04.11.2024

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Wollin

Zwischen Tradition und Moderne

Misdroys Bausubstanz mit der historischen Bäderarchitektur verleiht dem Seebad das Gesicht

Thorsten Seegert
02.05.2024

Zwischen Swine und Dievenow liegt die Insel Wollin. Einst von Usedom aus mit Fähren erreichbar, ist sie nun sogar durch einen Tunnel mit der Schwesterinsel verbunden. Das erleichtert auch die Anfahrt nach Misdroy, das eines der bekanntesten pommerschen Seebäder ist. Der Berliner Autor Edwin Müller umschrieb dessen Lage einst so: „... umschlossen von den Abhängen einer bewaldeten Hügelkette, die bei den Lebbiner Bergen am Haff beginnt, und sich über Misdroy hinaus am ganzen nördlichen Küstensaume der Insel hart am Meeresstrande hinzieht.“

Wer heute in das Zentrum des Seebades fährt, wird vor allem auf die vielen Parkplätze aufmerksam, die schon vorab zur Ausfahrt auffordern. Da die Saison jedoch gerade beginnt, konnten wir ganz ohne Sorge bis zum Kurpark des Seebades fahren. Von dort führte uns nun der Weg zunächst in Richtung des Kurhauses, das bis heute nichts von seinem alten Charme eingebüßt hat. Ein Blick zurück lässt auch die Kirche in der Ferne erkennen. Der markante Ziegelbau wurde in den 1860er Jahren nach Plänen des Baumeisters Friedrich August Stüler (1800–1865) auf der Königshöhe errichtet.

Überhaupt die Rückblicke – sie lohnen sich auch bei Misdroy, denn hier gibt es einige geographische Besonderheiten zu betrachten. Einst ging von der Stadt Wollin aus ein Weg zur Swinemündung. An der Stelle des einzigen Überganges zur Halbinsel Pritter befand sich der sogenannte „Alte Krug“, eine Gastwirtschaft, die lange Zeit im Besitz der jeweiligen Landesherren war. Hier wurde nun ein Ort angelegt, dessen Einwohner im Wesentlichen von der Fischerei lebten. Zudem hielten sie Bienen. Allerdings findet der Ort erst 1554 als „Misdroige“ seine Ersterwähnung. Neben dem Krug und den Bauern Karsten Schmedt und Paul Tepelke gab es nur noch sechs Untertanen der kirchlichen Propstei Cammin, die auch „Prawester“ oder „Propsteier“ genannt wurden.

Vom Fischerdorf zum Seebad
Erst mit dem Jahr 1776, als die Kolonistenfamilien von Peter und Carl Krüger sowie Jeremias Lippert und Ludwig Guth hier angesiedelt wurden, nahm auch die Zahl der Bewohner Misdroys wesentlich zu. 1802 gab es neben dem „Erbkrüger“ noch die zwei Halbbauernhöfe, zwei Büdner und eben jene Kolonisten. 45 Jahre später waren es neben den bereits Erwähnten weitere 19 Büdner sowie drei Einliegerfamilien, die sich hier angesiedelt hatten. 1835 kam auch der Fremdenverkehr in Gang, der durch Gäste eingeleitet wurde, denen Swinemünde und Heringsdorf zu großstädtisch geworden war. Sie begannen in Misdroy Seebäder zu nehmen. Der Schulze Pust kamen ihnen dabei mit dem Bau eines Gesellschaftshauses entgegen. Zudem wurden Badehütten für Frauen und Männer errichtet. Die Anzahl der Badegäste betrug 1846 bereits etwa 500. Diese fanden sich am frühen Morgen an der Heringspackerei und bei den Warnowschen Booten ein.

Was das Herz begehrte
Die Preise für Unterkünfte sollen anfangs noch sehr preiswert gewesen sein, auch weil immer neue Häuser in Misdroy gebaut wurden. Neben Gesellschafts- und Wirtshäusern fanden sich schon bald Fleischer, Bäcker und Einkaufsläden, die sich der steigenden Nachfrage ihrer Kunden erfreuten. Angeboten wurden außerdem Fahrten mit Booten und Kutschen. Die Entwicklung nahm ihren Lauf – auch durch die Eisenbahnverbindung Berlin–Ducherow–Swinemünde–Misdroy.

Schon damals baute man immer mehr Häuser in Richtung der Dünen. Dieser Drang zur direkten Lage an der See lässt sich heute noch deutlich von der Seebrücke aus beobachten. Während die ursprünglich erste Reihe mit Villen und Pensionen in der bekannten Bäderarchitektur an der Strandpromenade hinter der bewachsenen Düne verschwinden, haben vor Jahren Rodungen begonnen, um eine neue erste Reihe an der einstigen Viktoria-Promenade zu schaffen. Die Bauten sind ungleich massiver und größer – Hotels und Appartements schaffen leider auch hier neue Maßstäbe, wie in manch anderen Kurorten auch.

Wer allerdings über die Strandpromenade schlendert und sich umschaut, kann durchaus einige Perlen der Bäderarchitektur entdecken. Aber auch hier lagen in den vergangenen Jahren Verfall und Sanierung noch eng beieinander. Möge so viel wie möglich von der historischen Bausubstanz erhalten bleiben.


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