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Warum wir Putin möglicherweise überschätzt haben, und wie die Grünen einfach immer weitermache
Darin sind sich alle Seiten einig: Es war kein Unfall, die Nord-Stream-Pipelines sind Ziel eines Anschlags geworden. Und einige Experten waren sich ebenso schnell sicher, dass es die Russen waren, welche die Löcher in die Leitungen gebombt haben.
Ex-BND-Chef August Hannig meint, dass wir die Wahrheit sehr bald erfahren werden. Die Ostsee sei das am besten überwachte Gewässer der Welt. Nun wachen wir jeden Morgen auf in der Erwartung, dass uns jemand den rauchenden Colt präsentiert. Bis dahin können wir nur spekulieren.
Sollte sich tatsächlich Russland als Urheber erweisen, dann haben wir Putin wahrlich maßlos überschätzt. Denn dämlicher ginge es kaum. Angeblich habe er damit eine „Machtdemonstration“ oder „Drohgebärde“ abliefern wollen. Na bravo: Die Leitungen gehören doch irgendwie auch Russland, oder? Sollte Russland die Dinger attackiert haben, um uns zu zeigen, wozu es imstande sei, wäre das so, als schösse ich mir ins eigene Knie, um Ihnen zu zeigen, dass ich schießen kann. So bescheuert muss man erst mal sein.
Strategisch hätte sich Moskau auch keinen Gefallen getan, um es zurückhaltend auszudrücken. Im Kreml hat man sehr genau registriert, dass die Deutschen mit ihrer Energiepolitik kurz davor stehen, gegen die Wand zu krachen. Ein flächendeckender Stromausfall im wichtigsten Land der EU wäre für Putin so etwas wie ein Sechser im Lotto. Nach, sagen wir mal, zwei Wochen komplett ohne Strom bräche hier das Chaos aus, die Bundesrepublik als geordnetes Staatswesen hörte in weiten Teilen praktisch auf zu existieren. So sehen es jedenfalls die düsteren Szenarien von Fachleuten, die hierzulande die Runde machen.
Nicht undenkbar, dass die Bundesregierung in so einer Situation nach jedem Strohhalm greift, sei er auch noch so vergiftet. Den Halm könnte Moskau reichen, indem es schnellstmöglich wieder Gas durch die Ostsee-Pipelines pumpt. Damit wäre das westliche Bündnis faktisch gespalten – welch ein Triumph für den Kreml. Der soll nun selbst dafür gesorgt haben, dass ihm diese einmalige Chance aus der Hand geschlagen wurde? Wenn er das wirklich getan hat – wie gesagt: siehe oben. Blöder geht es nicht. Oder habe ich etwas übersehen?
Warten wir's ab. Wenn Hannig recht hat, dauert es ja nicht mehr lange, bis wir Klarheit erhalten.
Selbst bei einer etwas längeren Wartezeit wird uns nicht langweilig werden, es gibt genug zu tun. Wobei die Unterhaltung nicht zu kurz kommen muss, nicht einmal in diesen riskanten Tagen. Das weiß auch der Bundeskanzler und erheitert uns mit seinem neuesten Hit – dem „Doppelwumms“. Solche Wörter kannten wir bislang aus der Comic-Sprache. „Wumms“ macht es, wenn Obelix die Fäuste schwingt. Nach dem „Piks“ zur Corona-Abwehr nun also den „Wumms“ zur Rettung der deutschen Wirtschaft und der Haushalte vor ruinösen Energiekosten. In Kindersprache gepackt klingt das alles doch viel netter.
Kam trotzdem nicht überall gut an, der „Wumms“. Die Bundesländer sollen wohl irgendwie mitbezahlen, waren aber gar nicht gefragt worden. Die EU-Partner zeigten sich ebenso überrascht vom deutschen Vorstoß. Von dort heißt es, gerade ärmere Staaten scheuten Alleingänge und wollten lieber eine „gemeinsame“ europäische Lösung. Mit anderen Worten: Die wollen Geld von uns.
Aber um wie viel Geld handelt es sich überhaupt? 150 bis 200 Milliarden Euro, hat Scholz gesagt. Nachdem die Länderchefs so sauer reagiert haben, hat Finanzminister Lindner gesagt, dass er eigentlich viel weniger Geld ausgeben wolle als die von Scholz genannte Summe. Ach so.
Das hätten sie wissen können
Ach ja? Schließen sich „Wumms“ und „wenig“ nicht gegenseitig aus? Keine Ahnung. Bislang wissen wir ja noch gar nicht, wie der „Wumms“ konstruiert sein soll, wem er genau hilft und in welcher Höhe jeweils. Das Beste ist: Die Regierung weiß es auch nicht, erst bis Mitte Oktober will sie es herausgefunden haben. Mit anderen Worten: Da hat man bloß mal so eine Summe und ein Schlagwort rausgehauen, und dann schaut man mal. Riecht ganz schön nach der „Gasumlage“, finden Sie nicht? Wollen wir hoffen, dass das diesmal anders läuft.
Woraus wir diese Hoffnung schöpfen, wissen wir allerdings selbst nicht. Konzernchefs verzweifeln an Habecks Wirtschaftsministerium und stecken das mittlerweile sogar den Medien – anonym, versteht sich. Interessant: Bis vor ein paar Monaten tanzten deutsche Wirtschaftskapitäne noch jede grüne Pirouette voll aufgesetzter (oder sogar ehrlicher?) Begeisterung mit. Nun plötzlich lägen ihre „Nerven blank“ wegen der Figuren, die im Hause Habeck das Sagen haben, seit die Grünen den Hausherren stellen. „Wir verhandeln mit NGOs“, soll einer der Manager gespöttelt haben, schreibt die „Welt“. Was hatte er denn erwartet?
Hier zeigt sich: Selbst für Millionen verdienende Topmanager kann es sich auszahlen, wenn sie sich gelegentlich für Politik interessieren. Hätten sie das schon früher getan, wären sie nicht im Mindesten überrascht von dem, was die Grünen ausmacht und wohin diese Partei unser Land treiben will.
Gerade erst hat Grünen-Chefin Ricarda Lang begeistert verkündet, dass der Kohleausstieg von 2038 auf 2030 vorverlegt worden sei. Alternativen wird es bis dahin ganz sicher nicht geben. Der „Wumms“, wenn er denn klappt, wird nur eine teure Brücke ins Nichts sein, denn außer Träumen von grünem Wasserstoff und Co. ist ja nichts da. Fracking bleibt verboten, ein klein wenig Kernkraft soll nur ein ganz kurzes Weilchen länger laufen als von der Merkel-Regierung einst festgezurrt, und die Kohle kann nun auch nicht schnell genug vom Netz – der Letzte muss noch nicht einmal das Licht löschen, es geht dann ganz von selber aus.
Nun aber nicht so negativ! Lasst doch erst mal den Realitätsschock wirken, danach kommen die schon zur Vernunft. Oder? Wie man in grünen Kreisen mit der Realität umgeht, illustriert ein Vorfall in Köln.
Bei einer Demo von „Fridays for Future“ (FFF) hat ein dunkelhäutiger Mann versucht, zwei Demonstranten zu beklauen. FFF hat den Kerl der Polizei gemeldet, was man kurz darauf bitter bereute. Der Dunkelhäutige sei bei der Polizei „nicht sicher“, weshalb das Melden des Diebes „rassistisch“ gewesen sei, so FFF mit gesenktem Haupt.
Das erinnert an einen Vorfall vor Jahren in Berlin. Dort war eine „Flüchtlingshelferin“ von einem ihrer Schützlinge vergewaltigt worden. Als sie den Übergriff nach wochenlangem Zögern zur Anzeige brachte, drehten sie ihre Gesinnungsgenossen verbal durch den Wolf: Rassismus!
Heilung durch Realitätsschock? Da friert eher die Sonne zu. Nein, sie werden weitermachen, immer weiter. Bis er am Ende wirklich kommt, der große „Wumms“. Der wird aber ganz anders aussehen, als es Olaf Scholz versprochen hat.
Lätz Dänz am 12.10.22, 06:12 Uhr
"Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte."
Max Liebermann 30.1.1933
E. Berger am 11.10.22, 19:15 Uhr
Die Wahrheit über den Pipeline-Bruch werden wir natürlich nicht erfahren, denn diejenigen, die es veranlasst haben, haben auch die Hohheitsrechte über das Ermittlungsverfahren (da hat H. Precht völlig recht).
Mit Bezug auf Frau Selges Märchenstunde ("Die Investition hätte sich gerechnet") und Norwegen: Haben Sie sich mal erkundigt, aus welchen Quellen Norwegen seine "erneuerbaren" Energien bezieht, und ob diese Quellen auch in Deutschland z. V. stehen? Sollten Sie aber.
Valentina Selge am 10.10.22, 12:25 Uhr
"Da friert eher die Sonne zu" - lustig. Die linkslastigen Parteien haben unter Sigmar Gabriel die internationale progressive Allianz gegründet. Sigmar Gabriel hat sich in Deutschland für den Ausbau der Gaspipelines stark gemacht in der Regierung Merkel II und III.
Sonst wäre der Anteil der erneuerbaren Energie in den letzten dreizehn Jahren in Deutschland weiter ausgebaut worden, stattdessen ist er stagniert.
Diese progressive Parteienallianz hält misslicher Weise zu Deutschland.
Wenn erneuerbare Energie da ist, kann man sie auch verbrauchen, sogar unentgeltlich, wenn man sie selbst produziert. Die Investition hätte sich gerechnet.
Norwegen bezieht 70 Prozent aus erneuerbaren Quellen, obwohl es ein ölreiches Land ist.
"Da friert eher die Sonne zu" als dass die deutschen Politiker der Regierung Merkel II und III zurücktreten. Das wäre nämlich angebracht.
Emmanuel Precht am 08.10.22, 03:47 Uhr
Die stattfindende Aufklärungsarbeit zum Attentat an North Stream erinnert schon stark an „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich Kleist.
Wohlan...