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Kant an seinem Königsberger Schreibtisch: Porträt von Johannes Heydeck   
Foto: Ostpreußisches LandesmuseumKant an seinem Königsberger Schreibtisch: Porträt von Johannes Heydeck 

Essay

Kants Bedeutung für die Politik

Der Königsberger Philosoph gilt als einer der wichtigsten Denker der Aufklärung. Seine Schriften enthalten jedoch keineswegs nur Impulse für den akademischen Raum, sondern gerade auch ganz konkrete Anregungen für das Handeln politisch Verantwortlicher

Christean Wagner
22.04.2024

Als bedeutender Philosoph der Aufklärung hat Kant mit seinen Ideen und Theorien die Politikphilosophie maßgeblich geprägt. In seinem umfangreichen Werk „Die Metaphysik der Sitten“ und in anderen Schriften setzt er sich intensiv mit Fragen der Ethik, der Rechtsphilosophie und der politischen Theorie auseinander. 

Eine zentrale Aussage lautet: Die Handlungen des einzelnen Menschen in einer Gesellschaft werden durch seinen Willen bestimmt. Dieser Wille muss frei sein, wenn er konstruktive Ergebnisse erzielen will. Er meint damit: frei von Neigungen, frei von Bedürfnissen und frei von persönlichen, individuellen Interessen. Erst, wenn er diese Leidenschaften hinter sich gelassen hat, ist er am besten in der Lage, seine Handlungen aus der Vernunft heraus in die Tat umzusetzen. 

Vernunft ist überhaupt ein zentraler Begriff im Denken von Immanuel Kant. Er fordert uns alle auf: „Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Dieser Mut war der erste Schritt aus der geistigen Unmündigkeit. Er führte in die Freiheit der europäischen Aufklärung, die wesentlich durch das Geistesleben Königsbergs im 18. Jahrhundert entwickelt und gefördert wurde. 

Vordenker von Gewaltenteilung und Volkssouveränität 

Besondere Prominenz in Kants Denken hat der Kategorische Imperativ gewonnen: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ Dieser moralische Grundsatz ermutigt dazu, Handlungen nach Maßstäben zu beurteilen, die universell gelten können. Wenn wir diese Idee auf das politische Handeln übertragen, sehen wir, wie sie zu Prinzipien wie Gerechtigkeit, Menschenrechten und dem Wohl der Gesellschaft führt. Diese Überlegung hat direkte Auswirkungen auf politische Entscheidungen und Gesetze, da sie nach Kants Ansicht auf moralischen Prinzipien beruhen sollten, die für alle Menschen gleichermaßen gelten. Diese Gedanken sind heute noch so aktuell und dringlich, wie sie es seinerzeit waren. 

Kant beschäftigte sich auch mit Gegenständen wie Völkerrecht und internationalem Frieden. In seinem berühmten Essay „Zum ewigen Frieden“ warb er dafür, dass sich souveräne Staaten an be- stimmte Prinzipien halten sollen, um Kriege zu vermeiden und den Frieden zu wahren. Kant schlug vor, dass solche Staaten durch ein föderales System zusammenarbeiten könnten, um den Frieden zu sichern und Konflikte friedlich zu lösen. Diese Idee ähnelt den modernen Vorstellungen von internationalen Organisationen und diplomatischer Zusammenarbeit. 

Kant war der Auffassung, dass republikanische Staaten, die auf dem Prinzip der Gewaltenteilung beruhen, eher dazu neigen würden, Frieden zu verteidigen und zu gewinnen. Er glaubte, dass eine Verfassung, die auf dem Prinzip der Volkssouveränität basiert, die beste Garantie für politische Freiheit und individuelle Rechte sei. Dieses Konzept des Republikanismus kann durchaus als Fundament für den modernen demokratischen Staat bezeichnet werden. 

Bildung als Grundlage von selbstständigem Denken 

Kants Ideen waren nicht nur abstrakt gemeint, sondern durchaus praktisch. Er war zum Beispiel engagierter Befürworter der Meinungsfreiheit und sah unter anderem Bildung als Schlüssel zur Ermächtigung der Bürger, rationale Entscheidungen zu treffen. Seine Vision einer aufgeklärten Gesellschaft, in der Bürger aktiv am politischen Diskurs teilnehmen, ist bis heute relevant. 

Immanuel Kants Ideen haben nicht nur seine damalige Zeit geprägt, sondern auch die Grundlage geschaffen für viele unserer modernen politischen Prinzipien. Seine Betonung von Freiheit, Moral, Frieden, demokratischer Teilhabe und globaler Verantwortung inspiriert uns weiterhin und motiviert uns, eine gerech- tere und friedlicher Welt zu schaffen. 

Verhältnis zu Königsberg 

Kants Schritt aus der geistigen Unmündigkeit führte in die Freiheit der europäischen Aufklärung, die wesentlich durch das Geistesleben Königsbergs im 18. Jahrhundert entwickelt und gefördert wurde, auch durch seine Wegbegleiter wie Johann Georg Hamann, Johann Gottfried Herder, Johann Christoph Gottsched und – nicht zu vergessen – dessen Frau Luise Victoria Gottsched, bekannt geworden als die Gottschedin. 

Kant war gewiss durch seine Heimatstadt Königsberg in Preußen geprägt. Umgekehrt prägte er Stadt und Menschen in zeitloser und universeller Gültigkeit. 

Eine Ahnung von der Kraft, der Ausstrahlung seiner Gedanken erhalten wir, wenn wir daran erinnern, dass im Jahr 1916 im fernen Japan in einem Park in Tokio eine Halle zu Ehren der vier größten Weltweisen errichtet wurde: Genannt wurden Buddha aus Indien, Konfuzius aus China, Sokrates aus Griechenland und Immanuel Kant aus Königsberg. 

Konkrete Leitlinien für politisches Handeln 

Auch wenn Königsberg heute dem Be- reich des deutschen Grundgesetzes ent- zogen ist, so lebt unsere Vaterstadt unter anderem auch in den Werken des großen Welt Philosophen Immanuel Kant weiter. 

Ich ende mit einem Zitat Immanuel Kants aus seiner „Kritik der praktischen Vernunft“, das gedruckt und eingerahmt an prominenter Stelle im Wohnzimmer meiner Eltern hing. Es hat mir als Jugendlichem frühzeitig einen emotionalen Zu- gang zu dem Denken des großen Philoso- phen geöffnet. Dieses Zitat lautet: „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ 

Zusammenfassend stelle ich fest, dass Immanuel Kants Philosophie auch heute noch aktuelle Bedeutung besitzt für politische Strukturen und konkretes politisches Handeln.

• Dr. Christean Wagner ist Mitglied im Kuratorium der Stiftung Königsberg im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Von 1987 bis 1991 war er Kultusminister sowie von 1999 bis 2005 Justizminister des Landes Hessen. Von 2005 bis 2013 war er Vorsitzender der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag. 
www.stiftung-koenigsberg.de 

Der Text ist die leicht gekürzte Rede des Autors anlässlich einer Veranstaltung der Stiftung Königsberg im Herbst 2023 in der Parlamentarischen Gesellschaft zum Abschluss der Kant-Dekade. 

 

• Hinweis: Dieser Beitrag erschien in der Beilage „Weltbürger aus Königsberg“ in PAZ 4/2024. Weitere Texte daraus sind: 

René Nehring: Ein Weltbürger und seine Heimat
Warum Kants Werke zwar von globaler Bedeutung sind, jedoch nicht ohne des Philosophen Heimatstadt Königsberg und das sie umgebende Ostpreußen gedacht werden können

Steffen Dietzsch: Der Menschen „Beruf zum freien Denken“
Kants zentrales Anliegen zur Befreiung des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit war die Aufklärung. Doch was ist darunter zu verstehen? Gedanken zu einem grundlegenden Begriff in der Königsberger Kultur

Im Gespräch mit Joachim Mähnert: „Eine Anregung zum Selber-Denken“
Über das reichhaltige Veranstaltungsprogramm zum Kant-Jubiläum im Ostpreußischen Landesmuseum und andernorts

Die ganze Beilage kann bezogen werden unter: redaktion@paz.de

 

In Ausgabe 16/2024 erschien zudem zur Aktualität Kants: 

Manfred Geier: Eine tröstende Aussicht in die Zukunft
Vor 300 Jahren wurde Immanuel Kant in Königsberg geboren. In Zeiten neuer Kriege in Europa und in der Welt sind die Gedanken des Philosophen zu Frieden und Weltbürgertum heute aktueller denn j
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Kommentare

Kersti Wolnow am 25.04.24, 06:07 Uhr

Heute scheint sich niemand in der bRD mit Völkerrecht oder Volssouveränität zu beschäftigen, denn dann würde man hier ganz unangenehme Fragen stellen müssen.
Die bRD Regierungen regieren absolutistisch, die Wahlen lassen in der Parteiendiktatur nur handverlesene und ausgesuchte Figuren zu, denkende Menchen bleiben ihnen fern, im Moment fast die Hälfte, aber selbst das entfacht keine mediale oder sonstige Diskussion. Mehltau liegt über dem Land.

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