheit um Oppeln das Ruder im Griff und zeigt weniger Mut als die großstädtischen Oberschlesier. Mit den Aktivisten für die (Ober-)Schlesische Sache sei man befreundet, sagt er. Beim Marsch dabei zu sein, „ist etwas, was die Menschen zusammenhält. Am Anfang waren wir 10.000 Menschen, die mitgingen. Im Laufe der Zeit wurden es weniger, dafür machen viele mit, die gar nicht in Oberschlesien geboren sind, sich aber ihrer Wurzeln besinnen oder sich als Schlesier fühlen“, so der Gründer und Vorsitzende der Deutschen Gemeinschaft „Versöhnung und Zukunft“ in Kattowitz.

Seiner schlesischen Wurzeln erinnert sich auch Torsten Rimane aus Braunschweig. Zur Seite steht ihm Waldemar Świerczek aus Ratibor [Racibórz], der im Vorstand des Verbandes deutscher Gesellschaften mitwirkt. Er erklärt dem Braunschweiger die Forderungen der Demons-tranten. Sie streben eine kulturelle Autonomie an, zur Pflege und Stärkung der (Ober-)Schlesischen Identität und regionalen Sprache. Dafür müsse man, gemäß polnischem Recht, den Status einer ethnischen Minderheit erreichen und dafür setzt sich die Bewegung seit 1996 ein. Doch der Begriff Autonomie weckt in Polen Sezessionsangst; im Polnischen fehlt im Grunde ein Wort wie Subsidiarität – denn das meinen die Oberschlesier im Kern mit ihrem Kampf gegen Zentralismus.


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Kommentare

Maria-Theresia Erley am 02.08.23, 17:37 Uhr

1335 verzichtete König Johann für 20.000 Schock (1,2 Millionen) Prager Groschen auf die polnische Krone, gleichzeitig ließ Kasimir, um die Allianz zwischen den Luxemburgern und dem Deutschen Orden zu entkräften, im Vertrag von Trentschin „für alle Zeiten“ seine dynastischen Ansprüche auf Schlesien fallen.

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